Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P638
DOI: 10.1055/s-0028-1086892

Fokale Epilepsie und solitäre kortikale Raumforderung: Neurozystizerkose bei einem deutschen Patienten

F Luessi 1, J Knabe 1, H Müller 1, K Frauenknecht 1, T Vogt 1
  • 1Mainz

Hintergrund: Die Neurozystizerkose ist die häufigste Parasitose des zentralen Nervensystems und wird durch das Larvenstadium des Schweinebandwurms (Taenia solium) verursacht. Während die Neurozystizerkose in den Entwicklungsländern die häufigste Ursache für erworbene Epilepsien darstellt, ist dieses Krankheitsbild in Deutschland äusserst selten und betrifft meist Immigranten aus Endemiegebieten.

Kasuistik: Wir berichten über einen 69-jährigen deutschen Patienten mit einer langsam progredienten Gedächtnisstörung, der zur Abklärung einer links temporalen Raumforderung in unsere Klinik eingewiesen wurde. Als Komplikation erlitt der Patient am Aufnahmetag einen generalisierten epileptischen Anfall. Im EEG zeigte sich eine Hirnfunktionsstörung links posterotemporal ohne Epilepsie-typische Potentiale. Im kraniellen MRT zeigte sich eine Kontrastmittel-aufnehmende ödematöse Veränderung links temporal mit zentraler Einschmelzung. Hinweise für einen Zweitbefund fanden sich nicht. Der Liquor war klar und der Liquorstatus unauffällig. Sowohl die ausführliche Infektionsserologie von Liquor und Serum als auch die mykobakterielle Erregerdiagnostik fielen negativ aus. Bei guter Operationsmöglichkeit der oberflächlich gelegenen zerebralen Läsion erfolgte eine neurochirurgische Entfernung über eine osteoklastische Kraniotomie in mikrochirurgischer Technik. In der neuropathologischen Aufbereitung zeigten sich eine granulomatöse Entzündung sowie verkalkte Strukturen einer Bandwurmlarve, die mit einer Neurozystizerkose vereinbar waren. In der erweiterten Diagnostik fanden sich keine Hinweise auf einen anderen Organbefall. Trotz nachgewiesener Zystizerkose war die spezifische Serologie (Immunoblot) im Liquor und Serum negativ.

Therapie: Es wurde eine antihelminthische Therapie mit Albendazol in Kombination mit Dexamethason durchgeführt. Zudem begannen wir eine antikonvulsive Dauertherapie mit Lamotrigin. Aktuell befindet sich der Patient in gutem Allgemeinzustand ohne weitere epileptische Anfälle.

Diskussion: In der Differentialdiagnostik der zystischen zerebralen Raumforderung muss auch in unseren Breiten, neben häufigeren Ursachen wie CMV, Toxoplasmose, Tuberkulose, Metastasen und hirneigenen Tumoren, an eine Neurozystizerkose gedacht werden. Eine negative Infektionsserologie schließt das Vorliegen einer Neurozystizerkose nicht aus. Zur Diagnosesicherung kann eine neurochirurgische Entfernung notwendig sein.