Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P552
DOI: 10.1055/s-0028-1086806

Autosomal dominante Leukodystrophie – dringender Verdacht bei einem 49-jährigen Patienten

R Patejdl 1, P Rommer 1, A Winkelmann 1, A Grossmann 1, B Greim 1, W Köhler 1, R Benecke 1, U.K Zettl 1
  • 1Rostock, Wermsdorf

Wir berichten über den Fall eines 48-jährigen Mannes mit einer vor zwei Jahren zunächst durch abnehmende physische und kognitive Leistungsfähigkeit aufgefallenen Erkrankung. Im weiteren Verlauf kam es zur Entwicklung einer ataktischen Gangstörung, einer Blasenentleerungsstörung sowie einer weiteren Abnahme der kognitiven Funktionen. Von Seiten einer externen Klinik wurden differenzialdiagnostisch eine Leukenzephalopathie vaskulärer oder postinfektiöser Genese sowie eine Leukodystrophie diskutiert.

Bei Vorstellung in unserer Klinik zeigten sich eine Stand- und Gangunsicherheit, gesteigerte Reflexe der oberen Extremität sowie ataktische Zeigeversuche und eine moderate Einschränkung der Tiefensensibilität. Im MRT zeigten sich ausgedehnte Veränderungen des gesamten cerebralen Marklagers mit Einbeziehung der Kleinhirnstiele und ausgedehnter Atrophie des Balkens. Elektrophysiologisch ergaben sich ausgeprägte Latenzverzögerungen der AEP, der VEP und der MEP bei deutlicher Einschränkung der ipsilateralen Inhibition. Eindeutige Hinweise für eine Mitbeteiligung des zweiten Neurons ergaben sich nicht. Neuropsychologisch zeigten sich Einschränkungen der Merkfähigkeit, des logischen Denkvermögens sowie der Exekutivfunktionen und der Aufmerksamkeit.

Anamnestisch war bei der Mutter des Patienten im vierten Lebensjahrzehnt eine nie aufgeklärte Gangstörung und Wesensveränderung aufgefallen. Ein Bruder der Mutter war ebenfalls mit 68 Jahren an an einer unklaren neurologischen Erkrankung gestorben, das angefertigte CT hatte disseminierte Veränderungen der weißen Substanz gezeigt.

In der Zusammenschau sprechen die dargestellten Befunde am ehesten für das Vorliegen einer Leukodystrophie im Erwachsenenalter. Die eingeleitete biochemische und molekularbiologische Diagnostik führte unter anderem zum Ausschluss eines M. Krabbe und einer Metachromatischen Leukodystrophie. Die Untersuchung einer Muskelbiopsie des Patienten ergab keine spezifischen pathologischen Befunde, im Sinne einer Mitochondriopathie.

Das frühe Auftreten vegetativer Störungen im Zusammenhang mit dem MR-morphologischen Befallsmuster lenkt den Verdacht in Richtung auf das Vorliegen der extrem seltenen und erstmals von Eldridge et al. an einer irischen Familie beschriebenen „Autosomal Dominanten Leukodystrophie“ (ADLD), für die 2007 von Padiath et al. ein zugrunde liegender genetischer Defekt gesichert werden konnte. Die genetische Diagnostik im beschriebenen Fall steht gegenwärtig kurz vor dem Abschluss.