Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P521
DOI: 10.1055/s-0028-1086775

Krankheitskosten der Parkinsonerkrankung in Russland im Vergleich zu Deutschland

S von Campenhausen 1, Y Winter 1, G Popov 1, J.P Reese 1, K Boetzel 1, W.H Oertel 1, A Guekht 1, R Dodel 1
  • 1Marburg, Stuttgart, München; Moskau, RUS

Ziel: Zunehmende Alterung der Weltbevölkerung geht mit steigenden Kosten des Morbus Parkinson (MP) einher. Während die Studien zu Krankheitskosten des MP in den Industrieländer vorliegen, stehen für Osteuropa und Asien bislang keine Daten zur Verfügung. Im Rahmen dieser gesundheitsökonomischen Evaluation wurden direkte und indirekte Kosten des MP in Russland berechnet und mit Krankheitskosten in Deutschland verglichen.

Methoden und Patienten: Patientenbefragung der 100 konsekutiven Patienten mit idiopathischem MP, die in der neurologischen Ambulanz der Staatlichen Medizinischen Universität in Moskau behandelt wurden. Die Gesamtkosten wurden mittels eines „bottom-up“ Ansatzes erhoben aus der gesellschaftlichen Perspektive evaluiert. Zur Berechnung der indirekten Krankheitskosten wurde der Humankapitalansatz angewandt. Die russische Währung (Rubel) wurde nach Kaufkraftparitäten in Euros (EUR) umgerechnet. Bei der Kostenberechnung wurden die Preise des Untersuchungsjahres (2005) berücksichtigt. Da Kostendaten schief verteilt sind, wurde, eine Bootstrap-Analyse durchgeführt. Das Vergleichskollektiv war eine Kohorte bestehend aus 145 Patienten mit MP, die im Rahmen einer deutschen Studie mit gleichem Studiendesign rekrutiert wurden (Spottke et al., 2005).

Ergebnisse: Die Halbjahreskosten des MP aus der gesellschaftlichen Perspektive in Russland betrugen EUR 2790 (95%CI: 2190–3400) und waren somit 3,6fach geringer als in Deutschland. Die Ressourcenverteilung zwischen Kostenkategorien war ähnlich wie in Deutschland. Auf direkte Krankheitskosten entfiel 48% (EUR 1340 [95% CI: 1080–1660]), auf indirekte Kosten 27% (EUR 750 [95% CI: 570–970]) und auf Eigenleistungen der Patienten 25% (EUR 700 [95% CI: 550–880]) der Gesamtkosten. Die Patienten in Russland mussten einen deutlich höheren Anteil ihrer Privateinkommen für krankheitsbedingte Aufwendungen ausgeben (43% gegenüber 9% in Deutschland). Die Patienten und ihre Familien in Russland wurden hauptsächlich durch die Pflege und Medikamentenkosten belastet.

Schlussfolgerung: Obwohl die Krankheitskosten des MP in Russland ca. 3–4fach geringer als in Europa sind, sind die ökonomischen Folgen für die russische Bevölkerung beträchtlich, insbesondere wenn man die niedrigen Privateinkommen (nur EUR 3270 [95% CI: 2630–4420] pro Jahr) in Betracht zieht. Weiterentwicklung des sozialen Versorgungssystems, wie etwa ambulante Pflegedienste, Pflegeheime, sowie adäquate Kostenerstattung der Medikamentenausgaben sind erforderlich.