Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P503
DOI: 10.1055/s-0028-1086757

Die Bedeutung der circadianen Rhythmik bei Alzheimerdemenz für Schlaf, Gedächtnis und Therapie

H Förstl 1, A Nieoullon 1, D Bentué-Ferrer 1, R Bordet 1, M Tsolaki 1, B Ibach 1
  • 1München, Neuss; Marseille, Rennes, Lille, F; Thessaloniki, GR

Fragestellung: Bei der Alzheimerdemenz (AD) sind während der frühen Abendstunden und in der Nacht häufig Schlafstörungen und Verhaltensauffälligkeiten zu beobachten. Die Periodizität dieser komplexen Phänomene spricht für eine Beteiligung circadianer Rhythmen. Das cholinerge System (cS) unterliegt einer circadianen Rhythmik (cR) und ist verantwortlich für Vigilanz und Lernfunktionen. Cholinerge Kerngebiete sind früh von den typischen neurodegenerativen Prozessen der AD betroffen und dienen als Ziel therapeutischer Interventionen mit Acetylcholinersterase-Inhibitoren (AChEI). Ungeklärt ist die Frage ob eine Adaptation der cholinergen Therapie an die cR des cS die Therapieergebnisse positiv beinflussen könnte.

Methoden: Vor diesem Hintergrund wurde die verfügbare Literatur auf Zusammenhänge zwischen Alzheimerdemenz, Schlaf, Gedächtnis, circadianer Rhythmik, colinergem System und der cholinergen Therapie analysiert.

Ergebnisse: Patienten mit AD entwickeln Störungen der cR, welche die physiologischen Alterungsprozesse bei weitem übertreffen. Der für die circadiane Rhtytmik bedeutsame Nucleus suprachiasmaticus wird regelmäßig in die neurodegnerativen Prozesse miteinbezogen. Das Schlafprofil wird fragmentierter, verschlechtert sich mit zunehmender Krankheitsdauer und kann zur Exazerbation von Verhaltensstörungen beitragen.

Acetylcholin spielt eine wichtige Rolle für die Aufrechterhaltung eines physiologischen Schlafmusters, dem wiederum eine hohe Bedeutung für die Einpeicherung von neuen Gedächtnisinhalten zugemessen wird. Während der Tiefschlafphasen sind niedrige cholinerge Konzentrationen essentiell für die Funktion des deklarativen Gedächtnisses. Eine Störung des nächtlichen cholinergen Aktivitätsmusters kann demnach zu Schlaf- und Gedächtnisstörungen führen und diese verstärken. Für eine möglichst physiologische cholinerge Funktion sind in den Wachphasen höhere Konzentrationen, in Schlafphasen niedrige Acetycholinspiegel von Vorteil.

Schlussfolgerung: In der Therapie der AD mit AChEI könnte die Berücksichtigung der physiologischen circadianen cholinergen Rhythmik zu einer Optimierung der Therapieergebnisse führen. Die pharmakokinetischen Eigenschaften der AChEI könnten dazu genutzt werden, das cholinerge System während der Wachphasen stärker zu stimulieren als in den Schlafphasen.