Aktuelle Neurologie 2008; 35 - P409
DOI: 10.1055/s-0028-1086663

Primäre Lateralsklerose als Phänotyp einer SOD1-negativen familiären Amyotrophen Lateralsklerose

J Prudlo 1, Y Mehraein 1, D Hellwig 1, U Müller 1
  • 1Rostock, Homburg/S., Gießen

Die Primäre Lateralsklerose (PLS) ist ein progredientes, spino-bulbäres oberes Motoneuronsyndrom und gilt als sporadisch auftretende Erkrankung. Als Teil eines familiären Amyotrophen Lateralsklerose (FALS)-Stammbaums im Nebeneinander mit klassischen ALS-Phänotypen wurde die PLS bislang nur ein einziges Mal beschrieben (Brugman 2005). Dieser Beobachtung fügen wir im folgenden eine weitere hinzu.

Die Mutter erkrankte 65-jährig an einer rapid progredienten, klassischen ALS mit bulbärem Beginn und einer Krankheitsdauer von zwei Jahren. Der Sohn, ältestes von 10 Kindern, erkrankte 51-jährig an einer progredienten PLS. Er ist nach fünfjährigem Verlauf motorisch und kognitiv deutlich behindert, aber am Rollator noch wenige Meter gehfähig. Am Beginn stand eine Gangunsicherheit bei beinbetonter Tetraspastik (ab 2003), gefolgt von einem Pseudobulbärhirn-Syndrom (ab 2004) und einer fronto-temporalen Demenz mit Logopenie und psychischer Rigidität (ab 2005). Hinzu traten eine Hypo- und Bradykinese sowie eine zentrale Okulomotorikstörung. Schädigungszeichen des unteren Motoneurons fehlen auch fünf Jahre nach Erkrankungsbeginn. Das cMRT zeigte eine globale Hirnatrophie mäßigen Ausmaßes, das IBZM-SPECT eine postsynaptisch reduzierte Dopamin D2-Rezeptordichte, das FP-CIT-SPECT eine leichtgradig reduzierte präsynaptische Dopamintransporterdichte. Das FDG-PET zeigte einen globalen, jedoch keinen lobär betonten Glukosehypometabolismus. Mutationen fanden sich weder im SOD 1-, noch im tau-Gen. Entzündliche oder metabolische Ursachen konnten ausgeschlossen werden.

Die PLS kann Teil einer FALS sein und ist somit keine ausschließlich sporadisch auftretende Erkrankung. Der unterschiedliche Phänotyp innerhalb einer Familie unterstreicht die Variabilität der autosomal-dominant vererbten FALS. Dies und die Tatsache, dass neun jüngere Geschwister bislang nicht erkrankten, könnten hinweisend sein auf eine variable Expressivität bzw. eine reduzierte Penetranz.