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DOI: 10.1055/s-0028-1086605
Der Maler und sein „Stilbruch“– litt Matisse am M. Parkinson?
Henry Matisse wurde 1869 geboren. Nach spätem Start als Maler wurde er ein „Meister des Pinsels“, malte unter dem Einfluss von Paul Gauguin, Paul Cézanne, Vincent van Gogh und Gustave Moreau. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Darmkrebsoperation 1940 gab es einen Bruch in seinem Leben und seinem Stil als Künstler. Als emotionaler Mensch fiel ihm die Verarbeitung der Krankheit schwer, er lag mit Vorliebe im Bett, saß ständig im Rollstuhl. 1943 malt er das Modell Micaela, eines seiner letzten „Pinselbilder.“ Dann geht er dazu über, von Gehilfen große Papierbögen farbig einstreichen zu lassen und aus diesen mit einer großen Schere Formen zu schneiden, die er zu Kompositionen collagieren ließ. Dadurch entstanden ausdrucksvolle Werke in leuchtenden Farben. Offensichtlich konnte er den (leichten) Pinsel nicht mehr in Ruhe führen, wahrscheinlich bestand ein Tremor. In seinen Skizzen ist dies erkennbar. Er selbst 1945: „...Wenn du wüsstest, welche verhaltenen Wutanfälle ich manchmal habe, wenn ich meine erzwungene Unbeweglichkeit verspüre...“ Neben den Collagen malte er mit Kreide, die er an einem langen (schweren) Bambusstock band. Ab 1945 ist auf seinen Fotos eine zunehmende Amimie zu erkennen, die rechte Hand wird im Stehen an die Seite gepresst. In den Briefen der Jahre nach 1945 besteht eine Mikrographie. Er selbst beschreibt „Nervenkrämpfe“, Schlaflosigkeit, mehrmonatige „Depressionszustände“... Obwohl er seit 1940 „an den Rollstuhl gefesselt“ war, existieren noch von 1952 Fotographien, auf denen er – gebeugt – mit dem Bambusmalstock in der Hand steht; eine Paraparese bestand also nicht.
Zusammenfassung: Der kunstgeschichtlich als „Aufbruch zu neuen Höhen der Farbauffassung und -gestaltung“ bezeichnete Wandel in der Technik Matisses – vom Pinsel zur Schere und zur Kreide am Bambusstock – lässt sich gut erklären, wenn die Symptome als Parkinsonerkrankung gedeutet werden: Zunehmende Amimie, Mikrographie, Depressionen, Bewegungsstörungen. Wahrscheinlich bestand auch ein Ruhetremor. Er fand einen Ausweg in der Abkehr von der Malerei zur Benutzung einer großen Schere zum Collagieren und eines schweren Bambusstocks zum Zeichnen. Die motorische und psychische Behinderung wirkte sich nicht auf sein ästhetisches Empfinden und seine künstlerischen Ideen aus. Sein großer Nachkriegserfolg beruhte wohl darauf, dass die farbintensiven Collagen die Menschen in der tristen grauen Zeit faszinierten.