Aktuelle Neurologie 2008; 35 - V49
DOI: 10.1055/s-0028-1086485

Welche Erkrankungen haben Patienten, die mit dem Verdacht auf eine chronische Neuroborreliose vorgestellt werden?

M Djukic 1, C Schmidt-Samoa 1, P Jüngermann 1, N von Steinbüchel 1, H Eiffert 1, R Nau 1, H Schmidt 1
  • 1Göttingen

Fragestellung: Die Neuroborreliose ist eine mit Antibiotika behandelbare und heilbare Erkrankung. Bei vereinzelten Patienten kann es jedoch zu einem verzögerten Ansprechen auf die Therapie oder zu persistierenden Beschwerden trotz adäquater Behandlung kommen.

Ziel dieser Studie war es, monozentrisch prospektiv zu untersuchen, wie häufig sich der Verdacht auf eine chronische Neuroborreliose erhärten ließ.

Methoden: Wir untersuchten 76 Patienten, die mit dem Verdacht auf eine chronische Neuroborreliose in unsere Poliklinik überwiesen wurden. Es erfolgte eine klinisch-neurologische und laborchemische Untersuchung sowie bei 51 Patienten eine Liquorpunktion. Zudem setzten wir neuropsychiatrische Fragebögen zur Lebensqualität, zum Ängstlichkeitsniveau, zur Depressivität, Schlafqualität oder zur subjektiv empfundenen Beeinträchtigung durch psychische und körperliche Symptome ein.

Ergebnisse: Die Patienten wurden nach den internationalen ad hoc Kriterien in vier Kategorien unterteilt: Wir konnten nur bei 9 Patienten (11,8%) ein Post-Lyme-Syndrom (Kategorie 4) diagnostizieren, 21% aller Patienten erfüllten die Kriterien der Kategorie 1 (Symptome unklarer Ursache ohne Evidenz für eine B. burgdorferi Infektion), 14,5% die Kriterien der Kategorie 3 (Symptome unklarer Ursache mit Antikörperbildung gegen B. burgdorferi, aber ohne klinische Zeichen für eine Neuroborreliose) und 52,6% erfüllten die Voraussetzungen für Kategorie 2 (andere gesicherte Krankheiten). Die häufigsten geäußerten Beschwerden waren depressive Symptome (73,7%) gefolgt von Sensibilitätsstörungen (55,2%), Fatigue und Konzentrationsstörungen (55,3%). Bei 7 Patienten (9,2%) stellten wir die Diagnose einer Multiplen Sklerose. Bereits im Vorfeld erfolgten bei 61 Patienten antibiotische Behandlungen (von 1 bis maximal 6 Antibiotika-Zyklen), ohne dass dadurch eine Besserung der bestehenden Symptomatik zu verzeichnen war.

In den neuropsychiatrischen Fragebögen spiegelte sich dies wider. Sowohl die Lebens- und Schlafqualität als auch das Ausmaß der Depressivität und Angst der untersuchten Patienten waren signifikant pathologisch verändert im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe (n=30).

Schlussfolgerung: Bei chronisch-persistierenden unspezifischen Beschwerden in Assoziation mit einer positiven Borrelienserologie sollte eine weiterführende ausführliche Diagnostik erfolgen, da häufig eine andere Erkrankung als die vermutete chronische Neuroborreliose der Grund für die Symptome darstellt