ZFA (Stuttgart) 2008; 84(9): 399-403
DOI: 10.1055/s-0028-1082293
Serie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

IGeL kritisch betrachtet: Messung freier Radikale

IGeL Critically Viewed: Measurement of Free RadicalsR. Strametz 1 , A. Erler 1 , M. Beyer 1 , I. Otterbach 1
  • 1Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main
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Publication History

eingereicht: 24.06.2008

akzeptiert: 09.07.2008

Publication Date:
16 September 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Problemstellung: Radikale sind hochreaktive Moleküle, die im Körper gebildet werden und nach der chemischen Reaktion wieder verschwinden. Liegen diese im Übermaß vor, spricht man von „freien Radikalen”, die dann im Organismus unerwünschte chemische Reaktionen auslösen können. Als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) wird in Deutschland für asymptomatische Patienten die „Messung freier Radikale” angeboten.

Methode: Eine ausführliche Literaturrecherche wurde insbesondere auf zwei Fragestellungen hin durchgeführt: 1. Können freie Radikale mit den im Rahmen von IGeL-Angeboten vorgeschlagenen Messverfahren zuverlässig bestimmt werden? 2. Gibt es sinnvolle Präventionsangebote, wie z. B. die Einnahme von Antioxidantien, für die eine solche Messung beim einzelnen Patienten die Voraussetzung darstellt?

Ergebnisse: Keines der verwendeten Messverfahren ist dazu geeignet, eine valide Aussage über den Grad des oxidativen Stresses zu treffen. Es wurde außerdem keine Studie gefunden, die belegt, dass die systematische Einnahme von Antioxidantien bei asymptomatischen Patienten einen Überlebensvorteil erbringt. Dagegen gibt es Evidenz dafür, dass die Einnahme bestimmter Antioxidantien mit einer erhöhten Letalität assoziiert ist.

Schlussfolgerung: Die „Messung freier Radikale” bei gesunden Patienten verspricht keinen Nutzen. Abgesehen von der Einhaltung allgemeiner Maßregeln gesunder Lebensführung gibt es keine spezifische Therapie, die einen ,oxidativen Stress‘ bei ansonsten gesunden Menschen verhindern bzw. ihm vorbeugen könnte.

Abstract

Background and Problem: Reactive oxygen species (ROS) are highly-reactive molecules that are constantly formed and, after a chemical reaction, disappear from the body. In case of a preponderance of ROS we talk of “free radicals“, which can trigger unwanted chemical reactions in the organism. In Germany, asymptomatic patients are offered the measurement of free radicals as a non-insured health service (in German “IGeL”– Individuelle Gesundheitsleistungen).

Method: An intensive literature search focused on two questions in particular: 1. Can the level of free radicals be accurately determined using the test that is offered as a non-insured health service? 2. Do useful preventive methods exist, such as the administration of antioxidants, for which such a measurement in an individual patient is a precondition?

Results: None of the applied tests provide valid information on the level of oxidative stress. Furthermore, no study has been found to support the view that the systematic administration of antioxidants to asymptomatic patients lowers mortality. On the other hand there is valid evidence that the intake of certain antioxidants is associated with increased mortality.

Conclusions: Measuring the level of free radicals in healthy patients does not promise any health benefit. Apart from following the general rules of a healthy lifestyle there is no specific therapy which is able to prevent or hinder oxidative stress in an otherwise healthy person.

Literatur

Korrespondenzadresse

Dr. R. Strametz

Goethe-Universität

Institut für Allgemeinmedizin

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt am Main

Email: strametz@ebmfrankfurt.de