Z Sex Forsch 2024; 37(01): 55-56
DOI: 10.1055/a-2243-2222
Nachruf

Louis ‘Wiet’ Gooren (14. Dezember 1943 – 17. September 2023)

Jens Jacobeit
Innere Medizin, Endokrinologie, Andrologie und Sexualmedizin, MVZ Praxis im Chilehaus, Hamburg
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Prof. Louis Gooren ((Foto: Rikus ten Brücke))

Het echte geheim van succes is enthousiasme.

(Das wahre Geheimnis des Erfolgs ist die Begeisterung.)

Mit großem Bedauern erfuhren wir im September 2023, dass Prof. Louis Gooren nur kurz vor seinem 80. Geburtstag in Amsterdam, Niederlande verstorben ist. Gooren, geboren als Ludovicus Johannes Gerardus Gooren, der seine Kindheit in Wanssum (Provinz Limburg, Niederlande) verbrachte, studierte Medizin an der Katholischen Universität in Nijmegen und spezialisierte sich an der Vrije Universiteit Amsterdam auf den Facharzt für Innere Medizin mit späterer Spezialisierung für Endokrinologie.

Ab 1976 arbeitete er als Endokrinologe und Androloge am Universitätskrankenhaus der Vrije Universiteit. Gooren war der leidenschaftliche Endokrinologe in der ersten niederländischen Gender-Klinik, die 1973 von Dr. Gerhardus Hellinga (1906–1991) gegründet wurde und deren Leitung Gooren 1977 dann selbst übernahm. Maßgeblichen Anteil daran hatte auch der plastische Chirurg Freerk Bouman (1926–2010; [Wikipedia 2023]).

Der Name Louis Gooren ist seit den 1970er-Jahren untrennbar mit der Entwicklung der Transgender-Medizin vor allem in den Niederlanden verbunden. Er tat dies bereits zu einer Zeit, als praktisch niemand diese Patient*innengruppe ärztlich versorgen wollte und dieses multidisziplinäre Gebiet der Medizin, für das damals keinerlei medizinische Standards etabliert waren, eher als marginal und exzentrisch galt. Louis Gooren durchbrach diese Situation und setzte sich unermüdlich für die medizinische und gesellschaftliche Anerkennung von trans Menschen und vor allem für die wissenschaftliche Begleitung der Transgender-Medizin ein.

Konsequenterweise entwickelte Gooren in den 1990er-Jahren mit Peggy Cohen-Kettenis, Annelou de Vries und Henriette Delemarre van de Waal auch die Konzepte für die medizinische Betreuung von trans Jugendlichen. Es dauerte einige Zeit, bis die Behandlung mit Pubertätsblockern 1997 dann auch offiziell akzeptiert war. Das Dutch Protocol wurde 2006 im „European Journal of Endocrinology“ veröffentlicht und fand weltweit Anerkennung, wodurch zehntausende Kinder und Jugendliche auf Grundlage dieser Empfehlungen behandelt wurden und werden. Die heutige Entwicklung mit den Verboten dieser Therapie ([Deutscher Bundestag 2023]) in früher eher progressiven Ländern wie Schweden und Norwegen, aber auch in Finnland und dem Vereinigten Königreich hat Gooren öffentlich nicht mehr kommentiert.

Für alle Therapeut*innen in den1980er- bis 2010er-Jahren war der Dutch Approach ([Bakker 2021]) unter anderem mit der Bildung von lokalen Transgender-Teams der prägende Therapieleitfaden. Die Idee, dass alle Therapeut*innen gemeinsam ein sich regelmäßig austauschendes Therapie-Team bilden, stammt aus der Holländischen Schule und gilt heute als Maßstab.

Gooren war verantwortlich für die Grundlagenforschung, unter anderem zur Wirkungsweise und zu Risiken in der Anwendung einer geschlechtsangleichenden Hormontherapie, trat aber auch in Fernsehsendungen als Verfechter der Emanzipation von trans Menschen auf und publizierte unermüdlich wissenschaftliche Artikel. Seine Ernennung zum weltweit ersten Professor für Transsexualität im November 1988 ging viral.

Louis Gooren setzte seine Mission bis zu seiner Pensionierung fort und spielte eine äußerst wichtige Rolle bei der Akzeptanz und dem Wohlergehen von trans Menschen in den Niederlanden und weltweit. Die Pensionierung nach 30 Jahren aktiver Arbeit erfolgte im Wesentlichen frustriert aufgrund fehlender Unterstützung durch die Universität, aber: „So, enough was enough; the last thing I wanted was to become a bitter, sour, frustrated, rancorous elderly man: life is too short, and above all too beautiful“ (Zitat Neujahrsbrief aus Bangkok im Dezember 2005). Die besondere und erst sehr späte gesellschaftliche Anerkennung in den Niederlanden erfolgte erst nach seiner Pensionierung durch die Ernennung zum Ritter in die Orde van de Nederlandse Leeuw durch die damalige Königin Beatrix im Jahre 2008.

Nach der Pensionierung ließ er sich im Norden Thailands nieder, hielt aber weiterhin weltweit Vorlesungen und war auf allen wichtigen internationalen Kongressen präsent, unter anderem erhielt er die Ehrendoktorwürde der Hang Tuah University in Surabaya, Indonesien. Prof. Gooren war an allen Publikationen für die Etablierung von Standards maßgeblich beteiligt (zuletzt: [Hembree et al 2017]).

Louis Gooren war ein unermüdlicher prospektiver Forscher mit über 200 publizierten Arbeiten und Dozent, ein großartiger Arzt und Lehrer, weise und stets vermittelnd und mehr als ein beständiger Freund. Vor allem seine Patient*innen, aber auch wir als Therapeut*innen schulden ihm dankbare Erinnerung.



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Article published online:
12 March 2024

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