Z Sex Forsch 2022; 35(03): 187-188
DOI: 10.1055/a-1873-3458
Buchbesprechungen

Drei Fachbücher zu kindlicher Sexualität

Kindliche Sexualität. Geschichte, Begriff und Probleme

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Julia König. Kindliche Sexualität. Geschichte, Begriff und Probleme. Frankfurt/M.: Campus 2020 (Reihe: Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie, Bd. 30). 542 Seiten, EUR 39,95

Wenn es im beginnenden 21. Jahrhundert um Kinder und Sexualität geht, dann drehen sich die öffentlichen und fachlichen Debatten oft um Themenkomplexe wie sexuellen Missbrauch, um „Pornografisierung“ und daraus folgende „Selbst-Sexualisierung“ in digitalen Medien sowie auch um Gefahren einer „Frühsexualisierung“ durch sexualpädagogische Maßnahmen. Die drei hier besprochenen Bücher zu Sexualität und Kindheit sind sich weitgehend einig in der Beobachtung, dass kindliche Sexualität aktuell primär in einem Gefahren- und Schutzkontext diskutiert wird und dass diese Sichtweise zu eng ist. Sie alle werfen deswegen auch die Frage auf, ob und wie eine eigenständige Sexualität von Kindern zu denken ist, die eben nicht in schädlichen und aufgezwungenen Aktivitäten Erwachsener besteht, sondern den Interessen und Wünschen der Kinder entspricht.

Julia König, Juniorprofessorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, nähert sich dieser Frage in ihrer preisgekrönten Dissertationsschrift — 2014 verteidigt an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main — durch eine umfassende historische Analyse. Sie nutzt dazu Fallbeispiele aus der Antike (z. B. Päderastie), dem Mittelalter (z. B. Kinderhexenprozesse) und der Neuzeit (z. B. Konzeption kindlicher Sexualität bei Sigmund Freud). Dabei arbeitet sie jeweils heraus, welches Verständnis von kindlicher Sexualität zum jeweiligen historischen Zeitpunkt vorherrschte, aber auch, wie die sexuellen Verhaltensweisen von Kindern und Erwachsenen laut Quellenlage damals beschaffen waren. So negiert sie z. B. die verbreitete Vorstellung, im Mittelalter seien Kinder wie „kleine Erwachsene“ betrachtet und behandelt worden und in Haushalten ohne jede Privatsphäre ständig mit der Nacktheit und Sexualität der Erwachsenen konfrontiert gewesen. Sie führt Quellen an, die belegen, dass es im Mittelalter durchaus Normen der Privatsphäre und des Schutzes von Kindern vor sexuellen Übergriffen gab, somit also Vorstellungen davon, dass kindliche und erwachsene Sexualität zu differenzieren sind.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. September 2022

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