physioscience 2022; 18(03): 140-142
DOI: 10.1055/a-1867-3472
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Gibt es eine Wechselwirkung zwischen Ernährungsfaktoren und chronischen muskuloskelettalen Schmerzen? Eine systematische Übersichtsarbeit

Do Nutritional Factors Interact with Chronic Musculoskeletal Pain? A Systematic Review

Zusammenfassung

Hintergrund

Chronische muskuloskelettale Schmerzen stehen in einem signifikanten Zusammenhang mit diversen psychologischen, kognitiven und sozialen Komponenten [1]. Bei der Behandlung gewinnen Lebensstilfaktoren wie Schlafmangel, Rauchen, Stress, ungesunde Ernährung und Übergewicht zunehmend an Bedeutung [2] [3]. Diese extrinsischen und intrinsischen Faktoren können die neuronale Organisation im peripheren und zentralen Nervensystem verändern und zu einer erhöhten Empfindlichkeit des zentralen Nervensystems führen [4]. Eine sogenannte zentrale Sensibilisierung kommt bei muskuloskelettalen Schmerzzuständen wie z. B. unspezifischen Rückenschmerzen im unteren Rückenbereich (NCLBP), Osteoarthritis, Fibromyalgie und dem chronischen Erschöpfungssyndrom vor [5] [6] [7].


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Die bisherige Evidenz besagt, dass das Ernährungsverhalten und die Nahrungsaufnahme Lebensstilfaktoren sind, die das Auftreten, die Aufrechterhaltung und die Wahrnehmung von chronischen muskuloskelettalen Schmerzen beeinflussen können [8] [9]. So gelten z. B. Übergewicht und Adipositas, welche mit einem ungesunden Ernährungsverhalten einhergehen, als Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer Schmerzen des Bewegungsapparates [10]. Es gibt bereits Studien, die den Zusammenhang zwischen bestimmten Nährstoffen und chronischen Schmerzen untersuchten. Etwa den Zusammenhang von NCLBP und einer niedrigen Vitamin-D-Zufuhr, basischen Mineralien sowie mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren [11] [12]. Es wurde auch der Zusammenhang von Patient*innen mit Fibromyalgie und einer unzureichenden Selenzufuhr sowie die Zufuhr von Antioxidantien auf die Schmerzreduzierung untersucht [13]. Der Zusammenhang zwischen Ernährungsmustern, den Bestandteilen der Ernährung von Patient*innen und chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats ist jedoch nach wie vor unklar.

Ziel

Ziel der Literaturübersicht von Elma et al. war, die Literatur über den Zusammenhang zwischen Ernährungsmustern, den Bestandteilen der Ernährung von Patient*innen und chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats systematisch auszuwerten.


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Methode

Bei der Erstellung der Studie berücksichtigten die Autor*innen die PRISMA-Richtlinien für systematische Literaturübersichten und Meta-Analysen, für die Suchstrategie legten sie folgende PECO-Kriterien (Patient, Exposure, Comparison, Outcome) fest: P = Personen mit chronischen muskuloskelettalen Schmerzen; E = (verhaltensbezogene) Ernährung; C = Nichtvergleich oder Vergleich mit einer gesunden, schmerzfreien Population; O = chronische muskuloskelettale schmerzbezogene Ergebnisse. Die Online-Datenbanken Pubmed, Web of Science und Embase wurden von 2 Gutachtenden nach Studien, publiziert bis zum 1. Oktober 2018, durchsucht. Das Verzerrungsrisiko der eingeschlossenen Studien wurde mithilfe der Cochrane Collaboration für randomisierte kontrollierte Studien, der Standardkriterien für die Qualitätsbewertung von Primärforschung für nicht randomisierte kontrollierte Studien und unkontrollierte klinische Studien (QUALSYST) sowie der Newcastle-Ottawa-Skala (NOS) für Beobachtungsstudien bewertet.

Folgende Daten aus den eingeschlossenen Studien wurden von 2 Gutachtenden, die gegenseitig verblindet waren, extrahiert: (1) Autor*innen, (2) spezifische chronische muskuloskelettale Schmerzerkrankung, (3) Studiendesign und -dauer, (4) Informationen zu Teilnehmenden, (5) Interventions- oder Fallgruppe, (6) Kontrollgruppe, (7) Ergebnismessungen und (8) Ergebnisse. Diese Daten wurden in einer Tabelle dargestellt.

Bei der Literaturübersicht wollten sich Elma et al. nicht auf die Auswirkungen der Zufuhr einzelner Nährstoffe auf ein bestimmtes Leiden konzentrieren, sondern die Gesamtzufuhr von Nährstoffen bei Einzelpersonen berücksichtigen. Daher wurde der Umfang dieser systematischen Überprüfung auf Studien eingegrenzt, die einen Zusammenhang zwischen Ernährungsmustern, Komponenten der Ernährung von Patient*innen und chronischen Muskel-Skelett-Schmerzen untersuchen.


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Ergebnisse

Nach dem Screening der Titel und Zusammenfassungen von 20 316 Artikeln sowie der Volltexte von 347 Artikeln, schlossen Elma et al. 12 Artikel, die den Zusammenhang von chronischen muskuloskelettalen Schmerzen (Osteoarthritis, rheumatoide Arthritis, Fibromyalgie, generalisierte muskuloskelettale Schmerzen) und diversen Ernährungsmustern untersuchten, in die Studie ein. Die methodische Qualität der eingeschlossenen Studien wurde größtenteils als gering eingestuft. Die eingeschlossenen Studien beinhalteten 9 experimentelle Studien und 3 Beobachtungsstudien. Die Ergebnisse der experimentellen Studien zeigen:

  • Vegetarische Diät: Hinweise, dass die Einführung einer lakto-ovo-vegetarischen Ernährung bei Patient*innen mit allgemeinen chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats zu einer Verringerung der Schmerzen führen könnte (Evidenzgrad C). Umgekehrt gab es Hinweise darauf, dass eine solche Ernährung keinen Einfluss auf die Schmerzen von Patient*innen mit rheumatoider Arthritis hat (Evidenzgrad B).

  • Vegane Diät: Hinweise, dass eine vegane Ernährung chronische Schmerzen des Bewegungsapparats lindern könnte (Evidenzgrad B).

  • Hypoenergetische Ernährung: Hinweise für eine Linderung der Schmerzintensität bei Patient*innen mit chronischen Arthroseschmerzen (Evidenzgrad A2).

  • Peptide Diät: Begrenzte Anhaltspunkte, dass die flüssige Peptiddiät bei Patient*innen mit rheumatoider Arthritis die Schmerzintensität kurzfristig, aber nicht langfristig verringern könnte (Evidenzgrad B).

  • Mononatriumglutamat und Aspartam eliminierte Diät: Keine Belege, dass eine solche Ernährung Einfluss auf Patient*innen mit Fibromyalgie hat (Evidenzgrad B).

  • FODMAP-Diät: Schwache Hinweise, dass diese Diät die Schmerzintensität bei Patient*innen mit Fibromyalgie lindern könnte (Evidenzgrad B).

Die Ergebnisse der Beobachtungstudien (1 Fall-Kontroll-Studie und 2 Querschnittsstudien) kamen zu folgendem Schluss:

  • Signifikante positive Korrelation zwischen Proteinzufuhr und Druckschmerzschwellen (Spearman-Korrelationskoeffizient = 0,358 und p = 0,018) bei Patient*innen mit Fibromyalgie

  • Positive Korrelation zwischen der Schmerzstärke und der Kalorien- und Fettaufnahme bei übergewichtigen Personen mit Osteoarthritis

  • Patient*innen mit starken Schmerzen (VAS-Schmerz-Score > 7) berichteten über eine signifikant höhere Aufnahme von Zucker und Fett im Vergleich zu Patient*innen mit geringer Schmerzintensität (VAS-Schmerz-Score = 0–2).


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Schlussfolgerungen

7 der 9 experimentellen Studien berichteten über eine schmerzlindernde Wirkung durch Ernährungsumstellungen. Außerdem wurde festgestellt, dass die Aufnahme von Eiweiß, Fett und Zucker mit der Schmerzintensität und der Schmerzschwelle zusammenhängt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine pflanzliche Ernährung eine schmerzlindernde Wirkung auf chronische Schmerzen des Bewegungsapparats haben könnte. Patient*innen mit chronischen Schmerzen bei rheumatoider Arthritis können eine unzureichende Aufnahme von Kalzium, Folsäure, Zink, Magnesium und Vitamin B6 aufweisen, während Patient*innen mit Fibromyalgie eine geringere Aufnahme von Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten, Vitamin A-E-K, Folsäure, Selen und Zink zeigen können. Die Schwere der chronischen Schmerzen steht auch in einem positiven Zusammenhang mit der Aufnahme von Fett und Zucker bei Osteoarthritis, die Schmerzschwelle steht in einem positiven Zusammenhang mit der Aufnahme von Proteinen bei Fibromyalgie. Die Mechanismen hinter diesen Wechselwirkungen sind jedoch größtenteils ungewiss, daher sind qualitativ hochwertige Studien nötig, um die Interaktion zwischen chronischen muskuloskelettalen Schmerzen und Ernährung zu verstehen.


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
26. September 2022

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