Aktuelle Ernährungsmedizin 2022; 47(04): 331-332
DOI: 10.1055/a-1847-9675
Gesellschaftsnachrichten

Gesellschaftsnachrichten des Berufsverband Deutscher Ernährungsmediziner e.V. (BDEM)

Perspektiven der Ernährungsmedizin aus der Sicht des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM e.V.)

Zoom Image

Ernährungsmedizin stellt ein Querschnittfach dar, das nicht nur mit vielen Krankheiten, sondern auch mit vielen Fachdisziplinen interagiert. Zahlreiche Erkrankungen wie Adipositas, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie, Gicht, angeborene Stoffwechselkrankheiten, gastrointestinale Darmerkrankungen, Krebs und Rheuma können durch ernährungsmedizinische und ernährungstherapeutische Intervention vermieden, gebessert oder geheilt werden.

Demnach betreffen ernährungsmedizinische Maßnahmen die Fachbereiche der gesamten Medizin, wie Internisten, Allgemeinmediziner, Neurologen, Dermatologen, HNO-Ärzte, Psychiater, Pädiater, Gynäkologen, Orthopäden und Chirurgen.

Aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht ist der Nutzen ernährungsmedizinischer und ernährungstherapeutischer Maßnahmen sowohl im Präventionsbereich als auch für akut Kranke und chronisch Kranke unstrittig und evidenzbasiert belegt. Zahlreiche Krankheiten sind durch Über-, Fehl- und Mangelernährung oder Nahrungsmittelallergien ausgelöst und führen zu hohen Folgekosten durch Adipositas und ihre Folgekrankheiten, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus u. a. Bei Stoffwechselerkrankungen sind speziell die Phenylketonurie und die Mukoviszidose ernährungstherapeutisch zu bessern.

Lange war die Ernährungsmedizin weder in der Ausbildung an den Universitäten noch in der Weiterbildung für Ärzte und Ärztinnen adäquat abgebildet. Dies hat sich 2015 geändert. Der 118. Deutsche Ärztetag 2015 hat die Bundesärztekammer aufgefordert die Ernährungsmedizin aufbauend auf dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer zusätzlich in die Zusatzweiterbildung der Musterweiterbildungsordnung MWBO aufzunehmen. Dieser Antrag und die weitere Unterstützung des Projekts erfolgte in Abstimmung durch BDEM, DGEM und DAEM. 2018 wurde die Ernährungsmedizin einstimmig vom 121. Deutschen Ärztetag in die Musterweiterbildungsordnung aufgenommen und den Landesärztekammern zur Übernahme und Umsetzung empfohlen.

Inzwischen ist in allen Landesärztekammern die Ernährungsmedizin in die Weiterbildungsordnung aufgenommen und wird dort in der vorgegebenen Fassung mit Curriculum und Fallseminaren umgesetzt.

Der gemeinsame Erfolg durch das geschlossene und abgestimmte Auftreten von BDEM, DGEM und DAEM in den entsprechenden Gremien der Ärzteschaft führte zu einer vertraglichen Regelung einer engeren Zusammenarbeit in allen wissenschaftlichen, fortbildungsrelevanten und berufspolitischen Belangen der Ernährungsmedizin der drei Gesellschaften. In diesem Vertrag wurden Zuständigkeiten und Arbeitsteilung geregelt. So ist der BDEM überwiegend für Berufspolitik, die DAEM für Ausbildung, Fort- und Weiterbildung und die DGEM für die wissenschaftliche Aspekte und die Leitlinienerstellung hauptverantwortlich. Gemeinsame Projekte sind Lehrkliniken Ernährungsmedizin, Qualitätszentren für Ernährungsmedizin und Schwerpunktpraxen Ernährungsmedizin.

Als neues Projekt zur Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit wurde 2021 die Arbeitsgemeinschaft Ernährungsmedizin und Ernährungstherapie (AG EMET) unter dem Dach von BDEM, DGEM und DAEM gemeinsam mit VDD und VDOE gegründet. Die AG EMET hat in einem Positionspapier das gemeinsame Vorgehen bei ernährungstherapeutischen Maßnahmen festgelegt. Ziel der Maßnahmen ist eine Verbesserung der ernährungsmedizinischen und ernährungstherapeutischen Versorgung von Patientinnen und Patienten und eine leitliniengerechte Umsetzung einer ernährungsmedizinischen Behandlung. Vor dem Hintergrund zahlreicher unsinniger Diätmaßnahmen steht die Qualitätssicherung der Ernährungsmedizin bei den Bemühungen der AG EMET im Vordergrund.

Nach der Umsetzung der Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte auf dem Fachgebiet Ernährungsmedizin war schnell das Defizit der Ernährungsmedizin in der Ausbildung und Lehre an den Hochschulen erkannt worden. BDEM, DGEM und DAEM haben nach einem „Memorandum Ernährungsmedizin“ ein zweites „Memorandum Lehrstühle Ernährungsmedizin“ erstellt. Dieses Memorandum wurde 2020 mit einer Pressemitteilung publiziert und ist auf den Webseiten von BDEM, DGEM und DAEM abgebildet. Nach Meinung der Autoren stellt Ernährungsmedizin ein Querschnittfach dar, das nicht nur viele Krankheiten betrifft, sondern auch fachübergreifend in allen ärztlichen Fachdisziplinen Bedeutung hat.

Wissenschaft und Forschung können nur existieren bzw. sich erfolgreich entwickeln, wenn es Lehrstühle und Abteilungen gibt, die das jeweilige Fachgebiet, hier die Ernährungsmedizin in Lehre und Forschung kompetent vertreten. Nur so ist es möglich evidenzbasiertes Wissen zu schaffen, das Voraussetzung ist, um ernährungsmedizinische Therapien erfolgreich anzuwenden.

Die Ernährungsmedizinerinnen und Ernährungsmediziner Deutschlands, die im BDEM, der DGEM und der DAEM vertreten sind und eine enge Kooperation pflegen, haben in ihrem Memorandum und in der entsprechenden Pressemitteilung auf diese Defizite der Ernährungsmedizin hingewiesen und einen dringenden Appell an die Politik gerichtet. Sie fordern die Politik auf, im Interesse der Menschen, insbesondere der Patientinnen und Patienten und nicht zuletzt der Volksgesundheit die Einrichtung von Lehrstühlen für Ernährungsmedizin und Ernährungstherapie für die Ausbildung und Forschung an Universitäten und medizinischen Fakultäten zu unterstützen.

Prof. Dr. med. J. G. Wechsler und Präsidium des BDEM



Publication History

Article published online:
15 August 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany