Krankenhaushygiene up2date 2020; 15(03): 303-318
DOI: 10.1055/a-1033-6896
Qualitätsmanagement, Surveillance

Was Pflichtfortbildung mit „Pflicht“ und „Fortbildung“ zu tun hat

Stefan Bushuven
,
Reinhard Strametz
,
Christof Arn

Die Durchführung von Fortbildungen ist eine essenzielle Aufgabe des Personals der Krankenhaushygiene. Fachkräfte stoßen jedoch häufig auf reduzierte Motivation der Lernenden, die die Veranstaltungen eher als „Zwang“ wahrnehmen. Dieser dialogische Diskurs erörtert schrittweise die Problematik „Pflichtschulungen“. Die Fragestellung ist, ob und unter welchen Voraussetzungen „Pflicht-“ oder „Zwangsfortbildungen“ ethisch ge- oder verboten sind.

Kernaussagen
  • Die Infektionsprävention ist aus normativ-medizinethischer Sicht sowohl deontologisch wie auch utilitaristisch geboten.

  • Jährlich müssen allein in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Personen Hygieneschulungen absolvieren, um normativen Regeln gerecht zu werden. Die wirtschaftliche Belastung ist dabei immens und die ökonomisch-ethische Verantwortung, die notwendigen Ressourcen in effiziente, ansprechende, motivierende und ökonomische Schulungen zu investieren, hoch.

  • Fehler, Irrtümer und unsichere Handlungen sind ethisch wie auch ökonomisch von hoher Relevanz. Daher sollten nicht nur Präventions- und Coping-Strategien, sondern auch Kommunikationsmethoden und Fehlermanagement vermittelt werden, um eine ausreichende Sicherheitskultur als „Nährboden“ für Hygieneschulungen zu erzeugen.

  • Die intrinsische Motivation, Schulungen zu besuchen, ist – u. a. wegen psychologischer Effekte – schwer zu erzeugen, obwohl die Wichtigkeit der Hygienemaßnahmen häufig verstanden wird: Es besteht z. B. eine Entkopplung zwischen der Motivation für die Händehygiene (die ebenfalls optimierbar ist) und der Motivation, eine Schulung hierzu zu besuchen.

  • Intrinsische Lernmotivation hängt u. a. von Lehrmethoden, der Relevanz für den Alltag sowie der Sicherheitskultur der jeweiligen Organisationseinheiten ab. Die Auswahl individueller, realitätskonformer, motivierender, zielführender und ökonomischer Lehrmethoden benötigt daher eine fundierte Ausbildung der Lehrenden sowie eine Qualitätssicherung der Lehre.

  • Macht einzusetzen, um Personen zum Lernen (oder nur zum Erscheinen) zu zwingen, ist sowohl aus deontologischer als auch utilitaristischer Sicht kritisch zu hinterfragen. Dies gilt insbesondere, wenn Lehrmethoden eingesetzt werden, deren Ergebnisqualität unbekannt ist.

  • Wenn jedoch Ressourcen für das Überwinden psychologischer Effekte und Amotivation unverhältnismäßig groß sind, können Schulungen im Sinne des wohltätigen Zwangs eingesetzt werden. Dies gilt allerdings nur, wenn diese Formate messbar ihr Ziel (alle Lernende – inklusive nur kurzzeitig in der Patientenversorgung arbeitende) erreichen und die investierten Ressourcen sowie die Aussetzung der Autonomie der Geschulten rechtfertigen.

  • Ansprechende Formate der Medizindidaktik sind aktivierende und reflexive Methoden sowie die hochadaptive agile Didaktik. Alle Lehrformate bedürfen einer didaktischen Mindestqualifikation und einer didaktischen Qualitätssicherung.



Publication History

Article published online:
18 August 2020

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