Zusammenfassung
Die Aufteilung des Menschen in zwei Geschlechter wurde in jüngerer Vergangenheit
kritisiert, da es keine genaue Grenze zwischen beiden Geschlechtern gebe und
weil die Vorstellung von der Existenz zweier Geschlechter selbst das Ergebnis
eines sozialen Konstruktionsprozesses sei. Daher sei Geschlecht etwas, was eine
Person nur für sich bestimmen könne, folglich
Transsexualität/Geschlechtsdysphorie keine psychische Störung und die Ansprüche
der Betroffenen nach selbstbestimmter Wahl geschlechtsangleichender Maßnahmen
legitim.
In der vorliegenden Arbeit wird die klassische Auffassung der
Zweigeschlechtlichkeit durch die Fortpflanzungsfunktion begründet. Die
Unterschiedlichkeit von Samen- und Eizelle (Anisogamie) hat weitreichende
Konsequenzen für die Lebenswirklichkeit des Menschen und begründet
geschlechtstypische Verhaltensneigungen und Geschlechtsrollen. Der aktuelle
Begriff Geschlechtsidentität wird kritisiert und einem anderen
Identitätskonzept, das therapeutische Anknüpfungspunkte bietet,
gegenübergestellt. Ferner wird erläutert, wie sich die Kritik am klassischen
Geschlechtsbegriff nachteilig für die Sexualwissenschaft sowie auch für die
Therapie geschlechtsdysphorischer Menschen auswirkt. Die Annahme, dass eine
Psychotherapie der Geschlechtsdysphorie unethisch ist, wird diskutiert und den
Ergebnissen neuerer Katamnesestudien gegenübergestellt. Unter Berücksichtigung
neurowissenschaftlicher Studien werden Vorschläge für eine neue
psychotherapeutische Strategie gemacht.
Abstract
The classical view of two sexes is nowadays criticized on the basis that there
may be no clear boundary between the two sexes and because the perception of two
genders may be socially constructed. In consequence, a person’s determination of
their own gender, de-pathologizing of transgenderism and self-determined demands
for sex reassignment surgery are regarded as legitimate. This paper justifies
the conceptualizing of two sexes with regard to their reproductive functions.
Anisogamy has far-reaching consequences for sex-dimorphic lived realities,
behavioral tendencies, and gender roles. We criticize the current understanding
of gender identity and suggest a concept of identity that offers starting points
for psychotherapy. We further argue that a non-binary view of sex has negative
consequences for sex research and for the treatment of gender dysphoria. Based
on outcome and neuroscientific studies, we discuss whether the psychotherapeutic
treatment of gender dysphoria is unethical, oppose this view with newer
catamnesis studies, and offer suggestions for new treatment strategies.
Schlüsselwörter
Geschlechtsdysphorie - Geschlechtsidentität - Geschlechtsinkongruenz - Geschlechtsrollen - Transgender
Key words
gender dysphoria - gender identity - gender incongruence - gender roles - transgender