Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33(5): 228-229
DOI: 10.1055/s-0032-1309272
Praxis
Expertenrat
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Gynostemma pentaphyllum - »Unsterblichkeitskraut«

Marika Busse
,
Sonja Koch
,
Elisabeth Kornagel
,
Sabine Krebs

Subject Editor:
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Publication Date:
05 November 2012 (online)

Gibt es Informationen zur Heilwirkung und Anwendungsweise eines sog. »Unsterblichkeitskrautes«? Nach Kundenaussage soll es Stress, Bluthochdruck, Diabetes, und erhöhten Blutfettwerten entgegenwirken!

Gynostemma pentaphyllum (Thunb.) Makino, auch als Jiaogulan oder Unsterblichkeitskraut bezeichnet, ist eine Kletterpflanze aus der Familie der Kürbisgewächse und im asiatischen Raum beheimatet. Die Blätter der Pflanze werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin und der Volksmedizin als Tee verwendet ([1], [2]). Allerdings ist die Droge weder in der deutschen Ausgabe des »Arzneibuch der chinesischen Medizin« noch im »Handbuch der traditionellen chinesischen Heilpflanzen« verzeichnet.

In der DAZ 10/2009 wird auf die Wirkung und Wirkweise von Gynostemma pentaphyllum eingegangen ([2]): »Vielfältige pharmakologische Wirkungen: Eine immer wiederkehrende Bezeichnung für die wesentliche Wirkung des Jiaogulan-Tees ist die eines Adaptogens [...]. Das Immunsystem soll dem Stress angepasst, also adaptiert werden. Ähnlich wird die Wirkung von Ginseng, Taigawurzel und Rosenwurz bewertet. Auch wenn festgestellt werden muss, dass sehr unterschiedliche Extrakte und isolierte Reinsubstanzen von Jiaogulan getestet wurden, so überrascht doch die Vielfalt der teils in Tierversuchen, teils in vitro beobachteten Wirkungen:

  • Um die beobachtete hypoglykämische Wirkung von Jiaogulan zu verifizieren, erhielten diabetische Mäuse entweder einen auf Gypenoside standardisierten Ethanolextrakt der Blätter oder Rosiglitazon. Dabei wurde mit hoch dosiertem Extrakt eine vergleichbare Wirkung wie mit dem Glitazon erzielt. Die Autoren folgern, dass der Extrakt die Blutzuckerwerte durch Beeinflussung der Glucosidasen senkt.

  • Ein Extrakt von G. pentaphyllum aktivierte T- und B-Lymphozyten, was auf eine immunstimulierende Wirkung hinweist.

  • Gypenosid XLIX hemmt die durch Zytokine initiierte Synthese des Adhäsionsmoleküls VCAM-1 in menschlichen Endothelzellen (VCAM-1 ist u.a. an chronischen Entzündungen, Krebs und Arteriosklerose beteiligt).

  • Bei menschlichen Krebszellen induzierten Gypenoside eine Apoptose über Mitochondrienabhängige Stoffwechselwege und die Aktivierung des Enzyms Caspase 3.

  • Im Tierversuch zeigten Gypenoside eine neuroprotektive Wirkung.

Viele dieser Befunde bedürfen sicher zunächst einer Überprüfung, und erst recht muss eine entsprechende Wirksamkeit im menschlichen Körper noch nachgewiesen werden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass das Interesse an Jiaogulan durch weitere spektakuläre Befunde auch bei uns noch steigen wird.« - Soweit Schmitz-Hübsch et al. in der DAZ.

In den Literaturdatenbanken Medline und Embase findet man eine Reihe von Arbeiten über In-vitro-und Tierexperimente mit Hinweisen auf kardiovaskuläre, gastroprotektive, tumorhemmende, immunmodulatorische, lipidsenkende, antiinflammatorische und antioxidative Wirkungen. Insgesamt konnten wir jedoch nur 2 kleine explorative Untersuchungen zur Anwendung am Menschen identifizieren:

  • eine Untersuchung in Taiwan an 56 Patienten mit nichtalkoholischer Fettleber: Gabe von einem definierten Gynostemma-pentaphyllum-Extrakt über 4 Monate versus Placebo jeweils als Ergänzung zu einer diätetischen Behandlung ([3]). Ergebnis: Alle untersuchten Parameter sanken in beiden Gruppen, aber nur in der Verum-Gruppe sanken BMI, AST, ALP und der Index für die Insulinresistenz (HOMA-IR) signifikant; der Fettleber-Score sank nicht signifikant;

  • eine Untersuchung in Vietnam an 24 neu diagnostizierten Typ-2-Diabetikern: Gabe von Gynostemma pentaphyllum als Tee versus grünem Tee als Placebo, jeweils zzgl. Ernährungsberatung und Hinweisen zu körperlicher Aktivität ([4]). Die Herstellung des Verums umfasste mehrere Schritte und ist genau beschrieben. Ergebnis: Nach 12 Wochen war der HbA1c-Wert signifikant um 2,0 vs. 0,2 Prozentpunkte gesunken und auch der HOMA-IR sank signifikant unter Verum.

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Eindeutig »pentaphyllum«. Beim therapeutischen Potenzial bedarf es der Eindeutigkeit noch.© Wikimedia Commons/bauty