Laryngorhinootologie 2019; 98(09): 634-635
DOI: 10.1055/a-0915-2474
Der interessante Fall
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongenitaler Stertor und Desaturationen bei einem Neugeborenen

Congenital stertor and desaturations in newborns
Alexander Baumann
,
Moritz Ulrich
,
Michael Mair
,
Lutz Gantner
,
Anja Pickhard
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 May 2019 (online)

Fallbeschreibung

Wir berichten über eine Patientin, die aufgrund einer pathologischen Kardiotokografie in der 37. Schwangerschaftswoche via Sectio caesarea entbunden werden musste. Bereits pränatal zeigte die kleine Patientin eine symmetrische Wachstumsretardierung ohne Hinweis auf eine infektiöse Genese. Die Mutter litt an einem insulinpflichtigen Schwangerschaftsdiabetes sowie an einem Schwangerschaftshypertonus, der mittels Methyldopa therapiert wurde. Postnatal zeigte die Patientin eine zögerliche Adaptation mit respiratorischer Anpassungsstörung, weshalb eine Beatmung mit intermittierend positivem Druck (SNIPPV = synchronized nasal intermittent positive pressure ventilation) begonnen wurde. Im unmittelbaren sowie im weiteren Verlauf fiel bei der Patientin ein in- und expiratorischer Stertor insbesondere bei Aufregung auf. Dies zeigte sich beispielsweise mit Sättigungsabfällen bis 40 % SpO2 beim Stillen. Aufgrund mehrerer erschwerter Trinkversuche wurde die Nahrungsaufnahme über eine orale Magensonde sichergestellt, wodurch es zu einer adäquaten Gewichtszunahme kam. Klinisch zeigte die Patientin zudem ein hypoplastisches Mittelgesicht, Ohranhängsel beidseits, eine Hernia umbilicalis sowie eine geringgradige Pulmonalstenose ([ Abb. 1 ]).

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Abb. 1 Bei Erstvorstellung fanden wir einen Säugling mit Desaturationen, massiver Atemanstrengung und Saugunvermögen vor.

In der 6. Lebenswoche kam es weiterhin zu tiefen Desaturationen mehrmals täglich, die sich sowohl durch Sedierung als auch durch abschwellende Nasentropfen nicht besserten. Zum Ausschluss einer Choanalatresie oder einer Laryngotracheomalazie wurde die Patientin im Januar an die Kinderabteilung eines Universitätsklinikums verlegt. Die flexible Endoskopie sowie die starre Nasenendoskopie ergab eine ausgeprägte Meatusstenose kurz nach dem Ostium nasi beidseits. Die Passage war nur mit einer starren Optik (Durchmesser 1,8 mm) möglich. Die Choanalatresie und die Laryngotracheomalazie konnten somit jedoch sicher ausgeschlossen werden. Ein syndromologisches Konsil bei den Kollegen der Humangenetik ergab keinen Zusammenhang der Ohranhängsel mit der Nasenfehlbildung, da diese nicht aus dem gleichen Ursprungsgewebe entstehen. Die probatorische Entwöhnung der Atemunterstützung mit der High-Flow-Nasenkanüle (HNFC) zeigte keinen Erfolg, weshalb bei fehlenden Therapieoptionen die Patientin wieder zurück in die Geburtsklinik verlegt wurde.

Bei anhaltendem Stertor und Desaturationen in der 14. Lebenswoche war die Situation aufgrund des hohen pflegerischen Aufwandes auf der Intensivstation der Klinik kaum mehr tragbar. Nach einer ausführlichen Literaturrecherche der behandelnden Ärzte zum Thema der kongenitalen Naseneingangsstenose wurde den Eltern des Kindes ein operativer Eingriff empfohlen. Zur Operationsvorbereitung sowie zur Sicherung der Diagnose wurde eine Computertomografie der Nasennebenhöhlen durchgeführt ([ Abb. 2 ]). Hierauf erfolgte die Übernahme der Patientin zur operativen Therapie ca. 3 Monate nach Geburt. Im Zuge der operativen Sanierung wurden die Nasengänge mit unterschiedlich großen Dilatatoren aufbougiert und Platzhalter-Röhrchen (Endotrachealtuben ohne Cuff) zum Offenhalten der anatomischen Stenose in den unteren Nasengang eingebracht, die sowohl im Nasopharynx als auch im Bereich der Columella zusammengenäht wurden ([ Abb. 3 ]). Unmittelbar postoperativ kam es zu keinen Desaturationen mehr und die Patientin konnte in deutlich gebessertem Zustand mit den Eltern nach Hause entlassen werden. Die Eltern wurden ermutigt mit dem oralen Kostaufbau bei dem Kind zu beginnen und es erfolgte eine Versorgung mit Heimmonitor, Absaugung und mobilem Sauerstoff. Nach Entfernung der Platzhalter nach sechs Wochen kam es zu keinen weiteren Sättigungsabfällen, die Ernährung gestaltete sich unproblematisch und die psychomotorische Entwicklung war unauffällig ([ Abb. 4 ]). Auch ein Jahr nach dem operativen Eingriff gab es keinen Anhalt für eine Re-Stenosierung. Erfahrungsgemäß treten diese bereits in den ersten zwei bis drei Wochen nach der Entfernung der Platzhalter auf.

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Abb. 2 In der CT Untersuchung zeigte sich eine Naseneingangsstenose: der Abstand der Apertura piriformis war hierbei < 11 mm.
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Abb. 3 Zur Schienung der Naseneingangsstenose wurden Platzhalter eingebracht, die im Nasopharynx und vor dem Nasensteg fixiert wurden, um eine Dislokation und eine Aspiration zu vermeiden.
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Abb. 4 Nach Entfernung der Platzhalter zeigte sich eine normale Nasenatmung sowie ein uneingeschränktes Saugvermögen.