Gesundheitswesen 2019; 81(03): 171-175
DOI: 10.1055/a-0862-0371
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesundheitssicherung als staatliche Aufgabe. Der öffentliche Gesundheitsdienst im Rahmen „völkischer Staatspolitik“[*]

Public Health as Function of the State. Healthcare and “Folkish State Policy”
Sabine Schleiermacher
1   Forschungsschwerpunkt Zeitgeschichte, Institut für Geschichte der Medizin, Charité, Berlin
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Publication Date:
05 April 2019 (online)

Zusammenfassung

Gegenstand des Beitrags sind Tätigkeitsbereiche der mit dem Gesetz über die Vereinheitlichung des öffentlichen Gesundheitswesens (GVG) vom 3. Juli 1934 etablierten Gesundheitsämter und deren Funktionsträger während des Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit in Thüringen und Württemberg. Untersucht werden die Umsetzung des vom Reichsministerium des Innern vorgegebenen neuen Paradigmas der «Erb- und Rassenpflege» in den Gesundheitsämtern, Funktionsbereiche der Gesundheitsämter, die Rolle der Amtsärzte und ihre Ermessensspielräume, die Auswirkungen des Krieges auf die konkreten Tätigkeiten der Amtsärzte sowie die regionalen Besonderheiten im Ländervergleich und schließlich Aspekte struktureller, programmatischer und personeller Kontinuität im Öffentlichen Gesundheitsdienst nach der Befreiung 1945.

Abstract

The subjects of this article are field of activity of public health departments and their functionaries that were established as part of the Act to Standardize the Healthcare System (GVG) from July 3rd, 1934 during the era of National Socialism and in the early post-war period in Thuringia and Württemberg. The objects of study are the implementation of the new paradigm of «racial and hereditary care» in public health departments defined by the Reich’s Ministry of the Interior. Furthermore, this paper also examines the role of public health officers (PHO) and their discretionary powers, the impact of the war on PHO’s specific activities, as well as the regional particularities in comparison to other federal states and finally, aspects of structural-, programmatic- and personnel continuity in publicly funded healthcare after the liberation in 1945.

Vgl. Gütt A. Begrüßungsrede und Vortrag: Volksgesundung und Wehrkraft. Der öffentliche Gesundheitsdienst 1936/37; 2: 395–409. Die hier präsentierten Ergebnisse beruhen u. a. auf dem vom BVÖGD und dem Bundesministerium für Gesundheit geförderten Forschungsprojekt „Der öffentliche Gesundheitsdienst in der Zeit des Nationalsozialismus und nach 1945“.


 
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