Zeitschrift für Phytotherapie 2019; 40(02): 84-85
DOI: 10.1055/a-0827-8853
Gesellschaftsnachrichten
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Die Gesellschaft für Phytotherapie informiert

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Publication Date:
08 May 2019 (online)

Gesellschaft für Phytotherapie e. V. startete eine neue Runde der Fortbildungsreihe 2019 / 2020 für Ärzte und Apotheker

Die Gesellschaft für Phytotherapie (GPT) startete einen neuen Zyklus der beliebten Fortbildungsreihe für Ärzte und Apotheker. Das 1. Modul mit 28 Teilnehmern fand vom 15. – 17.03.2019 im Trans-World Hotel Kranichhöhe, Much / Bergisches Land statt.

Der neue Zyklus besteht wiederum aus 4 Modulen, in denen die wichtigsten Indikationen und deren wissenschaftlich gesicherter Einsatz in der täglichen Praxis besprochen werden. Die wissenschaftliche Leitung des 1. Moduls übernahm Frau Prof. Karen Nieber (Mitglied des wiss. Kuratoriums der GPT). Die ärztliche Leitung lag in den Händen von Frau Prof. Karin Kraft (Präsidentin der GPT). Für die Organisation war Frau Cornelia Schwöppe (Schatzmeisterin der GPT) verantwortlich. Durch erfahrene Referentinnen und Referenten aus Praxis und Wissenschaft wurden umfassende theoretische und praktische Kenntnisse zur Phytotherapie bei psychischen und rheumatischen Erkrankungen vermittelt. Auch der Einsatz von Phytopharmaka bei Schlafstörungen und bei Hauterkrankungen stand auf dem Programm.

Die Fortbildungsveranstaltung begann mit dem Einführungsvortrag „Phytopharmaka versus chemisch synthetische Arzneimittel“ (Prof. Nieber, Gommern). Moderne Phytopharmaka stellen Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs dar und müssen entsprechend den europäischen gesetzlichen Grundlagen dieselben Anforderungen wie chemisch-synthetische Arzneimittel erfüllen. Dazu gehören die Gewährleistung der pharmazeutischen Qualität, die Unbedenklichkeit in der Anwendung und die therapeutische Wirksamkeit. Im Unterschied zu den chemisch-synthetischen Arzneimitteln, die in der Regel nur einen oder wenige Wirkstoffe enthalten, sind Phytopharmaka Vielstoffgemische. Die Standardisierung des Pflanzenextraktes sichert seine pharmazeutische Qualität und bildet die Voraussetzung für die Reproduzierbarkeit der Wirkung von Charge zu Charge. An Hand von Beispielen wurde ihr Nutzen vor allem im Bereich der Behandlung von subakuten, chronischen und altersbedingten Krankheitsprozessen diskutiert.

Es folgten zwei Vorträge zur Anwendung von pflanzlichen Arzneimitteln bei Hauterkrankungen. Herr Prof. Andreas Hensel (Universität Münster) besprach zuerst Inhaltsstoffe und Wirkungsweisen von antiinflammatorisch wirkenden Arzneipflanzen (Kamillenblüten, Schafgarbenkraut, Arnikablüten, Ringelblumenblüten, Spitzwegerichblätter) und von Drogenextrakten bei oberflächlichen Verletzungen und zur Wundheilungsförderung (Rhabarberwurzel, Eichenrinde, Tormentillwurzel, Hamamelisblätter und -rinde, Frauenmantelkraut). Der zweite Vortrag konzentrierte sich auf Arzneipflanzen zur Behandlung von oberflächlichen Hautinfektionen (Thymiankraut, Kamillenblüten, Salbeiblätter) und Drogenextrakte bei stumpfen Traumata (Beinwellwurzeln) sowie bei Neurodermitis (Nachtkerzenöl). Der Nachmittag wurde mit dem Vortrag „Abgrenzung Phytopharmaka von Nahrungsergänzungsmittel“ von Frau Dr. Rose Schraitle (BAH, Bonn) fortgesetzt. Trotz des etwas theoretischen Themas gab es hierzu viele interessante Fragen, da gerade dieser Punkt gegenwärtig große Beachtung findet.

Der zweite Tag begann mit dem Thema „Phytotherapie bei rheumatischen Erkrankungen“. In zwei Vorträgen referierte Frau Prof. Karin Kraft (Lehrstuhl für Naturheilkunde, Rostock) über die Anwendung von Interna und Externa bei verschiedenen rheumatischen Erkrankungen. Nach einführenden Aussagen zu biochemischen Grundlagen von Entzündungsprozessen und der Schmerzentstehung wurden pflanzliche Arzneimittel (Weidenrinde, Teufelskrallenwurzel, Brennnesselblätter, Arnika, Beinwellwurze, Capsicum, Pfefferminzöl) mit Wirkungen und Nebenwirkungen vorgestellt. Es wurde ausführlich auf klinische Studien und Aussagen in den Leitlinien hingewiesen. Die erfahrene Ärztin gab persönliche Empfehlungen für die Anwendung einzelner Präparate, besonders hinsichtlich Dosierung und Anwendungsdauer. Sie resümierte, dass die Nebenwirkungen bei pflanzlichen Entzündungshemmern im Vergleich zu Synthetika deutlich geringer und weniger schwerwiegend sind, dass aber die schmerzlindernde Wirkung von Phytoanalgetika relativ schwach ist. Die Vormittagssitzung endete mit einem Vortrag zum Thema „Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pharmakotherapie“. Frau Prof. Karen Nieber erklärte pharmakokinetische und pharmakodynamische Unterschiede und stellt die Frage, ob dieses Thema auch für Phytopharmaka relevant ist. Obwohl es einige Hinweise gibt, scheint dieser Aspekt bei den Phytopharmaka im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Arzneimitteln eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Der Nachmittag war dem Thema „Phytotherapie in der Psychiatrie“ mit den Schwerpunkten Antidepressiva und Antidementiva gewidmet. Die erfahrene Apothekerin Jutta Doebel (Apotheke im Erfstadt Center, Erfstadt) besprach sowohl neurobiologische Grundlagen als auch mögliche und gesicherte Wirkmechanismen von pflanzlichen Arzneimitteln, wobei Johanniskraut und Ginkgo den Schwerpunkt bildeten. Sie erklärte an Hand praktischer Beispiele Vorteile, aber auch Grenzen der Anwendung von pflanzlichen Arzneimitteln und gab Tipps für die Beratung in der Apotheke oder Arztpraxis. Der Nachmittag wurde fortgesetzt mit dem sogenannten „Update“. Dieses Mal beschäftigte sich Herr Prof. Jürgen Reichling (Universität Heidelberg) mit dem Thema „Ätherische Öle und ihre wundheilungsfördernden Wirkungen“. Ätherische Öle sind natürliche Stoffgemische und bestehen aus bis zu 500 unterschiedlichen Pflanzeninhaltsstoffen (Monoterpene, Monoterpenalkohole, -aldehyde, -oxide, -ketone, -phenole, etc.). Die bisher im Tiermodell untersuchten ätherischen Öle (z. B. Lavendel-, Rosmarin-, Thymianöl) fördern den Wundheilungsprozess, auch bei Wunden, die mit Bakterien oder Hefepilzen infiziert sind. Sie hemmen und reduzieren Entzündungen, Schmerzen und mikrobielle Kontaminationen, so Prof. Reichling.

Am dritten Tag stand das Thema „Schlafstörungen“ auf der Agenda. Oft fehlen Grundkenntnisse über Behandlungsmöglichkeiten und die negativen Folgen unbehandelter Schlafstörungen. Deshalb präsentierte Prof. Karen Nieber in zwei Vorträgen physiologische Grundlagen des Schlafes und eine Einteilung von Schlafstörungen. Darauf aufbauend wurde ein Entscheidungsbaum entwickelt, der zeigt, wann und welche Phytopharmaka bei Schlafstörungen sinnvoll sind und wie sie angewendet werden sollten. Wirkungsmechanismen und neue Forschungsergebnisse ergänzten die Präsentationen. Die Referentin betonte nachdrücklich, dass sich die volle Wirkung meist nicht sofort einstellt. Die Präparate müssen mindestens für zwei Wochen eingenommen werden. In der nachfolgenden Diskussion wurden Maßnahmen der Umstellung chemisch-synthetischer Schlafmittel (Benzodiazepine, Z-Substanzen) auf Phytopharmaka thematisiert.