PiD - Psychotherapie im Dialog 2019; 20(03): 107
DOI: 10.1055/a-0771-7392
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Und, wie fanden Sie Ihr Steak?“

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Publication Date:
03 September 2019 (online)

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(Quelle: Lukas Gojda/stock.adobe.com)

„Ganz zufällig unter dem Salatblatt.“

Kennen Sie noch diesen abgedroschenen Witz über die sogenannte gehobene Küche? Aber wie soll sich der hungrige Gast in dem riesigen Angebot zwischen Haut-Cuisine und Curry-Wurst-Bude auch zurechtfinden? Als Leser dieser Zeitschrift könnten Sie zurecht anmerken, dass wir in der Lage sind, auch diesem tiefgreifenden Entscheidungsproblem unseres mitteleuropäischen Daseins mit psychotherapeutischen Mitteln zu begegnen. Da wäre z. B. das Lernen am (mütterlichen oder väterlichen) Modell: Man fragt die Supervisorin oder den Supervisor nach ihren oder seinem Lieblingsrestaurant. Die Zweispalten-Technik hingegen setzt neben der Liebe zur Verhaltenstherapie voraus, dass man sich bereits auf zwei (und eben nicht mehr) mögliche Alternativen festgelegt hat. Oder auch das bei SystemikerInnen beliebte Tetralemma, das aber ebenfalls nur zwei Alternativen vorsieht und bei der Position „Keines von beidem“ leider auch Hunger zur Folge haben kann.

Etwas „psycho“-befreiter wären folgende Varianten: Möglichkeit 1: Man isst, wo und was man kennt. Vorteil: Reinfallwahrscheinlichkeit äußerst gering. Möglicher Nachteil: Wird auf Dauer vielleicht etwas eintönig. Möglichkeit 2: Vertrauen auf Bewertungen im Internet auf unterschiedlichen Portalen. Vorteil: Man hofft, dass andere zuvor das Geschäft des Ausprobierens und Aussortierens übernommen haben. Nachteil: Wer sagt, dass derjenige, der da bewertete, meinen Geschmack hatte? Möglichkeit 3: Da Essen gehen, wo man anhält, weil es dunkel ist, die Insassen des Autos müde sind und/oder der Hunger groß ist und das Restaurant nebenan. Vorteil: Es geht zunächst um andere Gründe, als den Geschmack des Essens. Nachteil: Kann ggf. mit genussvollem Essen nicht viel zu tun haben, sondern eher mit der Befriedigung von Grundbedürfnissen.

Aber was ist zu tun, wenn die Umgebung fremd ist und die Wegbeschreibung mitteleuropäischen Gepflogenheiten nicht wirklich entspricht? Sollte man der Restaurantempfehlung folgen, auch wenn der einzige relevante Hinweisreiz ein Autoreifen rechts am Straßenrand ist und von einer Gaststätte weit und breit jede Spur fehlt? Und was ist eigentlich zu tun, wenn in der Region, die man bereist, in Zelten liegend gegessen wird und also das Auge überhaupt nicht fündig werden kann, wenn es ein Gebäude sucht?

Dann hilft nur eine große Portion Vertrauensvorschuss in die Quelle der Empfehlung – in der Hoffnung auf das große Glück, wenn die gegrillte Languste schließlich serviert wird und es das Wagnis wert war!

Dr. Bettina Wilms, Querfurt