RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.12687/phleb2418-3-2018
Lipödem – Mythen und Fakten Teil 2
Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | EnglishZusammenfassung
In dieser kleinen Übersichtsreihe über die Mythen des Lipödems werfen wir einen kritischen Blick auf populäre Statements zum Lipödem; Statements, die vor Jahrzehnten schon Eingang in wissenschaftliche Publikationen gefunden haben und seither unkritisch und stetig wiederholt werden; Statements, die dadurch inzwischen zum selbstverständlichen Wissensallgemeingut von Lipödempatientinnen und vor allem auch von Lipödem-Selbsthilfegruppen geworden sind. Im ersten Teil unserer Darstellung haben wir uns kritisch mit zwei populären Mythen über das Lipödem auseinandergesetzt. Hierbei haben wir festgestellt, dass sowohl für das Statement „Das Lipödem ist eine progrediente Erkrankung” als auch für das Statement „Ein Lipödem macht psychisch krank” keine wissenschaftliche Evidenz vorliegt. In diesem zweiten Beitrag über die Mythen des Lipödems fokussieren wir uns auf den Ödemaspekt, auf das „Ödem im Lipödem” und die hieraus erfolgte therapeutische Konsequenz – die Manuelle Lymphdrainage. Daher: Mythos 3: Das Lipödem ist in erster Linie ein „Ödem-Problem”; daher ist die Manuelle Lymphdrainage essenzielle und regelmäßig durchzuführende Standardtherapie! Auch dieses Statement widerspricht in hohem Maße unserer seit Jahren bestehenden täglichen klinischen Erfahrung mit diesem speziellen Patientengut. Gleichzeitig haben wir im Rahmen unserer umfangreichen Literaturrecherche festgestellt, dass es keine Evidenz für diese Sichtweise gibt. Tatsächlich gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass beim Lipödem ein relevantes Ödem – Ödem im Sinne von Flüssigkeit – vorliegt. Ebenso fehlt jegliche wissenschaftliche Evidenz dafür, dass dieses kaum (bzw. meist nicht) vorhandene Ödem für die Beschwerden der Lipödempatientinnen verantwortlich ist. Der regelmäßigen und dauerhaften Verordnung von Manuellen Lymphdrainagen mit dem Ziel der „Ödembeseitigung” fehlt daher jede Grundlage. Das Lipödem ist weit mehr als nur dickere, schmerzhafte Beine! Darum müssen wir manche der alten therapeutischen Pfade verlassen, Pfade, für die es keine wissenschaftliche Evidenz gibt, Pfade, die darüber hinaus auch unserer klinischen Erfahrung widersprechen. Eine umfassende Therapie des Lipödems sollte daher auch all jene Aspekte berücksichtigen, die nicht so offensichtlich sind wie das Augenscheinliche und das vordergründig Geäußerte. Lipödem-Therapie muss neben der Behandlung der somatischen Beschwerden auch auf die bereits in unserem ersten Beitrag beschriebenen psychosozialen und gesellschaftlichen Aspekte dieses komplexen Krankheitsbildes fokussieren. Die Vorstellung eines umfassenden Therapiekonzeptes für Lipödempatientinnen wird Inhalt im letzten Teil unserer kleinen Lipödemreihe sein. Neue Wege entstehen, in dem wir sie gehen – dies gilt auch für die Therapie des Lipödems!
#
#
-
Literatur
- 1 Bertsch T, Erbacher G. Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. Phlebologie 2018; 47: 84-92.
- 2 Herbst KL. Rare adipose disorders (RADs) masquerading as obesity. Acta Pharmacol Sin 2012; Feb; 33 (02) 155-172.
- 3 Buck W, Herbst KL. Lipedema: A Relatively Common Disease with Extremely Common Misconceptions. Plast Reconstr Surg Glob Open. 2016 Sep; 04. (9).
- 4 S 1 Leitlinie Lipödem S. 11. Abrufbar unter. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037–012l_S1_Lipoedem_2016–01.pdf
- 5 Schmeller W, Meier-Vollrath I. Lipödem in Weissleder H, Schuchhardt CH. (Hrsg). Erkrankungen des Lymphgefäßsystems, 5 Auflage. Köln: Viavitalverlag; 2011: 400.
- 6 Herpertz U. Ödeme und Lymphdrainage, 3. Auflage. Stuttgart: Schattauer; 2006: 181.
- 7 Verein zur Förderung der Lymphödemtherapie e.V. Abrufbar unter http://www.lymphverein.de/verordnung_von_mld.html
- 8 Meier-Vollrath I. et al. Lipödem: Verbesserte Lebensqualität durch Therapiekombination. Dtsch Arztebl 2005; 102 (15) A-1061.
- 9 Allen E, Hines E. Lipedema of the legs: a syndrome characterized by fat legs and orthostatic edema. Proc Staff Mayo Clin 1940; 15: 184-187.
- 10 Wold LE, Hines EA, Allen EV. Lipedema of he legs; a syndrome characterized by fat legs and edema. Ann Intern Med 1951; 34 (05) 1243-1250.
- 11 Wold LE, Hines EA, Allen EV. a.a.O. 1248-1249.
- 12 Bertsch T, Erbacher G. Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. Phlebologie 2018; 47: 84-92.
- 13 Greer KE. Lipedema of the legs. Cutis 1974; 14: 98-100.
- 14 Müller W. Die Pannikulose. Z. Rheumaforschung 1973; 32: 169-176.
- 15 Schmitz R. Das Lipödem. Gynäkologe 1980; 13: 102-105.
- 16 Brunner U. Vaskuläre Erkrankungen bei Lipödem der Beine. Schweiz Med Wschr 1982; 112 Nr. 33, 1131.
- 17 Gregl A. Das Lipödem. Lymphologie. 1987 XI, 41-3, 5-6.
- 18 Rudkin GH, Miller TA. Lipedema: A Clinical Entity Distinct from Lymphedema. Plast Reconstr. Surg 1994; Nov; 94 (6) 842.
- 19 Cornely M. Das Lipödem an Armen und Beinen. Teil 1: Pathophysiologie: Phlebologie; 1/2011 23.
- 20 Cornely M. Das Lipödem an Armen und Beinen. Teil 2: Zur konservativen und operativen Therapie des Lipödems, genannt Lipohyperplasia dolorosa: Phlebologie; 3/2011 146.
- 21 Kappos EA. Lipedema: Diagnostic and management challenges International J of Women’s Health. Volume 8 (Issue 1) 2016; 389-395.
- 22 Monnin-Delhom ED. et al. High resolution unenhanced computed tomography in patients with swollen legs. Lymphology 2002; 35 (03) 121-128.
- 23 Tietjen KU, Schulz-Ehrenburg U. Isotopenlymphographische Befunde beim Lipödem. In: Holzmann H, Altmeyer P, Hör G, Hahn K. (eds) Dermatologie und Nuklearmedizin. Berlin, Heidelberg: Springer; 1985
- 24 Kayserling E. Zur Histologie des Lipödems. In Strößenreuther RHK. Lipödem und Cellulitis sowie andere Erkrankungen des Fettgewebes. Köln: Viavital Verlag; 2001
- 25 Brenke R, Siems WG. Hinweise für die Beteiligung freier Radikaler an der Pathogenese des Lipödems. In Strößenreuther RHK. Lipödem und Cellulitis sowie andere Erkrankungen des Fettgewebes. Köln: Viavital Verlag; 2001
- 26 Strößenreuther RHK. Das Lipödem. Neue Aspekte der Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie sowie weiterführende differentialdiagnostische Betrachtungen. Unveröffentlichte Dissertation. Technische Universität München. 1999
- 27 Schmeller W, Meier-Vollrath I. Das Lipödem: Neue Möglichkeiten der Therapie. Schweiz Med Forum 2007; 07: 151.
- 28 Schmeller W, Meier-Vollrath I. Lipedema. Abrufbar unter https://www.lipedema-simplified.org/downloads/Lipoedema-schmeller.pdf S. 297.
- 29 Rapprich S. et al. Liposuction is an effective treatment for lipedema – results of a study with 25 patients. Journal of the German Society of Dermatology. 2011 01. (9).
- 30 Lipedema – Guidelines in the Netherlands 2014. Abrufbar unter https://diseasetheycallfat.tv/wpcontent/uploads/2015/08/Dutch-lipoedemaguideline-2014.pdf
- 31 Wounds UK. Best Practice Guidelines The management of lipoedema. 2017. Abrufbar unter http://www.wounds-uk.com/pdf/content_11941.pdf
- 32 Bertsch T, Erbacher G. Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. Phlebologie 2018; 47: 84-92.
- 33 Rauchfuss M. et al. Massagetherapie reduziert Schmerzen, Erschöpfung und Stress bei Mammakarzinompatientinnen. Geburtsh Frauenhk 2010; 70: 870-824.
- 34 Baumgart S. et al. Wirksamkeit der Massagetherapie bei Depression und Angsterkrankungen sowie bei Depressivität und Angst als Komorbidität – Eine systematische Übersicht kontrollierter Studien. Phys Med Rehab Kuror 2011; 21: 167-182.
- 35 Bita HAjilchil. et al. The Effectiveness of Massage Therapy on Reducing Depression in Students. Indian Journal of Fundamental and Applied Life Sciences 2015; Vol. 5 (S3) 1937-1942.
- 36 Brenner E. Wie kommt der Schmerz ins Lipödem. LymphForsch 21 (01) 2017; 40-47.
- 37 Pou KM. et al. Visceral and Subcutaneous Adipose Tissue Volumes Are Cross-Sectionally Related to Markers of Inflammation and Oxidative Stress. The Framingham Heart Study. Circulation published online Aug 2007; 20.
- 38 Ruktowki J. et al. Mechanisms of Obesity and Related Pathologies: The Macro-and Microcirculation of Adipose Tissue. FEBS Journal 2009; October 2009; 276 (20) 5738-5746.
- 39 Crescenzi R. et al. Tissue Sodium Content is Elevated in the Skin and Subcutaneous Adipose Tissue in Women with Lipedema. Obesity 2018; 26 (02) 316.
- 40 Mancuso P. The role of adipokines in chronic inflammation. Immotargets Ther 2016; 05: 47-56.
Korrespondenzadresse
-
Literatur
- 1 Bertsch T, Erbacher G. Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. Phlebologie 2018; 47: 84-92.
- 2 Herbst KL. Rare adipose disorders (RADs) masquerading as obesity. Acta Pharmacol Sin 2012; Feb; 33 (02) 155-172.
- 3 Buck W, Herbst KL. Lipedema: A Relatively Common Disease with Extremely Common Misconceptions. Plast Reconstr Surg Glob Open. 2016 Sep; 04. (9).
- 4 S 1 Leitlinie Lipödem S. 11. Abrufbar unter. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/037–012l_S1_Lipoedem_2016–01.pdf
- 5 Schmeller W, Meier-Vollrath I. Lipödem in Weissleder H, Schuchhardt CH. (Hrsg). Erkrankungen des Lymphgefäßsystems, 5 Auflage. Köln: Viavitalverlag; 2011: 400.
- 6 Herpertz U. Ödeme und Lymphdrainage, 3. Auflage. Stuttgart: Schattauer; 2006: 181.
- 7 Verein zur Förderung der Lymphödemtherapie e.V. Abrufbar unter http://www.lymphverein.de/verordnung_von_mld.html
- 8 Meier-Vollrath I. et al. Lipödem: Verbesserte Lebensqualität durch Therapiekombination. Dtsch Arztebl 2005; 102 (15) A-1061.
- 9 Allen E, Hines E. Lipedema of the legs: a syndrome characterized by fat legs and orthostatic edema. Proc Staff Mayo Clin 1940; 15: 184-187.
- 10 Wold LE, Hines EA, Allen EV. Lipedema of he legs; a syndrome characterized by fat legs and edema. Ann Intern Med 1951; 34 (05) 1243-1250.
- 11 Wold LE, Hines EA, Allen EV. a.a.O. 1248-1249.
- 12 Bertsch T, Erbacher G. Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. Phlebologie 2018; 47: 84-92.
- 13 Greer KE. Lipedema of the legs. Cutis 1974; 14: 98-100.
- 14 Müller W. Die Pannikulose. Z. Rheumaforschung 1973; 32: 169-176.
- 15 Schmitz R. Das Lipödem. Gynäkologe 1980; 13: 102-105.
- 16 Brunner U. Vaskuläre Erkrankungen bei Lipödem der Beine. Schweiz Med Wschr 1982; 112 Nr. 33, 1131.
- 17 Gregl A. Das Lipödem. Lymphologie. 1987 XI, 41-3, 5-6.
- 18 Rudkin GH, Miller TA. Lipedema: A Clinical Entity Distinct from Lymphedema. Plast Reconstr. Surg 1994; Nov; 94 (6) 842.
- 19 Cornely M. Das Lipödem an Armen und Beinen. Teil 1: Pathophysiologie: Phlebologie; 1/2011 23.
- 20 Cornely M. Das Lipödem an Armen und Beinen. Teil 2: Zur konservativen und operativen Therapie des Lipödems, genannt Lipohyperplasia dolorosa: Phlebologie; 3/2011 146.
- 21 Kappos EA. Lipedema: Diagnostic and management challenges International J of Women’s Health. Volume 8 (Issue 1) 2016; 389-395.
- 22 Monnin-Delhom ED. et al. High resolution unenhanced computed tomography in patients with swollen legs. Lymphology 2002; 35 (03) 121-128.
- 23 Tietjen KU, Schulz-Ehrenburg U. Isotopenlymphographische Befunde beim Lipödem. In: Holzmann H, Altmeyer P, Hör G, Hahn K. (eds) Dermatologie und Nuklearmedizin. Berlin, Heidelberg: Springer; 1985
- 24 Kayserling E. Zur Histologie des Lipödems. In Strößenreuther RHK. Lipödem und Cellulitis sowie andere Erkrankungen des Fettgewebes. Köln: Viavital Verlag; 2001
- 25 Brenke R, Siems WG. Hinweise für die Beteiligung freier Radikaler an der Pathogenese des Lipödems. In Strößenreuther RHK. Lipödem und Cellulitis sowie andere Erkrankungen des Fettgewebes. Köln: Viavital Verlag; 2001
- 26 Strößenreuther RHK. Das Lipödem. Neue Aspekte der Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie sowie weiterführende differentialdiagnostische Betrachtungen. Unveröffentlichte Dissertation. Technische Universität München. 1999
- 27 Schmeller W, Meier-Vollrath I. Das Lipödem: Neue Möglichkeiten der Therapie. Schweiz Med Forum 2007; 07: 151.
- 28 Schmeller W, Meier-Vollrath I. Lipedema. Abrufbar unter https://www.lipedema-simplified.org/downloads/Lipoedema-schmeller.pdf S. 297.
- 29 Rapprich S. et al. Liposuction is an effective treatment for lipedema – results of a study with 25 patients. Journal of the German Society of Dermatology. 2011 01. (9).
- 30 Lipedema – Guidelines in the Netherlands 2014. Abrufbar unter https://diseasetheycallfat.tv/wpcontent/uploads/2015/08/Dutch-lipoedemaguideline-2014.pdf
- 31 Wounds UK. Best Practice Guidelines The management of lipoedema. 2017. Abrufbar unter http://www.wounds-uk.com/pdf/content_11941.pdf
- 32 Bertsch T, Erbacher G. Lipödem – Mythen und Fakten Teil 1. Phlebologie 2018; 47: 84-92.
- 33 Rauchfuss M. et al. Massagetherapie reduziert Schmerzen, Erschöpfung und Stress bei Mammakarzinompatientinnen. Geburtsh Frauenhk 2010; 70: 870-824.
- 34 Baumgart S. et al. Wirksamkeit der Massagetherapie bei Depression und Angsterkrankungen sowie bei Depressivität und Angst als Komorbidität – Eine systematische Übersicht kontrollierter Studien. Phys Med Rehab Kuror 2011; 21: 167-182.
- 35 Bita HAjilchil. et al. The Effectiveness of Massage Therapy on Reducing Depression in Students. Indian Journal of Fundamental and Applied Life Sciences 2015; Vol. 5 (S3) 1937-1942.
- 36 Brenner E. Wie kommt der Schmerz ins Lipödem. LymphForsch 21 (01) 2017; 40-47.
- 37 Pou KM. et al. Visceral and Subcutaneous Adipose Tissue Volumes Are Cross-Sectionally Related to Markers of Inflammation and Oxidative Stress. The Framingham Heart Study. Circulation published online Aug 2007; 20.
- 38 Ruktowki J. et al. Mechanisms of Obesity and Related Pathologies: The Macro-and Microcirculation of Adipose Tissue. FEBS Journal 2009; October 2009; 276 (20) 5738-5746.
- 39 Crescenzi R. et al. Tissue Sodium Content is Elevated in the Skin and Subcutaneous Adipose Tissue in Women with Lipedema. Obesity 2018; 26 (02) 316.
- 40 Mancuso P. The role of adipokines in chronic inflammation. Immotargets Ther 2016; 05: 47-56.