Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2008; 15(2): 97
DOI: 10.1055/s-2008-1081017
DTG-Mitteilungen

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Nachruf - Professor Dr. Ulrich Bienzle

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Publication Date:
10 June 2008 (online)

 
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist uns eine traurige Pflicht, Sie über den Tod von Herrn Professor Dr. Ulrich Bienzle zu informieren. Er ist am 17. März 2008 verstorben. Bienzle ist den meisten in der DTG bekannt, er war viele Jahre Leiter des Berliner Tropeninstituts und aktiv in den Gremien unserer Gesellschaft tätig. Die DTG trauert um einen der führenden Tropenmediziner Deutschlands.

Ulrich Bienzle kam 1982 vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg in die damalige Landesimpfanstalt in Berlin. Im Laufe der Jahre hat er daraus ein Institut sowie eine national aber auch international renommierte tropenmedizinische Einrichtung gemacht.

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"Ein Kämpfer gegen AIDS"

Bienzle hat Entwicklungen in der Medizin frühzeitig erkannt. So wurden seit 1982 auf seine Initiative hin homosexuelle Männer auf Darmparasiten, vor allem Amöben, untersucht. Anlass waren Berichte aus den USA über ein vermehrtes Vorkommen intestinaler Parasiten bei diesem Personenkreis. Als dann die HIV-Infektion als Ursache eines Immundefizienzsyndroms erkannt wurde, war eine Kohortengruppe in dieser Risikogruppe bereits aufgebaut und konnte auf Symptome der neuen Krankheit untersucht werden. 1984 organisierte Ulrich Bienzle in Berlin zusammen mit dem damaligen Senator für Gesundheit Ulf Fink einen der ersten deutschen AIDS-Kongresse. 1985 wurde unter seiner Leitung die "AIDS Task Force" des Berliner Senats mit einer anonymen und kostenlosen Beratungsstelle am Institut für Tropenmedizin eingerichtet.

Die besondere Leistung von Ulrich Bienzle bestand aber sicherlich darin, im Umgang mit den HIV-Infizierten neue Wege zu beschreiten - zu nennen sind das Streetworker-Projekt, in dem Risikogruppen nachts an ihren Arbeitsplätzen aufgesucht wurden, die Zusammenarbeit mit der Prostituiertenorganisation Hydra, mit der Drogentherapieeinrichtung Synanon sowie das Schoolworker-Projekt, in dem Lehrer und Ärzte Aufklärungsmaßnahmen durchführten. Ein Nachruf im "Berliner Tagesspiegel" war tituliert mit "ein Kämpfer gegen AIDS" - das trifft sein Engagement sehr gut.

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Er hat die Tropenmedizin in ihrer gesamten Breite vertreten

Ulrich Bienzles Hauptinteresse galt aber der Tropenmedizin. Er hat die Tropenmedizin in ihrer gesamten Breite vertreten und damit ganz wesentlich dazu beigetragen, die Tropenmedizin als eigene, wichtige Disziplin in Deutschland zu etablieren und auszubauen. In der ganzen Breite heißt von der tropenmedizinischen Grundlagenforschung bis zur Patientenversorgung und von der Rückkehrermedizin in Deutschland bis zur Medizin in den Tropen. Sein Forschungsgebiet war breit und umfasste neben der Malaria auch Hämoglobinopathien, mit denen er sich vor allem in seiner Zeit in Nigeria von 1970-1972 befasste, aber auch Leishmaniosen, Schistosomiasis, Hepatitiden und Impfungen, wobei er sich in den letzten Jahren intensiv mit Impfungen bei Organtransplantierten beschäftigte.

Auch seine Verdienste in der tropenmedizinischen Ausbildung und Lehre müssen erwähnt werden: 1998 entstand während eines Treffens der Direktoren der europäischen Tropeninstitute die Idee zu einem neuen Ausbildungsgang, die er später zum Masterstudiengang "International Health" entwickelte. Immer wieder fuhr Ulrich Bienzle zu Arbeitsaufenthalten nach Afrika. 1994 übernahm er auf Anfrage der Albert-Schweitzer-Gesellschaft das "Laboratoire de Recherche" in Lambaréné (Gabun), welches dann später von Prof. Kremsner, Tübingen, übernommen wurde. Später hat er Feldstationen in Ghana aufgebaut, aus denen sich das "Northern Ghana Region Malaria Project" entwickelte. Für seine Verdienste in der Tropenmedizin und der HIV-Medizin hat Ulrich Bienzle - das sei noch kurz erwähnt - das Bundesverdienstkreuz bekommen.

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Seine Liebe zur Musik und zur Kunst

So groß seine Verdienste in der HIV-Medizin und der Tropenmedizin auch sein mögen, es gab noch eine ganz andere Seite in seinem Leben, seine Liebe zur Musik und zur Kunst. Er hat im Erwachsenenalter das Klavierspielen wieder aufgenommen und dies mit großer Freude fortgeführt. Er hat sich - ähnlich wie im Beruf - mit einer großen Wissbegierde und Ernsthaftigkeit mit der Musik auseinandergesetzt. Und nicht nur mit der Musik: Genauso hat er sich mit bildender Kunst beschäftigt und eine grandiose Sammlung von afrikanischer Kunst und Malerei des 20. Jahrhunderts aufgebaut.

Ulrich Bienzle war eine einzigartige und außergewöhnliche Persönlichkeit. Wir möchten seiner Frau Heike Bienzle unser tiefes Beileid aussprechen.

Gerd Burchard

Gundel Harms