Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2008; 15(2): 59-61
DOI: 10.1055/s-2008-1079380
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfahrungsbericht - Reisemedizinische Studienexkursion nach Tansania

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Publication Date:
10 June 2008 (online)

 
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Ärzte, die reisemedizinische Beratungen durchführen, sollten eigene Erfahrungen aus touristisch stark frequentierten Ländern haben - aus dieser Vorstellung heraus hatte der Deutsche Fachverband Reisemedizin im Jahr 2003 als Pilotprojekt eine reisemedizinische Studienexkursion nach Indien organisiert. Ziel war es, den mitreisenden Kollegen Erfahrungen und Eindrücke von aus reisemedizinischer Sicht kritischen Ländern zu vermitteln. Nach den ersten durchweg positiven Erfahrungen der Indienreise entstand die Idee zu einer zweiten Studienexkursion nach Ecuador. Logischerweise folgte aus den reisemedizinischen Exkursionen nach Asien und Südamerika nun eine dritte Exkursion nach Afrika. Die Tansaniareise wurde federführend von den Autoren dieses Reiseberichtes organisiert.

Am 17.10.2007 traf sich die zehnköpfige Teilnehmergruppe am Flughafen Zürich, um über Nairobi nach Daressalaam zu fliegen. Im Gepäck hatten wir unter anderem größere Mengen an Medikamenten und medizinischem Material, das wir nach den Wünschen der von uns besuchten medizinischen Einrichtungen zusammengestellt hatten.

Am ersten Morgen in Daressalaam hatten wir einen Termin im Büro der AMREF ("African Medical and Research Foundation"). Wie wir vom "Country Director Tansania" erfuhren, unterhält die AMREF nicht nur eine Luftrettungsorganisation, sondern auch diverse Entwicklungshilfeprojekte, überwiegend im HIV-/Aids-Bereich, aber auch Brunnen- und Wasserprojekte in ganz Tansania und Ostafrika.

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Erste Einblicke ins Gesundheitssystem

Am nächsten Tag hatten wir die Gelegenheit, uns über die Arbeit der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) zu informieren. Die Kollegen der GTZ schilderten uns die medizinische Situation in Tansania und berichteten über laufende Projekte. So erfuhren wir zum Beispiel, dass die HIV-Prävalenz um 7 % liegt und die "commercial sex workers" ein Hauptübertragungsweg sind, ein sicher sehr wichtiger Beratungsaspekt für unsere Reisenden. Die GTZ und ihre Partner bemühen sich, durch diverse Maßnahmen (Gesundheitserziehung, z. B. durch Straßentheater, Aufklärung von Jugendlichen, Vermeidung von Infektionen im Krankenhaus und bei der Mutter-Kind-Übertragung) dem Problem Herr zu werden.

Ein kleiner Höhepunkt war eine eineinhalbstündige Diskussion mit den Studenten des Masterkurses "Public Health", ein Post-Graduate-Studium für Interessenten aus ganz Ostafrika. Dieser einjährige Kurs für Ärzte, Pharmazeuten und Sozialwissenschaftler wurde unter anderem von der Universität Heidelberg mitentwickelt und erfreut sich eines enormen Zuspruchs. Die Studenten diskutierten mit uns über ihre Einschätzung der Gesundheitssituation in Ostafrika. Wir mussten ihnen im Gegenzug Fragen zum deutschen Gesundheitssystem beantworten, wobei sie sehr verwundert über unser "all inclusive"-Gesundheitssystem waren.

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Wahlspruch

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Reisegruppe

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Masterkurs Public Health

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HIV-Sprechstunde

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Huruma Hospital

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Infusionsprojekt

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HIV-Prävention

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Artemesin-Pflanze

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Klinische Visite im Bombo-Hospital

Nach einem kurzfristig organisierten einstündigen Flug - nachdem unser Zug ausgefallen war, mussten wir unser Improvisationstalent unter Beweis stellen - landeten wir auf dem "Flughafen Ifakara", der ausschließlich aus einer Schotterpiste besteht. Aus medizinischer Sicht war Ifakara besonders interessant, weil hier in fast universitärer Form Forschung ("Ifakara health research and development center"), Lehre (TTCIH) und Patientenversorgung ("St. Francis district hospital") zusammenspielen. Als Joint-Venture-Projekt von tansanischem Staat, Schweizer Tropeninstitut und diversen, insbesondere Schweizer Sponsoren, wird geforscht, gelehrt und die Versorgung der lokalen Bevölkerung gewährleistet.

Wir hatten über mehrere Tage die Möglichkeit, im Rahmen von halbtägigen Hospitationen im Krankenhaus die Kollegen vor Ort bei der Versorgung der Patienten zu begleiten. Besonders eindrücklich war die HIV-Sprechstunde, weil wir hier auch sehr junge Erwachsene und Kinder mit fortgeschrittenen HIV-Stadien gesehen haben. Am Montagmittag hieß es Abschied nehmen. Vom Flughafen Ifakara flogen wir weiter nach Moshi.

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Kleine Projekte, die den Menschen direkt helfen

Der nächste Tag war ausgefüllt mit einem intensiven Besuchsprogramm des KCMC ("Kilimandjaro Christian Medical Centre"), dem Referenzkrankenhaus für Nordtansania. Wir hörten noch mehr über die häufigsten Erkrankungen in Tansania - HIV/Aids, Malaria, Tuberkulose (!), Anämien und Pneumonien - und erfuhren nebenbei, dass in Tansania ein Arzt auf 24 000 Einwohner kommt.

An der kenianischen Grenze besuchten wir ein abgelegenes District-Krankenhaus ("Huruma Hospital" in Rombo). Die Fahrt dorthin ging mehrere Stunden über beschwerliche Pisten, teilweise im Schneckentempo. Hier stellte sich für uns die Frage, wie ein schwer kranker Patient wohl von dort in ein größeres Krankenhaus kommen würde.

Die Kollegen des Huruma Hospitals freuten sich ganz besonders über unsere Mitbringsel, in diesem Fall vor allem Nahtmaterial. Während die Gruppe eine ausführliche klinische Visite absolvierte, versuchte einer der Autoren ein völlig verstaubtes Ultraschallgerät (Geschenk aus Deutschland!) wieder in Gang zu setzen. Man hatte leider nur eine deutsche Betriebsanleitung mitgeliefert, die natürlich niemand verstehen konnte. Schließlich war es Mamma Dita, der Ultraschallschwester, möglich, auf Anhieb eine rupturierte Extrauteringravidität mit massiver freier Flüssigkeit zu erkennen. Wie wir bei unserer Abfahrt hörten, sollte die junge Frau wohl noch am Nachmittag operiert werden ...

Zurückgekehrt nach Moshi konnten wir dann die "St. Luke Foundation" besuchen, eines der vielen Projekte von Dr. Georg Kamm, der seit über 30 Jahren in Tansania lebt und arbeitet. Kamm hat die Erkenntnis umgesetzt, dass man kleine Projekte anstoßen muss, die den Menschen direkt helfen. So baute Kamm etwa eine Infusionsherstellungseinheit auf, um auch kleineren medizinischen Einrichtungen zu helfen, die sich den Bezug von größeren Infusionsmengen nicht leisten können bzw. große Mengen auch gar nicht benötigen. Mit Bewunderung sahen wir eine Osmose, die auf ein 4 m2 großes Brett passt. Der Autoklav zur Sterilisation der Infusionslösungen kann auch mit Holz betrieben werden und ist somit in Gebieten ohne Strom einsetzbar. In der St. Luke Foundation werden zusätzlich Medikamente wie Augentropfen und einige Tablettensorten hergestellt, um die preisgünstige Versorgung von kleineren Kliniken zu ermöglichen. Herstellungseinheiten gibt es mittlerweile über ganz Tansania und die angrenzenden Länder verstreut.

In Begleitung des Kollegen Kamm konnten wir am nächsten Tag auf dem Weg zum Ngorongoro-Gebiet ein typisches, nicht touristisches Massaidorf besuchen. Der erste Kontakt mit dieser berühmten Ethnie war extrem eindrücklich und hat nachhaltige Spuren hinterlassen, unter anderem die Erkenntnis, dass man durch wenig Hilfe (Verbesserung der Wasserversorgung, Gesundheitserziehung, Wellblechdächer!) den Lebensstandard und die Gesundheitssituation dieser Menschen um ein Vielfaches verbessern kann.

An dem nun folgenden Wochenende stand der touristische Aspekt im Vordergrund, nämlich der Besuch des Serengeti- und des Ngorongoro-Nationalparks mit Tierbeobachtungen und einer faszinierenden Landschaft.

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Fazit

Zusammenfassend kann man von einer anstrengenden, aber hochinteressanten reisemedizinischen Exkursion sprechen. Unser Fazit aus reisemedizinischer Sicht: Die medizinische Versorgung befindet sich im Aufbau, ist aber sicher noch nicht optimal. "Risiko-Touristen", insbesondere chronisch Kranke, sollten darauf hingewiesen werden, dass eine Versorgung nach europäischem Standard nicht erwartet werden kann. Patienten, deren medizinischer Status nicht absolut stabil ist, sollten auf eine Reise eher verzichten. Pulmonal kompromittierte Patienten müssen auf die Höhenproblematik im Ngorongoro-Gebiet hingewiesen werden. Auch Traumata sollten soweit wie möglich vermieden werden, so sollten beispielsweise besonders gefährliche Verkehrsmittel wie Buschtaxis oder Überlandbusse gemieden werden.

Resultierend aus all unseren Erlebnissen wird eine der mitreisenden Kolleginnen für einige Zeit in einem der Distrikt Krankenhäuser arbeiten, um dabei zu helfen, eine Diabetes- und Hochdruckambulanz aufzubauen. Ein Krankenhaus erhielt weiteres, dringend benötigtes medizinisches Material und zwei Kinder im Massai-Internat haben mittlerweile Paten bekommen. Weitere Anknüpfungspunkte werden sicher noch folgen!

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Beeindruckende Hilfsprojekte

In der zweiten Woche hatten wir die Gelegenheit, ein sehr beeindruckendes, von einer deutschen Hebamme initiiertes Hilfsprojekt in Arusha zu besuchen. Angelika Wohlenberg (Titel eines Buches über sie: "Mamma Massai") lebt seit über 20 Jahren in Tansania und hat neben einem Erziehungsprojekt auch einen mobilen Gesundheitsdienst und ein Frauenprojekt im Massai-Gebiet ins Leben gerufen. Aus dem Erziehungsprojekt ist ein Schulprojekt entstanden, das vor allem Massai-Mädchen die Möglichkeit gibt, eine Schulausbildung zu erhalten. Dieses Erziehungsprojekt wird durch Patenschaften finanziert.

Ein Artemesin-Anbauprojekt vor den Toren Arushas besuchten wir am nächsten Tag. Dort werden Artemesin-Pflanzen, die nur in gewisser Höhe gut wachsen, gezüchtet und gekreuzt, um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Die Setzlinge werden an die Bauern der Umgebung verkauft und die Ernte in der angeschlossenen Fabrik zu den allseits bekannten Malaria-Medikamenten weiterverarbeitet.

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Massai-Kinderhilfsprojekt

(Bilder: Dr. Wilfried Buck, Hannover und Dr. Carsten Kurth, Waldshut-Tiengen)

Nach einer langen und anstrengenden Fahrt erreichten wir Tanga an der Küste. Bei einer ausgedehnten klinischen Visite im "Bombo District Hospital" am nächsten Tag, geleitet von Dr. Peter Hellmold, einem deutschen Chirurgen, konnten wir erneut Einblicke in die dortige medizinische Versorgung gewinnen. Eine unfallchirurgische Versorgung nach unseren Vorstellungen ist aufgrund fehlender Ressourcen, insbesondere Nägel, Platten und Schrauben, nicht gegeben. Auch die allgemeinchirurgische und internistische Versorgung ist durch Versorgungsengpässe limitiert. Der Besuch im "Bombo District Hospital" setzte den Schlusspunkt unter die medizinischen Projektbesuche. Es wartete noch ein Tag Erholung am Indischen Ozean auf uns, wobei aber durch das Thema Tauchmedizin mit praktischen Übungen auch dieser Reiseabschnitt nicht gänzlich fortbildungsfrei war.

Dr. Carsten Kurth, Waldshut-Tiengen,

Dr. Jürgen Mutschler Calw-Hirsau,

Dr. Wilfried Buck, Hannover

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Danksagung

Stellvertretend für alle Personen, die uns mit großer Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Fachkompetenz zur Seite standen, möchten wir an dieser Stelle Frau M. Bretzler (Studiosus Gruppenreisen München), Herrn B. Pfister, Daressalaam, Herrn Dr. E. Mossdorf (Schweizer Tropeninstitut Ifakara), Herrn Leka Tingitana (TTCIH Ifakara), Herrn Dr. B. Schmidt-Ehry (GTZ Daressalaam) und - last but not least! - Herrn Dr. G. Kamm, Moshi, nennen und uns bei ihnen und all den anderen sehr herzlich bedanken! Ein besonderer Dank gilt unseren "driver-guides" im Norden, Amir und Malley, für die allzeit gute und sichere Fahrt!

 
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Wahlspruch

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Reisegruppe

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Masterkurs Public Health

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HIV-Sprechstunde

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Huruma Hospital

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Infusionsprojekt

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HIV-Prävention

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Artemesin-Pflanze

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Klinische Visite im Bombo-Hospital

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Massai-Kinderhilfsprojekt