Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 1997; 07(3): 80-87
DOI: 10.1055/s-2008-1061865
Wissenschaft und Forschung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Alters- und geschlechtsspezifische Bewegungsausmaße der Halswirbelsäule

Age- and gender-related mobility of the cervical spineP. Schöps1 , N. Seichert2 , M. Schenk1 , U. Petri1 , E. Senn2
  • 1Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Ludwig-Maximilians-Universität München (Komm. Leiter: Dr. P. Schöps), München
  • 2Rehaklinik Bellikon (Chefarzt: Prof. Dr. E. Senn), Bellikon, Schweiz
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Publication Date:
19 March 2008 (online)

Summary

Objective: The purpose of this study was to prove the reliability and applicability of a new developed goniometric system to measure the range of motion of the cervical spine by interobserver-repeatability. In addition, it should be examined if there exist age and gender-related differences of the cervical movements. Testing the range of motion of a large quantity of healthy subjects should provide normal values for the cervical movements in three planes. Subjects: 20 patients suffering from neck diseases or complaints were compared with an age- and gender-matched group of healthy subjects. The goniometric method was assessed by five independent examiners (physicians) using interrater-repeatability. Normal values for the cervical mobility were obtained for 220 normal subjects (115 females, 105 males; age: 20 to 78 years). Design: The new developed device consists of a goniometer and a compass, mounted on a 10×10 cm2 plastic sheet. The subjects kept the plastic sheet between the teeth in order to reproduce the three-dimensional mobility of the cervical spine by the range of motion of the occlusion plane. The five independent physicians measured the cervical mobility in all of the 20 patients and 20 asymptomatic volunteers in a randomised and blinded crossover design. The 220 healthy individuals were measured by one examiner. The average values were tested for differences using student's t-test; the interobserver-repeatability was calculated by cross-correlation. Results: The mean values of the range of motion in the three planes were significantly smaller for the patients than for the volunteers (p≤0,01 to p≤0,001). The interobserver-repeatability both in patients and volunteers was found to be good (0,6<r≤0,08) or even excellent (r>0,8). This reliability was always significantly higher than arbitrary coincidence (p≤0,01 to p≤0,001). For the 220 healthy subjects the motion of the cervical spine decreased with age in all three planes. Younger subjects (aged 20-29) showed significantly higher cervical mobility than the elderly (aged 60-69) in all directions (p<0,001). Women generally showed a greater range of motion than men, the differences being significant for the flexion-extension and for the rotation, but not for the lateral bending. Conclusions: The new developed instrument to measure the cervical spine mobility in three planes is a simple and reliable method with a good interrater-repeatability. The examination procedure was highly accepted in both patients and observers. Because of the pronounced dependence of the cervical mobility on age and gender it is recommended to use age- and sex-related normal values in the diagnosis and follow up of cervical motion restrictions.

Zusammenfassung

Ziele: Die Studie überprüfte in einem ersten Schritt mittels Interrater-Vergleichs die Tauglichkeit eines neu entwickelten Goniometerverfahrens. In einem zweiten Schritt sollten anhand eines größeren Kollektivs beschwerdefreier Probandlnnen Normwerte für das Bewegungsmaß in den Funktionsebenen gemessen werden, um alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede numerisch festhalten zu können. Gegenstand: Primär wurde die Meßmethode an je 20 nach Alter und Geschlecht in gleicher Weise verteilten Probanden und Patienten im Interrater-Verfahren mit fünf unabhängigen Untersuchern evaluiert. Die Patienten litten alle an sog. Halswirbelsäulen-Syndromen. Sekundär wurden vom Untersuchungsleiter allein 220 beschwerdefreie Frauen (n=115) und Männer (n=105) im Alter zwischen 20 und 78 Jahren untersucht, um alters- und geschlechtsspezifische Normwerte der Halswirbelsäulenbeweglichkeit zusammenstellen zu können. Gestaltung: Das neu entwickelte Goniometer besteht aus einem Winkelmesser und einem Kompaß; beide sind auf einer 10-10 cm2 großen Plexiglasplatte befestigt. Der Proband/Patient hielt die Plexiglasplatte zwischen den Zähnen, so dass jede Bewegung der Halswirbelsäule in der Sagittal-, Frontal- und Transversalebene durch das Bewegungsausmaß der Okklusionsebene wiedergegeben wurde. Für die Messungen zur Überprüfung der Interrater-Reliabilität wurden die 20 Probanden und die 20 Patienten randomisiert den fünf Ärzten zugeteilt und von diesen im Blindverfahren untersucht. Die 220 beschwerdefreien Personen wurden von ein und demselben Arzt (Studienleiter) vermessen. Die erhaltenen Mittelwerte wurden mit dem allgemeinen t-Test für unverbundene Stichproben auf signifikante Unterschiede getestet; die Übereinstimmung zwischen den fünf Untersuchern wurde mittels Kreuzkorrelation überprüft. Ergebnisse: Das mittlere Bewegungsausmaß der Patienten war für alle Richtungen signifikant kleiner als das der Probanden (p≤0,01 bis p≤0,001). Zwischen den fünf Untersuchern fand sich sowohl bei den Probanden als auch bei den Patienten eine gute (0,6<r≤0,8) bis sehr gute (r<0,8) Übereinstimmung, die immer signifikant oberhalb der zufällig erwarteten lag (p≤0,01 bis p≤0,001). Mit zunehmendem Lebensalter nahm bei den 220 beschwerdefreien Frauen und Männern das zervikale Bewegungsausmaß gleichermaßen signifikant ab. In den Dekaden zwischen den 20-29jährigen und den 60-69jährigen bzw. über 70jährigen bestanden für alle Bewegungsrichtungen hochsignifikante Unterschiede (p≤0,00l). Die Frauen verfügten über eine insgesamt gröere Beweglichkeit als die Manner, wobei die Unterschiede für die Flexion/Extension und Rechts-/Linksrotation signifikant waren, nicht aber für die Rechts-/Linkslateroflexion. Schlulfolgerungen: Das entwikkelte Meßverfahren zur Bestimmung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit ist einfach und zuverlassig. Es verfugt über eine gute Interrater-Ubereinstimmung und hohe Akzeptanz sowohl bei den untersuchten Personen als auch bei den Untersuchern. Aufgrund der deutlichen Abhängigkeit der Meßwerte von Alter und Geschlecht sollten für die Diagnostik und Verlaufsbeobachtung zervikaler Funktionseinbugen ausschließlich alters- und geschlechtsspezifische Normwerte verwendet werden.