Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(3): 96
DOI: 10.1055/s-2008-1017482
Korrespondenz | Correspondence
Frage aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akute Psychose: im Notfall immer noch Haloperidol?

H.-J Möller
Further Information

Publication History

Publication Date:
09 January 2008 (online)

Frage: Das Neuroleptikum Haloperidol wird von Psychiatern häufig für den präklinischen Einsatz bei akuten Psychosen gefordert, findet sich aber in den Bestückungslisten der Notfallkoffer immer seltener. Sollte hier eine Aufrüstung erfolgen oder gibt es Alternativen?

Antwort: Das Neuroleptikum Haloperidol wird trotz der Einführung modernerer Neuroleptika (sog. Antipsychotika der zweiten Generation wie Risperidon, Olanzapin, Quetiapin u. a.) auch heute noch gern für die Therapie akuter Psychosen eingesetzt. Insofern sollte es in den Bestückungslisten für Notfallkoffer aufgeführt werden.

Haloperidol ist ein hochpotentes Neuroleptikum, das in der Regel bei akuten Psychosen zu einer relativ schnellen Beruhigung und Reduzierung der psychotischen Symptomatik führt. Für hochakute Notfälle kann neben der oralen Applikationsweisen (Tabletten, Tropfen) auch auf parenterale Applikationsformen zurückgegriffen werden. Im Hinblick auf die Nebenwirkungen sind insbesondere extrapyramidalmotorische Störungen zu erwähnen, in der Notfallbehandlung vor allem die schon innerhalb weniger Stunden nach der ersten Gabe möglicherweise auftretenden Frühdyskinesien/Frühdystonien. Diese können durch Gabe von Anticholinergika, z. B. Biperiden behandelt werden, u. a. im akuten Fall auch parenteral.

Haloperidol gehört zu den so genannten klassischen/traditionellen Neuroleptika oder Neuroleptika der ersten Generation, denen die im Hinblick auf extrapyramidalmotorische Störungen wesentlich besser verträglichen atypischen Neuroleptika oder Neuroleptika der zweiten Generation gegenüber stehen. Dazu gehören u. a. Amisulprid, Olanzapin, Risperidon, Quetiapin, Ziprasidon u. a. Auch für diese Präparate gibt es verschiedene galenische Zubereitungen, z. T. auch parenterale Applikationsformen.

Für den akuten Notfall einer psychotischen Erkrankung haben sich am besten Risperidon oder Olanzapin bewährt. Sie kämen als Alternative für Haloperidol im Bestückungsplan eines Notfallkoffers in Betracht.

Bei akuten Psychosen besteht häufig das Problem, dass der Patient nicht einsieht, dass er eine Erkrankung hat und dass er deshalb auch behandlungsunwillig ist. Dies geht so weit, dass der Patient eventuell die schon eingenommene Tablette wieder ausspuckt. In solchen Fällen kann eventuell durch eine Tropfenlösung oder durch eine Schmelztablette doch noch eine suffiziente orale Therapie erreicht werden. Falls auch das nicht vom Patienten angenommen wird, bleibt bei schweren psychotischen Zuständen nur die Injektion eines Neuroleptikums.

Literatur

  • 1 Gaebel W, Falkai P, Weinmann S, Wobrock T. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (Hrsg) .S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie, Bd 1, Behandlungsleitlinie Schizophrenie. Steinkopff Darmstadt 2006
  • 2 Laux G, Deister A. Notfallpsychiatrie.  In: Möller HJ, Laux G, Kapfhammer HP Psychiatrie und Psychotherapie. Springer Heidelberg 2007: 1764-1782
  • 3 Möller H J, Kissling W, Lang C, Doerr P, Pirke K M, Von Zerssen D. Efficacy and side effects of haloperidol in psychotic patients: oral versus intravenous administration.  Am J Psychiatry. 1982;  139 1571-1575

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Möller

Direktor der Psychiatrischen Klinik, Klinikum Innenstadt

Nußbaumstraße 7

80336 München