Aktuelle Dermatologie 2008; 34(1/02): 16-18
DOI: 10.1055/s-2007-995481
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Perianales Hidradenoma papilliferum: Diagnose und Differenzialdiagnose

Perianal Hidradenoma Papilliferum: Diagnosis and Differential DiagnosisS.  Boms1 , A.  Enk1 , W.  Hartschuh1
  • 1Universitäts-Hautklinik Heidelberg
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Dr. med. Stefanie Boms

Universitäts-Hautklinik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Vossstraße 2

69115 Heidelberg

Email: Stefanie.Boms@med.uni-heidelberg.de

Publication History

Publication Date:
10 March 2008 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Das Hidradenoma papilliferum (HP) ist ein seltener, gutartiger Adnextumor mit apokriner Differenzierung, der bevorzugt in der weiblichen Genitalregion auftritt. Gelegentlich wird der Tumor in extragenitaler Lokalisation gefunden. Therapeutisch ist die Exzision mit geringem Sicherheitsabstand ausreichend, eine Entartung wurde in Einzelfällen diskutiert. Wir stellen eine 53-jährige Patientin mit einem seit 1 Jahr langsam größenprogredienten, symptomlosen, prallen Tumor der Perianalregion vor und diskutieren die Differenzialdiagnosen des Hidradenoma papilliferum in der Perianalregion.

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Abstract

Hidradenoma papilliferum (HP) is a rare, benign adnexal tumor differentiating towards apocrine glands that predominantly occurs in the female genital region. Occasionally the tumor is located elsewhere. Local excision with a narrow margin is the therapy of choice as malignant transformation is extremely rare. We report a 53-year-old woman with a slowly enlarging symptom free firm perianal tumor and discuss differential diagnosis of hidradenoma papilliferum in the perianal region.

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Einleitung

Das Hidradenoma papilliferum (HP) ist ein seltener, gutartiger Tumor, der bevorzugt in der weiblichen Genitalregion auftritt. Der Altersgipfel liegt im 3. bis 5. Lebensjahrzehnt. Aufgrund seiner uncharakteristischen Klinik wird das HP häufig verkannt und erst die histologische Aufarbeitung erbringt die Diagnose. Es handelt sich um einen dermal gelegenen Tumor mit apokriner Differenzierung ohne Epidermisbezug.

Gelegentlich wird der Tumor in extragenitaler Lokalisation gefunden. Wir berichten über eine Patientin mit perianalem HP und stellen die wichtigsten klinischen und histologischen Differenzialdiagnosen vor.

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Fallbericht

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Anamnese

Die 53-jährige Patientin stellte sich mit einem seit 1 Jahr bestehenden Tumor der Perianalregion in der proktologischen Sprechstunde vor. Die Veränderung sei langsam größenprodient gewesen, Beschwerden wie Blutung, Juckreiz oder Schmerzen beim Stuhlgang wurden verneint.

Außer einer Alopezia areata totalis waren bei der Patientin keine Vorerkrankungen bekannt.

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Hautbefund

In Steinschnittlage zeigte sich bei 7 Uhr perianal ein solitärer, 1,2 cm × 1,0 cm durchmessender, nicht druckdolenter, halbkugeliger Tumor ohne epidermale Beteiligung ([Abb. 1]). Der Tumor war von leicht gelblichem Kolorit, prallelastisch und erschien zystisch aufgebaut.

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Abb. 1 Solitärer, prallelastischer, indolenter Tumor perianal bei 7 Uhr in Steinschnittlage.

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Histologie

Die histologische Untersuchung des Exzidates im HE-Schnitt zeigte unter einer vorgewölbten, sonst unauffälligen Epidermis einen vertikal gestellten Knoten mit mehreren zystischen, eosinophiles Sekret enthaltenden Hohlräumen ([Abb. 2 a]). Daneben fanden sich tubuläre Anteile, die säulenartig in die Hohlräume ragten und von Zylinderepithel ausgekleidet waren. Streckenweise fand sich eine deutliche apokrine Sekretabschnürung (sog. Dekapitationssekretion) ([Abb. 2 b]).

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Abb. 2 a Tumor ohne Bezug zur Epidermis, bestehend aus zystischen Hohlräumen ausgekleidet mit Zylinderepithel. HE-Färbung (6-fache Vergrößerung). b Apokrine Sekretabschnürung (Markierung). HE-Färbung (25-fache Vergrößerung).

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Therapie

Nach Exzision des gesamten Tumors in Lokalanästhesie mit einem Sicherheitsabstand von 2 mm zeigte sich unter lokal antiseptischen Maßnahmen innerhalb von zehn Tagen eine komplikationslose sekundäre Wundheilung.

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Diskussion

Das Hidradenoma papilliferum (HP) stellt einen benignen Adnextumor mit apokriner Differenzierung dar und gehört in eine heterogene Gruppe seltener benigner und maligner Krankheitsbilder, die bei eher monomorphem und klinisch uncharakteristischem Bild eine außerordentlich große histologische Variabilität aufweisen ([Tab. 1]). Der Tumor tritt überwiegend im 3. bis 5. Lebensjahrzehnt in der weiblichen Genitalregion auf. Die perianale Lokalisation wie im vorliegenden Fall ist 4-fach seltener als die in der Genitalregion, andere Areale wie der Kopfbereich oder das Auftreten bei Männern sind eine Rarität [1] [2] [3]. Klinisch handelt es sich um einen meist solitären, langsam wachsenden, prallelastischen hautfarbenen bis rötlichen Knoten von 1,0 bis 1,5 cm Größe ohne epidermale Beteiligung. Eine Ulzeration wurde in Einzelfällen beschrieben, ist aufgrund der perianalen Lokalisation gegebenenfalls auch durch Defäkation und Reibung der Nates traumatisch bedingt [1] [4].

Tab. 1 Einteilung apokriner Adnextumoren (primär anhand histologischer Kriterien)
Benigne apokrine AdnextumorenMaligne apokrine Adnextumoren
Apokrines AdenomAggressives digitales papilläres Adenom
Akzessorische MamilleApokrines Adnexkarzinom
Hidradenoma papilliferum Extramammärer Morbus Paget
MamillenadenomMikrozystisches Adnexkarzinom
Mischtumor der Haut
Porom
Syringocystadenoma papilliferum

Die Ätiologie des HP ist unklar. Kazakov et al. [3] beschrieben 18 Tumoren mit einem besonderen histologischen Muster, der sogenannten oxyphilen Metaplasie mit eosinophilem Zytoplasma. Des Weiteren wiesen diese Tumoren ein immunhistochemisches Profil ähnlich dem metaplastischen Drüsenepithel der Mamma auf. Es fanden sich milde Kern- und Zytoplasmapleomorphismen. Dadurch kann leicht die Fehldiagnose einer malignen Entartung des HP gestellt werden. Trotz Vorliegen dieser Charakteristika ist der klinische Verlauf des HP auch in diesen Fällen gutartig. Es gibt nur wenige Fallberichte echter maligner Umwandlung. Beschrieben wurden ein intraduktales, kribriformes Karzinom sowie ein adenosquamöses Karzinom auf dem Boden eines HP [5] [6]. Außerdem wurde ein koinzidentes Auftreten eines HP und eines extramammären Morbus Paget dokumentiert [7].

Kazakov et al. [3] konnten bei 7/31 untersuchten HP (sowohl gewöhnlicher als auch metaplastischer Tumoren) humane Papillomviren (HPV) der Typen 16, 31, 33, 53 und 56 nachweisen. Die exakte Rolle der HPV ist bislang nicht geklärt.

Aufgrund des klinisch indifferenten Bildes und der Seltenheit des Tumors wird die Diagnose häufig erst nach Exzision und histologischer Aufarbeitung gestellt. Charakteristisch ist die dermale oder subkutane Lage eines zystischen, gekammerten Tumors, der keinen Bezug zur Epidermis hat und aus bizarr verzweigten Epithelzapfen besteht. Diese enthalten neben kuboiden Zellen wenig Tumorstroma und kleiden die Tumorhohlräume mit einem einreihigen Zylinderepithel aus, welches ein eosinophiles Sekret mittels apokriner Sekretion (sogenannte Dekapitationssekretion) abgibt.

Die klinischen und histologischen Differenzialdiagnosen des HP der Genitoanalregion sind in [Tab. 2] dargestellt, wir möchten nur auf die selteneren Diagnosen kurz eingehen.

Tab. 2 Klinische und histologische Differenzialdiagnosen des HP in der Genitoanalregion
Klinische Differenzialdiagnosen Histologische Differenzialdiagnosen
Epidermoidzysten Syringocystadenoma papilliferum
Noduläres Basalzellkarzinom Tubuläres apokrines Adenom
Bartholini Drüsenabszess Klarzell-Hidradenom
Analpolyp
Hämorrhoide
Perianalthrombose
Mariske

Das Basalzellkarzinom stellt in der Genitoanalregion eine Rarität dar. In einer histopathologischen Studie an 18 943 Basalzellkarzinomen befanden sich 84 (0,44 %) in dieser Region, wobei 66 % vom knotigen oder zystischen Typ waren [8]. Damit stellt das ebenfalls solitär und langsam wachsende, indolente Basalzellkarzinom eine wichtige klinische Differenzialdiagnose dar. Die korrekte histologische Diagnose und mikrografisch kontrollierte Exzision ist bei diesem Tumortyp aufgrund der Rezidivfreudigkeit sehr wichtig. Beim HP dagegen ist die einfache Exzision im Gesunden ausreichend.

Das Syringocystadenoma papilliferum stellt einen weiteren Adnextumor mit apokriner Differenzierung und eine wichtige histologische Differenzialdiagnose dar. Es handelt sich um solitäre, manchmal linear auftretende rotbraune Tumoren. Im Gegensatz zum HP treten sie jedoch bevorzugt in der Kopf-Hals-Region auf, oft auf dem Boden eines Naevus sebaceus, und stellen genitoanal eine Rarität dar. Histologisch zeigen sich bei Syringocystadenoma papilliferum mäßig gut abgegrenzte, zottenartige papilläre Tumorkonvolute in der Dermis mit Dekapitationssekretion. Diese gehen jedoch im Unterschied zum HP von der Epidermis aus und erklären die verruköse oder auch ulzerierte Tumoroberfläche. Ein gemeinsames Auftreten eines HP mit Merkmalen des Syringocystadenoma papilliferum wurde kürzlich bei einem Tumor der Vulva beschrieben [4].

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Zusammenfassung

Bei unklaren solitären Tumoren der Genitoanalregion bei Frauen ist es wichtig, das Hidradenoma papilliferum in die klinische Differenzialdiagnose einzubeziehen. In seltenen Fällen muss auch in extragenitaler Lokalisation mit dessen Auftreten gerechnet werden. Die korrekte klinische und histologische Einordnung ist zur Vermeidung weitläufiger Exzisionen infolge der eventuellen Fehldiagnose eines Malignoms unabdingbar.

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Literatur

  • 1 Handa Y, Yamanaka N, Inagaki H, Tomita Y. Large ulcerated perianal hidradenoma papilliferum in a young female.  Dermatol Surg. 2003;  29 790-792
  • 2 Minami S, Sadanobu N, Ito T, Natsuaki M, Yamanishi K. Non-anogenital (ectopic) hidradenoma papilliferum with sebaceous differentiation: A case report and review of reported cases.  J Dermatol. 2006;  33 256-259
  • 3 Kazakov D V, Mikyskova I, Kutzner H, Simpson R H, Hes O, Mukensnabl P, Bouda J, Zamecnik M, Kinkor Z, Michal M. Hidradenoma papilliferum with oxyphilic metaplasia: a clinicopathological study of 18 cases, including detection of human papillomavirus.  Am J Dermatopathol.. 2005;  27 102-110
  • 4 Nishie W, Sawamura D, Mayuzumi M, Takahashi S, Shimizu H. Hidradenoma papilliferum with mixed histopathologic features of syringocystadenoma papilliferum and anogenital mammary-like glands.  J Cutan Pathol.. 2004;  31 561-564
  • 5 Pelosi G, Martignoni G, Bonetti F. Intraductal carcinoma of mammary-type apocrine epithelium arising within a papillary hidradenoma of the vulva. Report of a case and review of literature.  Arch Pathol Lab Med. 1991;  115 1249-1254
  • 6 Bannatyne P, Elliott P, Russel P. Vulvar adenosquamous carcinoma arising in a hidradenoma papilliferum, with rapidly fatal outcome: case report.  Gynecol Oncol. 1989;  35 395-398
  • 7 Stefanato C, Finn R, Bhawan J. Extramammary paget disease with underlying hidradenoma papilliferum.  Am J Dermatopathol. 2000;  22 439-442
  • 8 Gibson G E, Ahmed I. Perianal and genital basal cell carcinoma: A clinicopathologic review of 51 cases.  J Am Acad Dermatol. 2001;  45 68-71

Dr. med. Stefanie Boms

Universitäts-Hautklinik

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Vossstraße 2

69115 Heidelberg

Email: Stefanie.Boms@med.uni-heidelberg.de

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Literatur

  • 1 Handa Y, Yamanaka N, Inagaki H, Tomita Y. Large ulcerated perianal hidradenoma papilliferum in a young female.  Dermatol Surg. 2003;  29 790-792
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  • 6 Bannatyne P, Elliott P, Russel P. Vulvar adenosquamous carcinoma arising in a hidradenoma papilliferum, with rapidly fatal outcome: case report.  Gynecol Oncol. 1989;  35 395-398
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  • 8 Gibson G E, Ahmed I. Perianal and genital basal cell carcinoma: A clinicopathologic review of 51 cases.  J Am Acad Dermatol. 2001;  45 68-71

Dr. med. Stefanie Boms

Universitäts-Hautklinik

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Vossstraße 2

69115 Heidelberg

Email: Stefanie.Boms@med.uni-heidelberg.de

Zoom Image

Abb. 1 Solitärer, prallelastischer, indolenter Tumor perianal bei 7 Uhr in Steinschnittlage.

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Abb. 2 a Tumor ohne Bezug zur Epidermis, bestehend aus zystischen Hohlräumen ausgekleidet mit Zylinderepithel. HE-Färbung (6-fache Vergrößerung). b Apokrine Sekretabschnürung (Markierung). HE-Färbung (25-fache Vergrößerung).