Der Klinikarzt 2007; 36(11): 658
DOI: 10.1055/s-2007-992915
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Thromboembolieprophylaxe - Auch bei Älteren und Adipösen wirksam und sicher

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20 December 2007 (online)

 
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Das Thromboembolierisiko wird bei hospitalisierten internistischen Patienten häufig unterschätzt. Reduzieren lässt es sich nur durch eine geeignete Prophylaxe, wie sie durch niedermolekulare Heparine (NMH) wie Dalteparin (Fragmin®) möglich ist. Diese Substanz ist auch in fortgeschrittenem Lebensalter und bei erhöhtem Body-Mass-Index (BMI) ohne Dosisanpassung effektiv einzusetzen. Wie wichtig eine ausreichende Prophylaxe tiefer Venenthrombosen ist, lässt sich an den harten Fakten ablesen: Mehr als eine halbe Million Menschen sterben in der Europäischen Union jedes Jahr an den Folgen venöser Thromboembolien (VTE), berichtete PD Nils Kucher, Zürich.

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Signifikante Reduktion von tiefen Venenthrombosen

Im operativen Bereich ist das hohe Risiko der Patienten, nach einem Eingriff eine Thromboembolie zu erleiden, unbestritten. Ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial besteht aber auch bei zahlreichen internistischen Kranken, wobei die Wahrscheinlichkeit für eine venöse Thromboembolie von verschiedenen individuellen Akut- und Basisrisiken der Patienten abhängt. Gefährdete internistische Patienten bedürfen dann ebenso wie chirurgische Risikopatienten einer geeigneten Prophylaxe und profitieren, wie Untersuchungen gezeigt haben, eindeutig von entsprechenden Maßnahmen.

In der PREVENT[1]-Studie erhielten 3706 Teilnehmer, die eine akute internistische Erkrankung sowie einen oder mehrere zusätzliche Risikofaktoren aufwiesen, 14 Tage lang entweder 5000 Einheiten Dalteparin täglich oder Placebo. Unter Verum lag die Rate klinisch relevanter venöser Thromboembolien bei 2,77 %, in der Kontrollgruppe dagegen war die Rate mit 4,96 % deutlich höher. Dies entspricht einer hochsignifikanten relativen Reduktion der Thromboembolierate unter der Dalteparinprophylaxe um 45 %.

Schwere Blutungen traten in beiden Gruppen äußerst selten auf; ein signifikanter Unterschied der Blutungsraten war zwischen den beiden Studienarmen nicht festzustellen (0,49 % unter Verum, 0,16 % unter Placebo). Auch die Mortalität war in beiden Studiengruppen mit 2,35 bzw. 2,32 % ähnlich hoch.

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Adipositas und Alter erfordern keine Dosisanpassung

Angesichts der Tatsache, dass unter den durch venöse Thromboembolien gefährdeten Patienten in steigendem Maß Ältere und Übergewichtige anzutreffen sind, stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen eine Dosisanpassung des zur Prophylaxe verwendeten Dalteparins erforderlich ist. Dem ging Kucher in einer Subgruppenanalyse der PREVENT-Studie nach und wertete die Daten von Kranken in fortgeschrittenem Lebensalter (≥ 75 Jahre) bzw. mit Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2 bei Männern, ≥ 28,6kg/m2 bei Frauen) im Unterschied zu jüngeren Studienteilnehmern bzw. Normalgewichtigen aus.

Demnach wirken sich weder das Alter noch der Body-Mass-Index auf die Effektivität von Dalteparin bei den akut erkrankten internistischen Patienten aus. Eine Ausnahme waren lediglich extrem Adipöse mit einem Body-Mass-Index von mindestens 40 kg/m2. Auch auf die Blutungsrate, die Mortalitätsrate und die Inzidenz von Thrombozytopenien hatten weder der Faktor Alter noch das Gewicht der Patienten einen Einfluss. Eine fixe Dosierung von Dalteparin (5000 I.E./Tag) ist deshalb, so Kucher, auch bei älteren und übergewichtigen Hochrisikopatienten wirksam und sicher.

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Elektronische Warnsysteme verbessern Prophylaxe

So weit so gut. Doch etwa die Hälfte der internistischen Patienten mit hohem VTE-Risiko erhalten - dies dokumentieren Daten aus verschiedenen europäischen Ländern - keine adäquate Prophylaxe. Die Ursachen für diese Mangelversorgung sind nach Ansicht Kuchers vielfältig. So nehmen noch immer viele Mediziner die Thromboemboliegefahr internistischer Patienten oft gar nicht als Problem wahr oder sie sind der Meinung, die Prophylaxe wäre in dieser Situation nicht sehr effektiv. Außerdem existieren bei den Internisten noch immer Bedenken wegen möglicher Blutungskomplikationen. All dies jedoch sind, wie man seit einiger Zeit weiß, unbegründete Sorgen. Hinzu kommt, dass die Richtlinien riesige und umfassende Werke sind, deren Umsetzung im klinischen Alltag als schwierig empfunden wird.

Zu einer Verbesserung der momentanen Situation könnten elektronische Warnsysteme beitragen. Kucher berichtete in diesem Zusammenhang über eine prospektive Untersuchung bei internistischen Patienten, in der ein elektronischer Anamnesebogen zum Einsatz kam. Anhand der abgefragten Akut- und Basisrisiken ermittelte ein Computerprogramm das Risikoprofil des Kranken und verlangte in den entsprechenden Fällen eine Entscheidung des Arztes über eine Verordnung prophylaktischer Maßnahmen. Auf diese Weise gelang es, die Rate an venösen Thromboembolien um 41 % zu senken. Die einmalige Warnung zog also einen großen positiven Effekt nach sich.

Laut Kucher wäre es sinnvoll, in Krankenhäusern solche individualisierten und an die jeweiligen Gegebenheiten angepassten Systeme einzuführen, um so die Thromboembolieprophylaxe zu optimieren und individuell auf die einzelnen Patienten auszurichten. Zumindest sollte sich jede Klinik Gedanken machen, wie sich das Ziel einer adäquaten Versorgung intern am besten erreichen lässt.Laut Kucher wäre es sinnvoll, in Krankenhäusern solche individualisierten und an die jeweiligen Gegebenheiten angepassten Systeme einzuführen, um so die Thromboembolieprophylaxe zu optimieren und individuell auf die einzelnen Patienten auszurichten. Zumindest sollte sich jede Klinik Gedanken machen, wie sich das Ziel einer adäquaten Versorgung intern am besten erreichen lässt.

Quelle: Symposium "Niedermolekulare Heparine beim Risikopatienten" anlässlich der 51. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), unterstützt von der Pfizer GmbH, Karlsruhe

Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte

1 Prevention of REcurrent VENous Thromboembolism

1 Prevention of REcurrent VENous Thromboembolism