Der Klinikarzt 2007; 36(11): 648
DOI: 10.1055/s-2007-992909
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Schwere bakterielle Infektionen - Frühzeitig therapieren und Resistenzen beachten

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Publication Date:
20 December 2007 (online)

 
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Antibiotikaresistente Erreger sind - nicht nur nach Ansicht von PD Thomas A. Wichelhaus, Frankfurt, - ein weltweites Problem, das mit einer Zunahme der Letalität und auch mit erhöhten Kosten assoziiert ist. Eine wesentliche Rolle bei nosokomialen Infektionen spielen methicillinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme (MRSA), deren Prävalenz in Deutschland mittlerweile bei 22,6 % liegt.

Darüber hinaus treten MRSA-Erkrankungen inzwischen sogar außerhalb und völlig unabhängig von Krankenhäusern auf. Hier kommt erschwerend hinzu, dass diese ambulant erworbenen ("community acquired") MRSA-Infektionen einen besonderen Virulenzfaktor besitzen, nämlich ein Gen für das Toxin Leukozidin. Beschrieben sind außerdem MRSA-Stämme mit einer verminderten Empfindlichkeit gegen Glykopeptide wie Vancomycin (Glykopeptid-intermediär-empfindliche MRSA = GISA) sowie vancomycinresistente Staphylococcus-aureus-Stämme (VRSA).

Vancomycinresistente Enterokokken (VRE) zählen ebenfalls zu den "Problemkeimen" und sind in Deutschland seit 2003 immer häufiger zu beobachten. Eine weitere, zusätzliche Bedrohung sind Breitspektrum-Betalaktamasen-Bildner (ESBL), die man zum Beispiel unter E.-coli-, Klebsiella- und Enterobacter-Spezies findet. Zu beachten ist außerdem das weltweite Auftreten multiresistenter Pseudomonas- und Acinetobacter-Stämme.

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Pharmakodynamik spielt eine wesentliche Rolle

Wenn es darum geht, nosokomiale Infektionen mit solchen "Problemkeimen" effektiv zu behandeln, ist die initiale adäquate Antibiotikatherapie von größter Bedeutung. "Was initial falsch gemacht wird, lässt sich zu einem späteren Zeitpunkt nur sehr schwer korrigieren", betonte Prof. Franz-Josef Schmitz, Minden. Er riet, die Entscheidung für eine bestimmte Strategie an folgenden Fragen auszurichten:

  • Handelt es sich um eine rekurrierende Erkrankung?

  • Wurde der Patient vorbehandelt?

  • Ist der Patient bereits älter?

  • Weist er Funktionseinschränkungen von Organen auf?

Je öfter die Antwort auf diese Fragen "Ja" lautet, desto breiter muss die Behandlung erfolgen. Darüber hinaus gilt es, sowohl die Pharmakokinetik als auch die Pharmakodynamik der eingesetzten Substanz(en) zu beachten. Denn der Behandlungserfolg hängt davon ab, inwieweit ausreichende Konzentrationen am Infektionsort erreicht und über die Zeit aufrechterhalten werden. Bei einigen Antibiotika ist es dabei das entscheidende Kriterium, wie lange der Serumspiegel oberhalb der minimalen Hemmkonzentration (MHK) liegt, bei anderen ist das Verhältnis von AUC ("area under the curve") zur MHK ausschlaggebend.

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Auf der Intensivstation: Wann eignet sich welches Antibiotikum?

Eine adäquate Behandlung ist insbesondere bei schweren Infektionen auf der Intensivstation notwendig - ein weltweites Problem mit steigender Tendenz. Denn trotz der unzweifelhaft vorhandenen, medizinischen Fortschritte erhöht sich in diesen Fällen auch die Mortalität. In Deutschland liegt sie bei etwa 55 %, erläuterte Prof. Dr. Eckhard Müller, Bochum. Entscheidend für den Verlauf sei die frühzeitige Therapie (innerhalb der ersten 24 Stunden!) mit hochwirksamen Substanzen (Abb. [1]).

Bei einer intensivpflichtigen Early-onset-Pneumonie komme man mit einem schmalen Antibiotikaregime aus. Neuere Daten belegen jedoch einen erheblichen Überlebensvorteil, wenn statt einer Monotherapie eine Kombination aus Betalaktamantibiotikum plus Fluorchinolon oder Azithromycin eingesetzt wird. Diese Erkenntnis ist aber bisher in der klinischen Medizin noch nicht weit verbreitet.

Bei schweren Infektionen in der Spätphase empfehlen die Richtlinien die Anwendung von Cephalosporin, Aminopenicillin oder Carbapenem plus Fluorchinolon bzw. Aminoglykosid. Daten jedoch, die einen Vorteil für die zusätzliche Gabe des Aminoglykosids belegen, gibt es nicht. Beim Einsatz von Fluorchinolonen als Kombinationspartner ist im Fall abdomineller Infektionen die Resistenzentwicklung im E.-coli-Bereich zu beachten, sodass in solchen Fällen wieder eine Monotherapie indiziert sein könnte.

Liegt dagegen auf der Station die MRSA-Prävalenz bei über 20 % - die Resistenzsituation in der eigenen Klinik sollte bei der Wahl des Antibiotikums immer mitberücksichtigt werden -, ist eine initiale Gabe von Vancomycin oder Linezolid indiziert. Bei MRSA-bedingter beatmungsassoziierter Pneumonie belegte eine Studie eine signifikante Überlegenheit von Linezolid im Vergleich zu Vancomycin.

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Abb.1 Erhöhte Mortalität bei initial inadäquater Antibiose

Quelle: Symposium "Multiresistente Erreger - Eine mikrobiologische und klinische Herausforderung" im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), unterstützt von der Pfizer GmbH, Karlsruhe

Dr. Margarete Steinhorst, Mosbach

 
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Abb.1 Erhöhte Mortalität bei initial inadäquater Antibiose