Rofo 2007; 179(12): 1289-1292
DOI: 10.1055/s-2007-992896
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Radiologie und Recht - Die radiologische Zweigpraxis nach dem VÄndG - nunmehr auch in gesperrten Planungsbereichen möglich?

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Publication Date:
27 November 2007 (online)

 
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Anmerkung zu zwei Entscheidungen des Sozialgerichts Marburg[1]

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Einleitung

Vor Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) zum 01.01.2007 konnte der Radiologe außerhalb des eigenen Vertragsarztsitzes (konkrete Praxisanschrift) an einem weiteren Tätigkeitsort nur dann Sprechstunden anbieten und radiologische Leistungen erbringen, wenn diese so genannte Zweigpraxis[2] erforderlich war, um eine ausreichende radiologische Versorgung gesetzlich versicherter Patienten sicherzustellen[3] und diese Zweigpraxis in demselben KV-Bezirk lag. Dabei war von einer ausreichenden Sicherstellung in überversorgten Planungsbereichen auszugehen, so dass die Zweigpraxis des Radiologen nicht erforderlich war, um die Versorgung sicherzustellen und daher nach altem Recht die notwendige Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung nicht (zumindest nicht rechtmäßiger Weise) erteilt werden konnte.

Im Zuge des VÄndG wurde jedoch die nunmehr für Zweigpraxen einschlägige Rechtsgrundlage des § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) dahingehend geändert, dass vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zulässig sind, wenn und soweit

  1. dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und

  2. die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird.

Neu ist, dass die Zweigpraxis nicht mehr zwingend in demselben KV-Bezirk wie der Vertragsarztsitz liegen muss, sondern sie kann auch in einem anderen KV-Bezirk gelegen sein. Im ersten Fall hat der Radiologe bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung einen Rechtsanspruch auf Genehmigung und im zweiten Fall einen Rechtsanspruch auf Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss des KV-Bezirkes, wo die Zweigpraxis gegründet wird.

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Keine Beeinträchtigung der Versorgung am Vertragsarztsitz des Radiologen

Weniger Probleme bereitet die oben unter 2. genannte Voraussetzung, wonach die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt werden darf. Denn insoweit hat es durch die Partner des Bundesmantelvertrages für Ärzte (BMV-Ä)[4] im BMV-Ä eine Konkretisierung gegeben. Hiernach wird die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes dann nicht beeinträchtigt, wenn der Radiologe 20 Stunden am Hauptsitz präsent ist, wobei hiermit die Sprechstundenzeiten gemeint sind. Bei einem Teilversorgungsauftrag[5] reduziert sich die Präsenzpflicht auf 10 Stunden.[6] Der Vertragsarzt (Radiologe) muss die Präsenszeiten nicht zwingend in eigener Person einhalten, sondern kann diese auch durch einen angestellten Arzt erfüllen. Für die Zweigpraxis bzw. die Zweigpraxen bestehen keine konkreten Zeitvorgaben. Entscheidend ist nur, dass die Zeit in der Zweigpraxis die Zeit am Vertragsarztsitz des Radiologen nicht überschreitet, d.h. bei einer Vollzulassung dürfte der Radiologe bzw. ein angestellter Arzt maximal 19 Stunden in der Zweigpraxis Sprechstunden abhalten.

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Verbesserung der Versorgung am Ort der radiologischen Zweigpraxis

Schwierigkeiten treten jedoch bei der Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die radiologische Versorgung durch den Betrieb der Zweigpraxis an diesem Ort "verbessert" wird. Dabei ist eine Verbesserung in quantitativer Hinsicht (Anzahl), aber auch in qualitativer Hinsicht begründbar. Der Radiologe muss dabei gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. dem Zulassungsausschuss im Einzelnen begründen, warum eine solche Verbesserung eintreten wird. Die Neuregelung soll ausweislich der Gesetzesbegründung zum VÄndG "für den Vertragsarzt die durch den 107. Deutschen Ärztetag 2004 in § 17 Abs. 2 MBO-Ä vorgenommene Lockerung der Bindung des Arztes an seinen Vertragsarztsitz nachvollziehen".[7] Mithin soll den Vertragsärzten damit die Möglichkeit gegeben werden, unter "vereinfachten Bedingungen" neben ihrem Hauptsitz eine Zweigpraxis zu eröffnen, um (auch) dort abrechnungsfähige medizinische Leistungen erbringen zu können. Die eigentliche "Vereinfachung" soll dabei in dem Umstand liegen, dass es auf Grund der jetzigen Gesetzesformulierung keines Nachweises einer "Versorgungs-/ Bedarfslücke" mehr bedarf. Es soll daher im Folgenden unter Heranziehung zweier Entscheidungen des Sozialgerichts Marburg der Frage nachgegangen werden, ob eine Zweigpraxis anlässlich der Gesetzesänderung auch im gesperrten Planungsbereich eröffnet werden kann und worin genau die "Vereinfachungen" des Gesetzgebers im Vergleich zur alten Rechtslage liegen.

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I. Entscheidungen des Sozialgerichts Marburg

Mit einem derartigen "Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis" befasste sich das Sozialgericht (SG) Marburg nunmehr bereits in zwei Fällen[8], wobei die dort getroffenen rechtlichen Ausführungen letztlich allerdings daran zweifeln lassen, ob das VÄndG im Verhältnis zur alten Rechtslage tatsächlich eine maßgebliche Modifikation für den niedergelassenen Radiologen darstellt.

1. In dem Urteil vom 07.03.2007 ging es um die Klage eines hausärztlichen Internisten gegen die Kassenärztliche Vereinigung, die ihm zunächst eine Genehmigung für eine Zweigpraxis erteilt hatte, ihm diese jedoch aufgrund eines Widerspruchs gegen diese Genehmigung, eingelegt durch eine Fachärztin für Allgemeinmedizin, wieder entzogen hatte. Dabei führte die Kassenärztliche Vereinigung eine Befragung der im Umfeld der Zweigpraxis tätigen Ärzte durch, nahm eine Bedarfsprüfung vor und hob die Genehmigung auf. Das Gericht entschied, dass der hausärztliche Internist keinen Anspruch auf die Genehmigung seiner Zweigpraxis hat und verwies darauf, dass die Zweigpraxis in einem überversorgten großstädtischen Planungsbereich liegen soll und in diesem Fall weder nach der alten Rechtslage noch nach Inkrafttreten des VÄndG der ("vereinfachten Bedingungen" (!)) die Voraussetzungen für die Genehmigung vorlagen. Mit anderen Worten kam das Sozialgericht unter Verweis auf die Bedarfsplanung (sprich Überversorgung) zu dem Ergebnis, dass weder nach altem Recht noch nach neuem Recht ein Genehmigungsanspruch des Vertragsarztes besteht. Daran wird deutlich, dass das VÄndG eine Veränderung der Rechtslage in überversorgten Planungsbereichen nicht bewirkt hat, weil dort eine Verbesserung der Versorgung - soweit es um die quantitative Versorgung geht - nicht denkbar ist. Zwar machte das Sozialgericht deutlich, dass nach der neuen Rechtslage "zwar geringere Bedarfsgesichtspunkte" gefordert werden, weil ja nunmehr statt einer "Erforderlichkeit" lediglich eine "Verbesserung" der Versorgung gefordert wird. Der Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Recht bestünde eben darin, dass nach altem Recht die Bedarfslücke zwingend zu schließen gewesen sein muss ("erforderlich") und nach neuem Recht die "Verbesserung" wenigstens in dem Sinne zu verstehen sei, dass eine "Bedarfslücke" (in quantitativer oder qualitativer Hinsicht) besteht, die zwar nicht unbedingt (das wäre "erforderlich") geschlossen werden muss, aber doch nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführt. Diese unterschiedliche Rechtslage führt jedoch nach der Auffassung des Sozialgerichtes nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf das Vorliegen eines Genehmigungsanspruches, sofern ein überversorgter Planungsbereich vorliegt, weil in einem solchen Gebiet eine (quantitative) Verbesserung der Versorgung nicht denkbar ist. Ein Genehmigungsanspruch kommt allenfalls dann in Betracht, wenn zwar rein rechnerisch eine Überversorgung besteht, jedoch in bestimmten lokalen Bereichen des Planungsgebietes Raum für eine Genehmigung besteht, weil z.B. in diesen Bezirken keine hinreichende Verkehrsanbindung besteht, die es ermöglicht einige Kilometer in benachbarte Stadteile zu fahren.

2. In dem Fall, der dem später am 27.08.2007 erlassenen Beschluss des Sozialgerichts Marburg zugrunde lag, begehrte ein Vertragszahnarzt, welcher mit einem ebenfalls zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, eine Gemeinschaftspraxis bildete, die Genehmigung einer (bereits zweiten) Zweigpraxis. Sie führten zur Begründung aus, dass es in der Umgebung an einem Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie fehle, welcher die gleichen Leistungen wie sie erbringe, so dass die Versorgung der Versicherten verbessert werde. Zudem verwiesen sie darauf, dass sie den Schwerpunkt "Kinderzahnheilkunde", der anderweitig nicht angeboten werde, hätten. Das Gericht verneinte einen Anspruch auf Genehmigung der Zweigpraxis und verwies dabei auf die schon in dem Urteil vom 07.03.2007 getroffene Argumentation. Darüber hinaus konkretisierte es in diesem Fall weiter seine Rechtsauffassung, wann eine Verbesserung der Versorgung vorliegt.

Das Gericht verweist darauf, dass eine Verbesserung der Versorgung nur dann vorliegen kann, wenn die örtlichen Leistungserbringer das Leistungsangebot des Zweigpraxisbewerbers nicht oder nicht im erwünschten Umfang erbringen. Heranzuziehen seien die Faktoren ähnlich der weiteren Bedarfsdeckung durch eine Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung (z. B. der Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen). Für den Fall, dass eine Unterversorgung vorliegt, trage eine Zweigpraxis regelmäßig zur Verbesserung der Versorgung bei. Es könne aber nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Zweigpraxis das Versorgungsangebot schon unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert".

Wie das Gericht innerhalb dieses Beschlusses aber auch ausführt, existiert im Gegensatz zum Bundesmantelvertrag-Ärzte im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) in § 6 Abs. 6 eine Definition für die Verbesserung der Versorgung. Dort heißt es:

"Eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten im Sinne von Satz 1 liegt insbesondere dann vor, wenn in dem betreffenden Planungsbereich eine bedarfsplanungsrechtliche Unterversorgung vorliegt. Eine Verbesserung ist in der Regel auch dann anzunehmen, wenn unabhängig vom Versorgungsgrad in dem betreffenden Planungsbereich regional bzw. lokal nicht oder nicht im erforderlichen Umfange angebotene Leistungen im Rahmen der Zweigpraxis erbracht werden und die Versorgung auch nicht durch andere Vertragszahnärzte sichergestellt werden kann, die räumlich und zeitlich von den Versicherten mit zumutbaren Aufwendungen in Anspruch genommen werden können. Dies gilt auch, wenn in der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten werden, die im Planungsbereich nicht im erforderlichen Umfang angeboten werden. (...)"

Unter Heranziehung dieser Grundsätze konnte das Gericht keine (quantitativen) Umstände erkennen, die nach der Begründung der Zahnärzte die Versorgung am Ort der Zweigpraxis verbessert hätten. Ferner verwies es darauf, dass allein die Behauptung, der Schwerpunkt der Leistungen liege in einem Bereich, den die anderen niedergelassenen Vertrags(zahn-)ärzte nicht abdecken, nicht ausreiche. Dabei war für das Gericht ausschlaggebend, dass die Weiterbildungsordnung bei den Zahnärzten keine besondere Ausbildung im Bereich der Kinderzahnheilkunde kennt. Insofern unterstellte das Gericht, dass jeder niedergelassene Vertragszahnarzt kinderzahnheilkundliche Leistungen in (qualitativ) gleichwertiger Weise erbringt.

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II. Beurteilung der neuen Rechtslage

Wie bereits ausgeführt kann eine Verbesserung der Versorgung in quantitativer oder in qualitativer Hinsicht eintreten.

Der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Marburg ist zuzustimmen, soweit dieses im Hinblick auf eine quantitative Versorgungsverbesserung darauf verweist, dass nicht darauf abgestellt werden kann, dass jede weitere Eröffnung einer Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Denn wenn man dies annimmt, so lässt sich nicht erklären, warum der Gesetzgeber dann überhaupt das Merkmal der "Verbesserung" in die Ärzte-ZV aufgenommen hat, denn dies wäre bei einem solchen Verständnis nicht notwendig gewesen, weil die Voraussetzung der "Verbesserung" letztlich ohne Inhalt geblieben wäre. Insofern steht fest, dass "Verbesserung" mehr meint. Bedarfsplanungsgesichtspunkte können daher denknotwendig bei der Beurteilung der quantitativen Versorgungsverbesserung nicht außer Betracht bleiben, weil hier ja gerade nach dem Umfang der bereits existierenden Versorgung in rechnerischer Hinsicht zu fragen ist, da nur dann beurteilt werden kann, ob in zahlenmäßiger (quantitativer) Hinsicht noch eine Versorgungsverbesserung möglich ist. Es spielt daher eine Rolle, wie viele Vertragsärzte je Arztgruppe auf wie viele Einwohner kommen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Bedarfsplanung als abschließendes Moment zu betrachten ist. Sie ist also kein ausschließliches Kriterium, sondern ihr kommt indizielle Wirkung zu. Daher ist auch in den Fällen einer festgestellten radiologischen Überversorgung (gesperrter Planungsbereich, also wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 % überschritten wird) denkbar, dass durch eine weitere Zweigpraxis die Versorgung in dem Planungsbereich quantitativ verbessert wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Überversorgung lediglich rein rechnerisch besteht, in bestimmten lokalen Bereichen des gesperrten Planungsbereiches (insbesondere bei großräumigen Planungsbereichen denkbar) jedoch die Versorgung quantitativ noch verbessert werden kann, weil die Leistungen der betreffenden Arztgruppe in bestimmten Regionen nicht oder nicht in erforderlichem Umfang erbracht werden. Dabei erscheint es zutreffend, auf die Gesichtspunkte ähnlich der Prüfung bei Ermächtigungen und Sonderbedarfszulassungen abzustellen. Denn wenn schon die Voraussetzungen für eine Ermächtigung bzw. Sonderbedarfszulassung vorliegen, dann müssen erst recht die Genehmigungsvoraussetzungen der Zweigpraxis gegeben sein, weil für die Zweigpraxis geringere Voraussetzungen - eben nur die "Versorgungsverbesserung" - gefordert werden (so auch das Sozialgericht Marburg). Es wird daher die kilome-termäßige Entfernung und die Art der öffentlichen Verkehrsanbindung in benachbarte Stadtteile zu prüfen sein, also ob es dem Versicherten zuzumuten ist zu weiter entfernten Radiologen zu fahren. Ferner ist die Bevölkerungsstruktur relevant (Morbidität), d.h. der tatsächliche Bedarf an den Leistungen, die in der Zweigpraxis angeboten werden sollen (Wartezeiten). Diese Rechtsauffassung deckt sich mit der Definition im BMV-Z[9]0, die klarstellt, dass auch unabhängig vom Versorgungsgrad eine Verbesserung der Versorgung bei regionalen Besonderheiten denkbar ist.

In den Fällen, wo der Versorgungsgrad über den Punkt der bedarfsgerechten Versorgung hinausgeht, aber Überversorgung noch nicht eingetreten ist (also zwischen 100 % und 110 %) gelten die Ausführungen wie gerade. Das heißt, grundsätzlich ist eine Verbesserung nicht möglich, da faktisch mit dem Erreichen der 100%-Grenze keine weitere Optimierung erfolgen kann, es sei denn es gibt regional wegen ungleichmäßiger Verteilung der Radiologen noch quantitativen Versorgungsbedarf.

Eine Unterversorgung wird vermutet, wenn der Stand der radiologischen Versorgung den ausgewiesenen Bedarf um mehr als 50 % unterschreitet. Das bedeutet, wenn die Unterschreitung des ausgewiesenen Bedarfs nicht über 50 % liegt und der bedarfsgerechte Versorgungsgrad noch nicht erreicht ist (also zwischen 50 % und 99,9 %), wird eine Unterversorgung noch nicht vermutet, eine bedarfsgerechte Versorgung liegt jedoch auch noch nicht vor. In diesen Fällen wird man von einer Verbesserung der Versorgung immer ausgehen müssen, weil rein rechnerisch der bedarfsgerechte Versorgungsgrad nicht erreicht ist und daher eine "Verbesserung" immer gegeben ist. Gleiches gilt dann natürlich (erst recht) für den Fall, dass Unterversorgung vermutet bzw. eingetreten ist. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Regelung im BMV-Z, wo es heißt, dass eine Verbesserung insbesondere dann vorliegt, wenn eine Unterversorgung vorliegt.[10]1 Hierauf verweist auch das Sozialgericht Marburg, führt jedoch dann im Widerspruch zu den eigenen Ausführungen aus, dass "im Fall einer Unterversorgung eine Zweigpraxis regelmäßig zur Versorgungsverbesserung beiträgt, es sei denn dass gerade am Sitz der Zweigpraxis eine ausreichende Versorgung besteht". Dies kann nicht überzeugen, weil in den Fällen, wo der bedarfsgerechte Versorgungsgrad von 100 % nicht erreicht wird, unabhängig von der regionalen Versorgungsstruktur in bestimmten Teilgebieten eines Planungsbereiches immer eine Verbesserung der Versorgung eintritt, wenn eine Zweigpraxis eröffnet wird.

Eine Verbesserung der Versorgung in qualitativer Hinsicht ist unabhängig von bedarfsplanungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beantworten. Auch in gesperrten Planungsbereichen besteht daher ein Anspruch des Radiologen auf Genehmigung seiner Zweigpraxis, wenn er begründen kann, dass er einen besonderen qualitativen Bedarf abdeckt, der so in dem Planungsbereich nicht oder nicht in ausreichendem Umfang erfüllt wird. Dabei wird regelmäßig eine Orientierung an der Weiterbildungsordnung der Ärzte erfolgen. So weist das Sozialgericht Marburg darauf hin, dass allein der Vortrag man habe eine bestimmte schwerpunktmäßige Tätigkeit (in dem Fall war es die Kinderzahnheilkunde) nicht ausreicht. Denn es wird zumindest grundsätzlich so sein, dass für den Fall, dass bestimmte Leistungen, mit denen der Vertragsarzt den qualitativen Bedarf begründet, weiterbildungsrechtlich nicht abgebildet sind, die Genehmigung der Zweigpraxis nicht erteilt werden wird. Dies hat seinen Grund darin, dass gewissermaßen vermutet wird, dass jeder niedergelassene Vertragsarzt die Bereiche seiner fachärztlichen Ausbildung in gleicher Weise erfüllt. Insofern wird es für ein auf speziellen Kenntnissen beruhendes besonderes Behandlungsangebot von Vorteil sein, dass diese weiterbildungsrechtlich erfasst ist. Bei Radiologen sind anerkannte Schwerpunktbezeichnungen die Kinderradiologie und die Neuroradiologie. So hat z.B. das Landessozialgericht NRW mit Urteil vom 28.02.2007 (Az.: L 11 KA 82/06) entschieden, dass ein besonderer qualitativer Bedarf für die Kinderradiologe besteht, so dass eine Sonderbedarfzulassung an den betreffenden Kinderradiologen zu erteilen war. Denn die besonderen Fertigkeiten der Kinderradiologie werden nicht in der Erwachsenenradiologieausbildung vermittelt, sondern nur im Rahmen der Schwerpunktbezeichnung Kinderradiologie. Wenn schon die Voraussetzungen für eine Sonderbedarfszulassung vorliegen, dann erst recht für die Genehmigung einer Zweigpraxis, weil hier geringere Anforderungen gestellt werden ("Verbesserung"). Ein qualitativer Versorgungsbedarf lässt sich darüber hinaus damit begründen, dass in der Zweigpraxis spezielle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten werden.[10]

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Fazit

Der ursprüngliche Aufschrei, man könne nun auch in gesperrten Planungsbereichen unbeschränkt Zweigpraxen[11]3 gründen, weil jede Zweigpraxis schon aufgrund der erweiterten freien Arztwahl eine Verbesserung der Versorgung in quantitativer Hinsicht herbeiführe, lässt sich wie dargestellt nicht halten. In gesperrten Planungsbereichen kommt aus quantitativen Gründen nur in den dargestellten Ausnahmefällen eine Genehmigung der Zweigpraxis in Betracht (ungleichmäßige Verteilung, besonderer lokaler Bedarf). Dies war jedoch auch schon nach altem Recht als Ausnahme anerkannt. Im Ergebnis lässt sich jedoch die Neuregelung nur schwer in klar formulierbaren praktischen Ergebnissen als Neuheit erfassen. In qualitativer Hinsicht dürfte sich die Neuregelung eher auswirken, weil schon jede qualitative Verbesserung ausreicht, um einen Genehmigungsanspruch zu haben. Wichtig ist hier jedoch, dass der Radiologe substantiiert darstellt, warum er aufgrund welcher speziellen Kenntnisse ein besonderes Behandlungsangebot hat und dass dieses von anderen niedergelassenen Radiologen so oder nicht in dem Umfang angeboten wird. Einfach nur der pauschale Verweis in einem bestimmten Bereich schwerpunktmäßig tätig zu sein, wird nicht ausreichen, insbesondere dann nicht, wenn eine besondere weiterbildungsrechtliche Anerkennung nicht gegeben ist.

Bevor man sich mit dem Gedanken trägt, eine Zweigpraxis zu gründen, wird sich die Frage stellen, ob diese finanziell tragbar ist. Wer bereits an seinem Vertragsarztsitz mit seinen Leistungen sein Abrechnungsbudget voll ausschöpft, wird dabei mit der Eröffnung einer Zweigpraxis möglicherweise keinen weiteren finanziellen Vorteil erlangen bzw. allenfalls im Hinblick auf die Gewinnung von Privatpatienten. Denn ein zusätzliches GKV-Abrechnungsbudget erlangt der Radiologe durch die Zweigpraxis nicht.

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Literatur

01 Urteil vom 07.03.2007, Az.: S 12 KA 701/06; Beschluss vom 27.08.2007, Az.: S 12 KA 374/07 ER.

02 Der Begriff der "Zweigpraxis" ist deckungsgleich mit dem Begriff der "Filiale". Es wird im folgenden in Anlehnung an § 1a Nr. 19 BMV-Ä (Glossar) der vertragsärztliche Begriff der "Zweigpraxis" verwandt.

03 § 15 a Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä i.d.F. vor Inkrafttreten des VÄndG.

04 Der Bundesmantelvertrag wird zwischen den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossen. Die durch das VÄndG vorgenommenen Änderungen sind im BMV-Ä umgesetzt worden, so dass dieser in seiner aktuellen Fassung zum 01.07.2007 in Kraft getreten ist.

05 Seit Inkrafttreten des VÄndG ist auch eine sog. Teilzulassung möglich, d.h. der Versorgungsauftrag wird auf eine halbe Zulassung beschränkt. Damit verringert sich dann auch das Budget um die Hälfte. In der Bedarfsplanung wird der Arzt mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt.

06 Zu den Präsenszeiten siehe § 17 Abs. 1a BMV-Ä.

07 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundestag-Drucksache 16/2474 vom 30.08.2006.

08 Urteil vom 07.03.2007, Az.: S 12 KA 701/06; Beschluss vom 27.08.2007, Az.: S 12 KA 374/07 ER.

09 § 6 Abs. 6 BMV-Z.

10 So auch ausdrücklich in § 6 Abs. 6 BMV-Z.

11 Dabei ist zu beachten, dass die nicht rechtsverbindliche Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) maximal zwei Zweigpraxen erlaubt (§ 17 Abs. 2). Es ist daher zu prüfen, wie diese Regelung auf der Ebene der Landesärztekammern rechtsverbindlich umgesetzt worden ist.

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Literatur

01 Urteil vom 07.03.2007, Az.: S 12 KA 701/06; Beschluss vom 27.08.2007, Az.: S 12 KA 374/07 ER.

02 Der Begriff der "Zweigpraxis" ist deckungsgleich mit dem Begriff der "Filiale". Es wird im folgenden in Anlehnung an § 1a Nr. 19 BMV-Ä (Glossar) der vertragsärztliche Begriff der "Zweigpraxis" verwandt.

03 § 15 a Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä i.d.F. vor Inkrafttreten des VÄndG.

04 Der Bundesmantelvertrag wird zwischen den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossen. Die durch das VÄndG vorgenommenen Änderungen sind im BMV-Ä umgesetzt worden, so dass dieser in seiner aktuellen Fassung zum 01.07.2007 in Kraft getreten ist.

05 Seit Inkrafttreten des VÄndG ist auch eine sog. Teilzulassung möglich, d.h. der Versorgungsauftrag wird auf eine halbe Zulassung beschränkt. Damit verringert sich dann auch das Budget um die Hälfte. In der Bedarfsplanung wird der Arzt mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt.

06 Zu den Präsenszeiten siehe § 17 Abs. 1a BMV-Ä.

07 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Bundestag-Drucksache 16/2474 vom 30.08.2006.

08 Urteil vom 07.03.2007, Az.: S 12 KA 701/06; Beschluss vom 27.08.2007, Az.: S 12 KA 374/07 ER.

09 § 6 Abs. 6 BMV-Z.

10 So auch ausdrücklich in § 6 Abs. 6 BMV-Z.

11 Dabei ist zu beachten, dass die nicht rechtsverbindliche Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) maximal zwei Zweigpraxen erlaubt (§ 17 Abs. 2). Es ist daher zu prüfen, wie diese Regelung auf der Ebene der Landesärztekammern rechtsverbindlich umgesetzt worden ist.

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