Der Klinikarzt 2007; 36(10): 596
DOI: 10.1055/s-2007-991602
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auf dem Weg zur Prophylaxe - Vielversprechender neuer Ansatz in der Behandlung von Patienten mit Hemmkörper-Hämophilie

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Publication Date:
31 October 2007 (online)

 
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Wenn man heute von einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität bei Hämophiliepatienten spricht, meint man eigentlich nur die Gruppe der Bluter ohne Hemmkörperbildung. Sogenannte Hemmkörper-Patienten konnten von den Fortschritten in der orthopädischen Chirurgie und Prophylaxe bislang nicht profitieren, nicht nur weil hier die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt sind, sondern auch, weil jede Intervention mit einem zusätzlichen Blutungsrisiko verbunden ist. Aber auch Patienten mit Hemmkörper-Hämophilie mit Zielgelenken oder multiplen schweren Blutungsepisoden könnten von einer prophylaktischen Gabe des rekombinanten Faktors VIIa (rFVIIa) profitieren, das zeigten erste Fallberichte [1], [4].

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Lang wirksame Hämostase auch bei Hemmkörper-Hämophilie möglich

Jetzt hat sich das Potenzial der rFVIIa-Prophylaxe bei Hemmkörperpatienten auch in einer prospektiven randomisierten Studie bestätigt [3]. Insgesamt 22 Patienten mit schwerer Hemmkörper-Hämophilie und häufigen Blutungen (≥4/Monat) wurden hier in zwei Studienarme randomisiert und erhielten drei Monate lang eine rFVIIa-Therapie, entweder in einer Dosierung von 90 µg/ kgKG oder 270 µg/kgKG täglich.

Während dieser prophylaktischen Gabe des rekombinanten Faktors VIIa verringerte sich die Blutungsfrequenz in beiden Studiengruppen (Abb. [1]) und zwar um 45 % unter der niedrigen rFVIIa-Dosierung und sogar um 59 % unter 270µg/kgKG rFVIIa - ein Ergebnis, das sich in einer signifikant geringeren Zahl an Krankenhauseinweisungen und Ausfalltagen von Schule oder Arbeit niederschlug. Die meisten Effekte der im Rahmen der Studie übrigens gut verträglichen rFVIIa-Sekundärprophylaxe hielten auch während einer dreimonatigen Nachbeobachtungsphase an. Auch dann waren noch weniger Blutungen zu verzeichnen als vor der Randomisierung (90 µg/kgKG rFVIIa: relative Risikoreduktion 27 % bzw. 270 µg/kgKG rFVIIa: relative Risikoreduktion 50 %).

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Abb. 1 Häufigkeit von Blutungen als Maß für die Wirksamkeit einer Prophylaxe mit rFVIIa nach [3]

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Wie erreicht man eine langfristige Hämostase?

Warum der Nutzen einer sekundären Prophylaxe auch über die Behandlungsphase hinaus weiter anhält wird derzeit viel diskutiert. Dr. Guy Young, Los Angeles (USA), nannte drei Mechanismen, die dazu beitragen könnten. Am besten untersucht ist die Wirkung von rFVIIa auf das Gerinnungssystem: So steigert rFVIIa primär die Thrombinbildung an der Oberfläche von aktivierten Thrombozyten. Die Hämostaseaktivität von hoch dosiertem rFVIIa kann über sechs oder mehr Stunden anhalten. Daher könnte der Effekt von rFVIIa auf die Gerinnung deutlich länger bestehen bleiben als aufgrund vorangegangener phamakokinetischer Studien erwartet werden konnte.

Ein weiterer Mechanismus könnte in einer Reduktion der Entzündung liegen. Schon seit einiger Zeit ist die bedeutende Rolle der synovialen Entzündung bei der Therapie von Gelenkblutungen bekannt. Tatsächlich sind Zielgelenke die Folge chronischer Blutungen und Entzündungen. Bei Hämophilie-Patienten ohne Hemmkörper lassen sich Zielgelenke durch eine sekundäre Prophylaxe zurückbilden, vermutlich da rezidivierende Blutungen und damit die synoviale Entzündung seltener auftreten. Young hält dies auch bei Hemmkörper-Patienten für möglich.

Ebenfalls zu der lang wirksamen Hämostase beitragen könnte die extravaskuläre Aktivität von hoch dosiertem rFVIIa [2]. Denn ähnlich wie Gerinnungsfaktoren könnte auch rFVIIa in pharmakologischen Dosen den extravaskulären Raum erreichen, wo er die Thrombinbildung steigern kann. Kleine Lecks im Endothel könnten so unmittelbar vor Ort auf mikroskopischer Ebene abgedichtet werden. Möglicherweise verbleibt rFVIIa für längere Zeit auf der Zelloberfläche und fördert dort die lokale Hämostase, wenn es zu einer Verletzung des Endothels kommt.

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Noch sind viele Fragen offen

Diese Daten lassen hoffen, dass mit der rFVIIa-Prophylaxe in Zukunft eine wirksame Therapieoption zumindest für einen Teil der Patienten mit Hemmkörper-Hämophilie zur Verfügung stehen wird. Allerdings gibt es derzeit noch viele offene Fragen. Insbesondere gilt es zu klären, in welcher Dosierung und wie oft das Präparat verabreicht werden muss, um eine langfristige Hämostase zu erreichen.

Quelle: Symposium "A new approach to treating haemophilia patients with inhibitors: Moving towards prevention?" im Rahmen des diesjährigen Kongresses der "International Society on Thrombosis and Haemostasis" (ISTH), unterstützt von NovoNordisk

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Literatur

  • 01 Cooper HA . et al . Haemophilla. 2001;  7 (5) 517-522
  • 02 Hedner U . J Thromb Haemost. 2006;  4 (11) 2498-2500
  • 03 Konkle BA . et al . Thromb Haemost. 2007;  5 (9) 1904-1913
  • 04 Saxon BR . et al . Thromb Haemost. 2001;  86 (4) 1126-1127
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Literatur

  • 01 Cooper HA . et al . Haemophilla. 2001;  7 (5) 517-522
  • 02 Hedner U . J Thromb Haemost. 2006;  4 (11) 2498-2500
  • 03 Konkle BA . et al . Thromb Haemost. 2007;  5 (9) 1904-1913
  • 04 Saxon BR . et al . Thromb Haemost. 2001;  86 (4) 1126-1127
 
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Abb. 1 Häufigkeit von Blutungen als Maß für die Wirksamkeit einer Prophylaxe mit rFVIIa nach [3]