Dialyse aktuell 2007; 11(1): 34
DOI: 10.1055/s-2007-983907
Interview

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Dialyse aktuell im Gespräch - Supervision-ein essenzieller Beitrag zur Qualitätssicherung in der Dialysepflege

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Publication Date:
06 June 2007 (online)

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    Die Methode der Supervision wurde schon in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts in Amerika geboren. Damals verstand man darunter die Anleitung und Beaufsichtigung junger Sozialarbeiter. Heute versteht man unter Supervision vorwiegend die Beleuchtung beruflicher Beziehungskonstellationen. Sie ist ausdrücklich keine Selbsterfahrungsgruppe oder Therapieveranstaltung und wird einzeln, in Gruppen oder Teams unter der Anleitung eines unabhängigen, spezifisch dafür ausgebildeten, Supervisors durchgeführt. Wir haben mit Frau Dr. Stefanie Hornung, Biologin, und dem Diplom-Supervisor Herrn Toni Stichler über die speziellen Aufgaben von Dialysepflegepersonal und die Möglichkeit der Unterstützung durch Supervision gesprochen.

    ? Welche Bereiche profitieren denn heute von Supervision?

    T. Stichler: Die Supervision hat sich ursprünglich im Kontext der Sozialarbeit entwickelt. Später, als psychotherapeutische Behandlungsmethoden Eingang in die medizinische Versorgung von kranken Menschen fanden, wurde Supervision ein fester Bestandteil in der Ausbildung zum Psychotherapeuten. Der Arzt M. Balint entwickelte dann die sogenannte Balint-Gruppe, in der anfangs Sozialpädagogen, später ausschließlich Ärzte die Gelegenheit fanden, über ihre Patienten zu sprechen und zu reflektieren. Mittlerweile ist die Supervision ein fester Bestandteil in fast allen pädagogischen, psychologischen, psychotherapeutischen und medizinisch-pflegerischen Berufen geworden. In jüngster Zeit wird Supervision auch aus der Wirtschaft, den öffentlichen Verwaltungen und der Politik nachgefragt und dort unter etwas anderen Bedingungen unter dem Begriff Coaching angeboten.

    ? Das Pflegepersonal in der Dialyse hat neben der medizinischen Versorgung der Patienten auch andere wichtige Aufgaben. Welche sind das und wie unterscheiden sich diese aus Ihrer Sicht von denen der Pflege in anderen medizinischen Bereichen?

    Dr. S. Hornung: Die Pflegeperson in der Dialyse, die weitestgehend selbstbestimmt und selbstverantwortlich arbeitet, hat deutlich öfter eigenständig therapeutische und diagnostische Maßnahmen zu treffen als in anderen Pflegeberufen. Sie ist darüber hinaus mit den psychischen Befindlichkeiten und Verhaltensweisen der Patienten konfrontiert, die auf die Auseinandersetzung mit den krankheitsbedingten Belastungen und behandlungsbegleitenden Einschränkungen zurückgehen. Damit ist sie nicht nur mit ihrer originären Qualifikation der herkömmlichen Pflege gefordert, sondern auch umfangreich mit berufsfremden Anforderungen konfrontiert, sodass erstere oftmals in den Hintergrund treten.

    Die Pflegekraft ist mit dem Patienten sehr eng und auf Dauer in einer Art „Zwangsehe” verbunden, sodass sie nicht umhin kann, die psychosoziale Realität ihrer Patienten zur Kenntnis zu nehmen und darauf zu reagieren. Der Umgang mit diesen Belastungen wird von der Pflege häufig als problematisch, vielschichtig und überfordernd erlebt und ist damit auch für sie eine zusätzliche Belastung im ohnehin anstrengenden Pflegealltag.

    Auch die Ressourcen des Pflegealltags sind häufig begrenzt. Daher ist es oft schwierig, diesen psychosozialen Situationen im Umgang mit den Patienten zumindest zeitweise und partiell mit eigenen „Container-Funktionen” fachgerecht begegnen zu können. Deshalb sind auch hier Kompetenzen erforderlich, die über die fachgerechte somatische Pflege hinausgehen.

    ? Wie werden Pflegekräfte denn im Moment unterstützt, diesen Anforderungen in der täglichen Arbeit gerecht zu werden?

    Hornung: In der täglichen Berufspraxis finden natürlich Dienstbesprechungen, Übergaben, fachliche Anleitungen durch die Stations- und Pflegedienstleitungen statt, die sicherlich hohe Priorität haben. Für die psychisch-emotionale Entlastung sowie die Reflexion sind diese in der Regel jedoch nicht ausreichend, da sie häufig von technisch-organisatorischen Belangen dominiert sind. Darüber hinaus ist Art und Ablauf dieser Gespräche nicht auf Reflexion ausgerichtet.

    ? Inwieweit kann die Supervision ganz spezifisch das Personal in der Dialysepflege unterstützen?

    Stichler: Ziel einer Supervision in der Dialysepflege ist die Erweiterung der psychosozialen Kompetenz der einzelnen Pflegenden. Dies führt zu einer effektiven Gestaltung der Arbeitsplatzsituation sowie zu einer befriedigenden Beziehungsgestaltung mit den Patienten und dem Pflegeteam. Durch die Reduzierung von Reibungsverlusten an den Schnittstellen kann die berufliche Belastung erheblich reduziert werden. In der Folge erhöht sich die Arbeitszufriedenheit.

    Eine Verbesserung der Pflegequalität für den Patienten sowie eine innovative Weiterentwicklung der beruflichen Realität ist dabei fast zwingende Konsequenz. Gerade Patienten mit multimorbiden und psychosozialen Einschränkungen, wie das bei Dialysepatienten oftmals der Fall ist, sind für die Pflegekräfte eine hohe Beanspruchung auf mehreren Ebenen. Supervision hilft, die Beziehung zum Patienten bewusst zu gestalten, um das richtige Maß an Nähe und Distanz zu finden. Die professionelle Distanz ermöglicht es, angemessene Nähe zuzulassen, um sich einerseits in die Patienten einzufühlen und andererseits ausreichend Abstand zu wahren, um sich selbst nicht emotional zu verstricken. So bleibt ausreichend Raum für die Entwicklung von Verständnis, Empathie, Akzeptanz und Wertschätzung gegenüber den Patienten, auch in schwierigen Pflegesituationen.

    Dies trägt zur Zufriedenheit der betreuten Patienten sowie zur beruflichen Zufriedenheit der Pflegekräfte bei und fördert auf beiden Seiten den Aufbau längerfristiger befriedigender Pflegebeziehungen. Denn die berufliche Zufriedenheit ist wesentlich von der Qualität der Beziehung zu den Patienten abhängig. Supervision trägt so zur Erweiterung der sozialen Kompetenz im Umgang mit den Patienten bei und beugt Burnout-Phänomenen vor.

    ? Wie darf man sich diese Art der „Fortbildung” praktisch vorstellen?

    Stichler: In der Regel bilden sich innerhalb eines Dialysezentrums feste Supervisionsgruppen. Einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums nehmen als Gruppe verbindlich über einen gemeinsam definierten Zeitraum, in der Regel 10-15 Sitzungen von 90 Minuten in zirka zweiwöchigen Intervallen, die Supervision in Anspruch. Die verbindliche und regelmäßige Teilnahme fördert die Etablierung einer Prozessqualität, die die Entwicklung von Offenheit und Vertrauen innerhalb der Supervisionsgruppe fördert.

    Die Stärke von Supervision besteht dabei weniger im Auffinden von Problemlösungen als in der Reformulierung des Problems, die wiederum schon in sich neue Lösungsmöglichkeiten eröffnet. Der Lösungsansatz von Supervision beruht also weniger auf einer Expertenberatung als vielmehr auf einer differenzierten Problembeschreibung und einer daraus folgenden Problemanalyse, die erst in der gemeinsamen Arbeit von Pflegeteam und Supervisor zustande kommt. In der gemeinsamen Reflexion erfährt die einzelne Pflegekraft darüber hinaus eine erhebliche emotionale Entlastung im Team sowie eine graduelle Distanzierungsmöglichkeit ohne den gleichzeitigen Verlust an Empathie und Problemverständnis gegenüber den Patienten.

    ? Inwieweit können Nierenpatienten von dieser „Fortbildung” des Pflegepersonals profitieren? Welche wirtschaftlichen Vorteile für ein Dialysezentrum kann diese Maßnahme in Zeiten knapper werdender Kassen bieten?

    Hornung: Das erwartete Ziel von Supervision in der Dialyse ist eine Erhöhung der Pflegequalität und somit eine spürbare Verbesserung der Patientenzufriedenheit. Supervision beugt dem langsamen Verlust von Wissen und Fähigkeiten vor, vermindert Schnittstellenverluste und erhöht damit die Gesamtwirtschaftlichkeit der Dialyseeinrichtung nachhaltig. Die Pflegeperson erfährt durch Supervision eine deutliche Verbesserung der Arbeitszufriedenheit, sowohl in der Beziehung zum Patienten als auch in den Teambeziehungen. Supervision leistet so einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung und Effizienz des klinischen Behandlungsangebots.

    ! Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Hornung und Herr Stichler