Viszeralchirurgie 2007; 42(6): 386-388
DOI: 10.1055/s-2007-981382
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gallenblase und Gallenwege

Gallbladder and Biliary TractS. A. Topp1 , W. T. Knoefel1
  • 1Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität
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Publication Date:
20 December 2007 (online)

Frage 1: Es kommt eine 50-jährige adipöse Patientin mit akuten rechtsseitigen wellenförmigen Oberbauchschmerzen mit dumpfem Schmerzcharakter und Ausstrahlung in die rechte Schulter.

a) Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

b) Welche Differenzialdiagnose müssen Sie in Betracht ziehen?

c) Welche diagnostischen Maßnahmen leiten Sie ein?

Zu a)

Für den erstbehandelnden Arzt kommt der Analyse des Schmerzbildes neben der Anamneseerhebung eine besondere Bedeutung zu. Akut einsetzende Oberbauchschmerzen sind meist von einer peritonealen Reizung, Störungen der Kreislaufregulation und der intestinalen Motilität begleitet. Intensität, Lokalbefund und Allgemeinsymptome stellen wichtige Kriterien dar.

In Anbetracht des neu aufgetretenen Schmerzereignisses und den prädisponierenden Faktoren (Geschlecht, Alter, Adipositas) muss als Verdachtsdiagnose von einer akuten Cholezystitis ausgegangen werden.

Zu b)

Als Differenzialdiagnose kommen alle Erkrankungen in Betracht welche eine Hohlorganobstruktion verursachen.

Zu nennen sind hier Gallenwegsobstruktionen, Harnleiterobstruktionen, Gastritiden sowie Stenosen des oberen Gastrointestinaltraktes. Auch entzündliche Veränderungen mit konsekutiver Organschwellung wie Appendizitiden, Mesenterialinfarkte, Pankreatitiden und Ulcera ventriculi kommen in Betracht. Des Weiteren muss eine atypische Manifestation einer Pneumonie oder eines Myokardinfarktes ausgeschlossen werden.

Zu c)

Nach der ausführlichen Anamnese und laborchemischen Bestimmung der Cholestaseparameter (wie direktes Bilirubin im Serum, alkalische Phosphatase, gamma-Glutamyltranspeptidase [GGT]) und des kleinen Blutbilds sowie des C-reaktiven Proteins (CRP) steht die Sonografie zur Diagnosesicherung zur Verfügung.

Frage 2: In der Sonografie des Abdomens zeigen sich eine wandverdickte Gallenblase mit Dreischichtung der Gallenblasenwand sowie multiple kleine schalldichte Gallenblasenkonkremente. Der Ductus hepaticocholedochus (DHC) hat einen maximalen Durchmesser von 10 mm ohne sonografischen Steinnachweis. Der sonstige intraabdominelle Sonografiebefund ergibt keine pathologischen Ergebnisse. Laborchemisch zeigt sich eine milde Leukozytose mit gering erhöhtem CRP. Das Bilirubin beträgt 1,8 mg / dl.

Welche Therapie empfehlen Sie der Patientin?

Die durchgeführte Diagnostik deutet auf eine akute Cholezystitis mit V. a. Choledocholithiasis mit Hyperbilirubinämie hin. In der Akutsituation sollte bei der Patientin nach adäquater Analgesie eine ERCP durchgeführt werden. Nach erfolgreicher Steinextraktion und Abklingen der Entzündungskonstellation sowie Normalisierung des Serumbilirubins sollte eine Cholezystektomie durchgeführt werden. Diese kann entweder frühelektiv oder im weiteren Verlauf erfolgen.

Frage 3: Welche Strukturen sind bei der Cholezystektomie sicher zu identifizieren?

Die in der Leber gebildete Galle gelangt über die intra- und extrahepatischen Gallengänge zur Gallenblase bzw. in den Zwölffingerdarm. Die Gallenblase ist mit der Eingeweidefläche der Leber verwachsen.

Nach Präparation des Calot'schen Dreiecks muss der Ductus cysticus eindeutig dargestellt werden. Dies gelingt unter Umständen nur unter zusätzlicher Darstellung des DHC, um eine akzidentelle Durchtrennung oder ein Clippen des DHC zu vermeiden.

Der arterielle Zustrom der Gallenblase erfolgt über die A. cystica welche im Regelfall aus der A. hepatica dextra entspringt. Es existieren jedoch mannigfaltige Variationen der arteriellen Gefäßversorgung, sodass eine sichere und eindeutige Identifikation der A. cystica obligat ist. Der venöse Abstrom wird über das Gallenblasenbett in das angrenzende Leberparenchym gewährleistet. Hier muss auf eine suffiziente Blutstillung geachtet werden.

Frage 4: Am ersten postoperativen Tag nach laparoskopischer Cholezystektomie bei akuter Cholezystitis entleert sich aus der intraoperativ im Gallenblasenbett platzierten Easy-Flow-Dränage dunkelgrün verfärbtes Sekret. Welche Diagnostik leiten Sie ein und was ist Ihre Verdachtsdiagnose?

Intraoperativ werden Dränagen an den Stellen intraabdominell platziert, an welchen es gehäuft zu Komplikationen wie Insuffizienzen, Blutungen oder Abszessbildungen kommen kann. Entleert sich postoperativ bei Z. n. Cholezystektomie dunkelgrün verfärbtes Sekret muss an eine Leckage von Gallesekret gedacht werden. Um diesen Verdacht zu verifizieren sollte eine Probe des Dränagesekretes sowie des Blutserums laborchemisch auf das Vorhandensein von Bilirubin untersucht werden. Ist das Bilirubin im Dränagesekret deutlich höher als im Serum so ist eine Leckage von Gallesekret nachgewiesen.

Frage 5: Welche Therapieoptionen bieten sich Ihnen?

Die postoperative Dränage von Gallesekret nach Cholezystektomie birgt ein hohes Risiko durch die entstehende gallige Peritonitis und muss daher therapiert werden. Je nach Fördermenge und Bilirubingehalt im Dränagesekret kann man zwischen einer umgehenden operativen Revision des Situs oder einer endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikografie (ERCP) wählen. Vermutet man aufgrund der bestimmten Parameter lediglich eine geringradig ausgeprägte Galleleckage, so kann eine ERCP weitere Informationen hinsichtlich der Lokalisation und der Ursache der Leckage erbringen. Des Weiteren ist bei erhöhtem intraluminärem Druck im Gallengangssystem (z. B. aufgrund von entzündlichen Abflusshindernissen wie bei einem Schleimhautödem) eine kausale Therapie der Galleleckage mittels Stenteinlage in den DHC möglich. Versiegt nach Platzieren eines Gallengangsstent die Dränage von Gallensekret über die Easy-Flow-Dränage ist primär keine operative Revision indiziert.

Frage 6: Der Pathologe informiert Sie, dass bei dem Patienten, bei welchem vor 3 Tagen eine Cholezystektomie durchgeführt wurde, die Histologie ein Gallenblasenkarzinom zeigte, welches in seiner Ausbreitung die Mukosa nicht überschreitet. Wie gehen Sie weiter vor?

Das Gallenblasenkarzinom ist ein seltenes Malignom und wird häufig erst im Rahmen einer elektiven Cholezystektomie identifiziert. Liegt keine Tumorinfiltration über die Tunica muscularis hinaus vor, so ist eine konventionelle Cholezystektomie als kurative Therapie ausreichend. Bei Tumoren ab der Kategorie T 2 und Überschreiten der Tunica muscularis muss eine Resektion des Gallenblasenbettes mit systematischer Lymphadenektomie angeschlossen werden.

Im Bewusstsein über die operativen Konsequenzen sollte immer eine intraoperative Eröffnung der Gallenblase und die makroskopische Beurteilung der Gallenblasenschleimhaut durch den Chirurgen erfolgen. Bei V. a. ein Gallenblasenkarzinom ist ein intraoperativer Schnellschnitt obligat.

Die Wirksamkeit adjuvanter Therapiemaßnahmen ist bisher nicht bewiesen und muss im Einzelfall interdisziplinär evaluiert werden.

Frage 7: Es kommt ein 53-jähriger Patient mit schmerzlosem Ikterus. Der Patient berichtet über eine Dunkelverfärbung des Urins. In der weiteren Anamnese sind keine Vorerkrankungen bekannt.

a) Welche Differenzialdiagnosen kommen in Betracht?

b) Wie gehen Sie diagnostisch vor?

Zu a)

Die Leber produziert pro Tag ca. 500 ml Galle. Diese wird über die intra- und extrahepatischen Gallenwege in die Gallenblase und das Duodenum abgeleitet. Die extrahepatischen Gallengänge werden in perihiläre (Ductus hepaticus dexter und sinister, Ductus hepaticus communis) und distale (DHC) Abschnitte unterteilt.

Zu einer Hyperbilirubinämie mit Gelbsucht kommt es bei Vorliegen einer biliären Abflussstörung und Aufstau der Galleflüssigkeit. Differenzialdiagnostisch kommen extraluminäre Kompressionen des DHC (z. B. Lymphom, Pankreaskopfkarzinom, Papillenkarzinom) und intraluminär stenosierend wachsende Prozesse (Gallengangstumoren) in Betracht.

Zu b)

Neben der ausführlichen Anamnese, der körperlichen und laborchemischen Untersuchung erfolgt primär eine Sonografie um eine Dilatation der Gallenwege und mögliche Obstruktionsursachen zu verifizieren. Zur detaillierten Informationsgewinnung ist eine Computertomografie (CT) und eine ERCP notwendig. Hier können extraluminäre raumfordernde Prozesse weitestgehend ausgeschlossen werden und Angaben zur Höhenlokalisation eines proximalen Gallengangstumors gemacht werden. Bei Unklarheit der Befunde kann eine Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) weiteren Aufschluss liefern.

Als Tumormarker sollten zunächst CEA und CA-19-9 bestimmt werden.

Frage 8: Welche Typen der proximalen Cholangiokarzinome kennen Sie und wie werden diese nach Bismuth unterteilt?

Die perihilären Gallengangskarzinome wurden erstmals von Gerald Klatskin beschrieben und werden nach Henri Bismuth unterteilt in:

Typ I: Der Tumor ist auf den D. hepaticus communis beschränkt.

Typ II: Tumorbefall des D. hepaticus communis mit Infiltration der Hepatikusgabel.

Typ III a: Tumorbefall des D. hepaticus communis und des D. hepaticus dexter.

Typ III b: Tumorbefall des D. hepaticus communis und des D. hepaticus sinister.

Typ IV: Multilokulärer Tumorbefall mit Infiltration der intrahepatischen Gallengänge.

Frage 9: Welche kurativen Optionen können Sie dem Patienten anbieten?

Die Diagnose cholangiozellulärer Karzinome erfolgt häufig erst in fortgeschrittenem Tumorstadium da diese Tumoren lange symptomlos bleiben und meist erst durch einen Ikterus offenbar werden.

Die einzige kurative Therapie ist die vollständige Resektion des Tumors. Präoperativ sollte eine Entlastung der Gallenwege (z. B. mittels endoskopischer Stenteinlage oder perkutane Cholangiodränage [PTCD]) zur Reduktion der postoperativen Mortalität erfolgen, da sich die Leberfunktion durch biliäre Dekompression verbessern lässt.

Je nach Lokalisation kann eine Resektion der extrahepatischen Gallengänge durchgeführt werden. Diese Option bietet sich bei Bismuth-Typ I und -Typ II. Bei infiltrierendem Tumorwachstum in den D. hepaticus dexter oder sinister ist eine Resektion der zugehörigen Leberparenchymanteile unumgänglich. Bei einem Cholangiokarzinom vom Bismuth-Typ IV oder ausgeprägter Gefäßinfiltration kann eine Inoperabilität vorliegen. Die Lebertransplantation zur kurativen Therapie des primär nicht resezierbaren cholangiozellulären Karzinoms ist derzeit noch umstritten und wurde bei strenger Selektion bislang nur in Einzelfällen durchführt.

Frage 10: Welche Leberfunktionsparameter müssen präoperativ evaluiert werden bevor eine ausgedehnte Leberresektion bei Bismuth-Typ III a / b erfolgen kann?

Die Leber besitzt eine ausgeprägte Regenerationsfähigkeit und kann Resektionen von bis zu 75 % des Lebervolumens kompensieren. Voraussetzung ist jedoch eine suffiziente Funktionsfähigkeit des residualen Leberparenchyms.

Es gibt keinen einzelnen Leberfunktionstest, der die vielfältigen Leberleistungen zuverlässig widerspiegelt. Die laborchemische Bestimmung der Cholinesterase, des Serumalbumins und die Bestimmung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren gibt Auskunft über die Leberfunktion. Bewährt hat sich weiterhin das Punkte-System nach Child-Pugh, das mittels Serumbilirubin und -albumin, Quick oder INR, Vorliegen von Aszites und Vorliegen einer Enzephalopathie als Parameter hinsichtlich einer Leberfunktionsstörung berücksichtigt und diese in die Klassen A, B und C einteilt. Zur detailierteren Analyse der Leberfunktion stehen unterschiedliche weitere Untersuchungsmethoden zur Verfügung, welche in der täglichen Routine jedoch nur selten eingesetzt werden (z. B. Aminopyrin-Atemtest, MEGX-Test, Indocyaningrüntest).

Prof. Dr. med. W. T. Knoefel

Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie · Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstr. 5

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