Aktuelle Urol 2007; 38(2): 85-86
DOI: 10.1055/s-2007-973917
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Mumps-Orchitis - Auf eine vollständige Immunisierung sollte geachtet werden

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. März 2007 (online)

 
Inhaltsübersicht

Fast 20 Jahre nach der Etablierung der Mumps-Immunisierung scheint die Compliance bezüglich eines vollständigen Impfstatus abzunehmen. Seit 2004 nimmt in Liverpool (GB) die Zahl der Mumps-Infektionen zu. Betroffen sind hauptsächlich ungeimpfte junge Erwachsene. In der Folge steigt auch die Inzidenz der Mumps-Orchitis, einer an sich selten gewordenen Komplikation. BJU 2006; 97: 138-141

Philip und Kollegen vom Royal Liverpool and Broadgreen University Hospital NHS Trust, England, untersuchten 195 Patienten im Alter von 17 bis 83 Jahren, die mit einem akuten Skrotum in der urologischen Notfallambulanz vorstellig wurden. Neben der klinischen Untersuchung erfolgte ein Ultraschall des Skrotums. Patienten, bei denen eindeutige Anzeichen für eine Mumps-Parotitis vorlagen oder die kürzlich eine Mumps-Infektion durchgemacht hatten, wurden in die Studie aufgenommen.

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Diagnose: Mumps-Orchitis

Von 195 Patienten mit mutmaßlicher Epididymo-Orchitis hatten 25 (13 %) im Alter von 15 bis 38 Jahren 4-11 Tage zuvor eine Mumps-Infektion erlitten. Sie wurden durchschnittlich 5,2 Tage nach Einsetzen der Parotitis in der Klinik vorstellig. Bei 22 Patienten traten die Beschwerden unilateral, bei drei Patienten bilateral auf. Alle Patienten waren nicht oder nur unvollständig gegen Mumps geimpft. Bei allen wurde eine Mumps-Orchitis diagnostitziert.

Die serologischen Untersuchungen bei acht Patienten zeigten in sechs Fällen (75%) einen positiven Nachweis von IgG- und IgM-Antikörpern.

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Bis zu 40 % der postpubertären Männer erkranken aufgrund einer Mumps-Infektion an einer Orchitis, die Auswirkungen auf die Fertilität haben kann (Bild: Suttorp N, M Mielke, W Kiehl, B Stück. Infektionskrankheiten - verstehen, erkennen, behandeln. Thieme, 2004).

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Testikuläre Befunde

Die Autoren berichten weiterhin über die Befunde der testikulären sonografischen Untersuchung bei 15 dieser 25 Männer: Bei sechs Fällen wurde eine abnorme Echotextur beschrieben, bei neun Fällen eine Hypervaskularisation des Hodens oder Nebenhodens, bei acht Fällen eine Auftreibung des Nebenhodens, bei drei Fällen eine Hydrozele und bei zwei Fällen ein normaler Sonobefund.

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Behandlung und Nachsorge

Bei zwei Patienten erfolgte aufgrund der klinischen Symptomatik eine operative Freilegung, um eine Hodentorsion auszuschließen. Die Behandlung bestand aus Analgetika und Antibiotika (Ciprofloxacin), um einer eventuellen bakteriellen Epididymo-Orchitis zu begegnen. Bei zehn Patienten konnte eine Nachsorge bis mindestens ein Jahr durchgeführt werden. Vier der zehn Patienten wiesen testikuläre Anomalien auf: ein Fall persistierender testikulärer Schmerzen, ein Fall mit einer auffälligen Änderung in der Hodenkonsistenz, ein Fall mit einer deutlichen Größenreduktion und ein Fall mir einer signifikanten testikulären Atrophie.

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Fazit

Die Inzidenz einer Orchitis im Rahmen einer Mumps-Iinfektion liegt bei postpubertären Männern bei bis zu 40%. Aufgrund der später möglichen Infertilität sollten Eltern auf die Notwendigkeit einer kompletten Immunisierung hingewiesen werden. Bei Patienten mit einer Epididymo-Orchtitis sollte an die Möglichkeit einer Mumps-Orchitis gedacht werden.

Dr. Sabine Adler, Mülsen St. Niclas

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Kommentar

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R. Wagenlehner

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Mumps-Orchitis - eine wiederkehrende Bedrohung der männlichen Fertilität?

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Analyse mit eingeschränkter Aussage

Die Studie leistet einen Beitrag zu der Problematik des akuten Skrotums mit der Differenzialdiagnose der Infektion oder/und Entzündung.

Die Autoren führen die Zunahme der Inzidenz der Mumps-Erkrankung auf den Rückgang der Impf-Compliance in ihrer Region zurück. Die Studie macht jedoch den Anschein einer retrospektiven Analyse, bei der nur eine Subpopulation der Patienten die notwendigen Untersuchungen erhalten hat, über die diese Studie Auskunft geben soll. Nur acht der 25 Patienten erhielten eine serologische Untersuchung, die zu 75% positiv war. Interessant wäre gewesen, die Serologie auch auf die Patienten auszudehnen, die keine Anamnese einer Mumps-Parotitis hatten, da die Parotitis in bis zu 30% subklinisch verlaufen kann. Eine sonografische Untersuchung wurde nur bei 15 der 25 Männer durchgeführt, Angaben über die restlichen 170 Männer fehlen.

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Ableitung einer Therapieempfehlung nicht möglich

Da die Patienten mit einer Mumps-Parotitis in der Anamnese nicht anders als die restlichen Patienten behandelt wurden, kann eine Therapieempfehlung aus dieser Studie nicht abgeleitet werden. Eine wichtige Botschaft lässt sich jedoch ableiten: Auch von urologischer Seite sollte die Mumps-Impfung wieder mehr unterstützt werden. Eine Antwort auf die Frage der Epidemiologie der Epididymo-Orchitis kann die Studie jedoch nicht geben, da die Ätiologie bei den restlichen 170 Patienten entweder nicht untersucht oder in der Studie nicht angegeben wurde. Das Problem der Infertilitität auf eine Infektion zurückzuführen sowie die Reduktion des Ejakulates auf eine überstandene Mumps-Orchitis, wird in der Diskussion zu Recht angeschnitten. Insgesamt schätzt man, dass etwa 10% der Fälle von Infertilitität auf Kosten einer Infektion gehen. Welche Größenordnung hierbei jedoch die Mumps-Erkrankung ausmacht, lässt sich nicht ableiten, da die subklinische Mumps-Parotitis mit Beteiligung der Hoden schlecht untersucht ist.

PD Dr. Florian Wagenlehner, Gießen

 
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Bis zu 40 % der postpubertären Männer erkranken aufgrund einer Mumps-Infektion an einer Orchitis, die Auswirkungen auf die Fertilität haben kann (Bild: Suttorp N, M Mielke, W Kiehl, B Stück. Infektionskrankheiten - verstehen, erkennen, behandeln. Thieme, 2004).

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R. Wagenlehner