Aktuelle Urol 2007; 38(2): 86-88
DOI: 10.1055/s-2007-973916
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Primäre Enuresis - Kombinationstherapie von Oxybutynin plus Desmopressin zeigt gute Ergebnisse

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Publication Date:
28 March 2007 (online)

 
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Eine Enuresistherapie sollte schnelle und gute Ergebnisse liefern, damit Patienten die Therapie nicht abbrechen. Eine Arbeitsgruppe aus Korea verglich die Kombinationstherapie aus Oxybutynin plus Desmopressin mit den am häufigsten angewandten Monotherapien mit Desmopressin und Imipramin bezüglich ihrer Effizienz und Sicherheit. J Urol 2005; 174: 1084-1087

An der Studie im Jahr 2003/2004 nahmen 145 Patienten (100 Jungen und 45 Mädchen, Durchschnittsalter 7,8 ± 2,5 Jahren) teil. 68 Kinder (47%) waren wegen einer monosymptomatischen Enuresis in Behandlung, 77 (53%) hatten zusätzlich eine Tagessymptomatik ("Kindliche Harninkontinenz"). Die Kinder wurden in eine von drei Gruppen randomisiert und je nach Gruppenzugehörigkeit mit Desmopressin, Imipramin oder einer Kombination von Desmopressin plus Oxybutynin behandelt.

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Beurteilungskriterien

Die Autoren beobachteten die Kinder über einen Zeitraum von sechs Monaten nach Therapiebeginn und ermittelten die Effizienz der Behandlung nach einem, drei und sechs Monaten. Beurteilungskriterien waren die durchschnittliche Enuresisfrequenz, die Verbesserung der Frequenz seit Beginn der Behandlung, eingeteilt in die fünf Kategorien: exzellent, gut, ausreichend, teilweise, keine Veränderung, sowie die Häufigkeit des Einnässens nach Ende der Behandlung in Relation zum Ausgangsbefund. Die Häufigkeit des Einnässens wurde anhand der Miktionssymptome tagsüber klassifiziert. Die statistische Auswertung erfolgte mit Chi-Quadrat-Tests und Varianzanalysen.

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Die Enuresis nocturna gehört zu den häufigsten Störungen des Kindesalters. Von ihr sind doppelt so viele Jungen wie Mädchen betroffen. Die medikamentöse Kombinationstherapie ist laut einer Studie von Lee et al. eine gute Behandlungsoption (Bild: PhotoDisc).

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Verbesserung der Enuresis unter Kombinationstherapie

Von den 145 Kindern erhielten 48 das Kombinationstherapeutikum, 49 Desmopressin und 48 Imipramin. Einen Monat sowie sechs Monate nach Behandlungsbeginn zeigte die Gruppe, die sich einer Kombinationstherapie unterzog, die niedrigste Enuresisfrequenz im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen. Zudem erzielte die Kombinationstherapie nach dem ersten Monat bei den meisten Patienten exzellente bis befriedigende Ergebnisse, wohingegen sich bei der Imipramingruppe am langsamsten Verbesserungen zeigten. Nach drei und sechs Monaten waren die Veränderungen in den Gruppen mit Kombinationstherapie und Desmopressingabe ähnlich, die Ansprechraten der Imipramingruppe blieben weiterhin gering.

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Enuresisfrequenzen im Vergleich

Die wöchentliche Frequenz der Enuresis vor Behandlungsbeginn betrug 5,4 ± 1,8 bei Kindern mit monosymptomatischer Enuresis und 6,4 ± 1,4 bei Kindern mit kindlicher Harninkontinenz ("polysymptomatischer Enuresis"). Bei den monosymptomatischen Fällen zeigten die Patienten, die sich der Kombinations- oder Desmopressintherapie unterzogen, zu jeder Zeit eine signifikant geringere Enuresisfrequenz als die mit Imipramin behandelte Gruppe. Patienten mit kindlicher Harninkontinenz wiesen unter Kombinationstherapie und Desmopressin ebenfalls jederzeit eine geringere Enuresisfrequenz auf als die in der Imipramingruppe. Dieser Unterschied war jedoch nur nach einem Monat für die Kombinationstherapie signifikant. Nach sechs Monaten waren sowohl für die Patienten, die das Kombinationstherapetikum einnahmen, als auch für die der Desmopressingruppe im Vergleich zur Imipramingruppe signifikante Verbesserungen festzustellen.

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Fazit

Die Kombinationstherapie mit Desmopressin und Oxybutynin zeigte in der Behandlung der kindlichen Enuresis eine hohe Verträglichkeit und lieferte, unabhängig vom symptomatischen Status, signifikant schnellere und kostengünstigere Ergebnisse als eine Monotherapie mit Desmopressin oder Imipramin. Sie bildet daher eine gute therapeutische Möglichkeit zur Behandlung.

Britta Brudermanns, Köln

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Kommentar

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S. Alloussi

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Kombinationstherapie kann Comliance verbessern

Die monotherapierefraktäre Enuresis ist für den Urologen eine echte Herausforderung. Die bisher noch nicht erfasste Kausalität und die limitierten Behandlungsmöglichkeiten sowie ein empfindliches Patientenkollektiv verkomplizieren die Therapie. Neue effektivere, therapeutische Ansätze können die Compliance der Patienten und ihrer Angehörigen wesentlich verbessern.

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Enuresisfrequenz vor, während und nach Imipramin-, Desmopressin- und Kombinationstherapie.

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Studie zeigt Mängel

Die Idee, mithilfe einer Kombinationstherapie einen additiven Effekt zu erzielen bei gleichem Nebenwirkungsrisiko wie bei der Monotherapie, zeichnet diese Arbeit aus. Der Grund für den Vergleich der Kombinationstherapie mit Monotherapien ist leider nicht genannt, obwohl die Kombinationstherapie bereits seit dem Jahr 2000 auf mehreren Kongressen mit guten Ergebnissen bei der monotherapierrefraktären Enuresis vorgestellt wurde. Die Autoren unterschieden zwischen monosymptomatischer und polysymptomatischer Enuresis. Die monosymptomatisch enuretischen Kinder waren diejenigen, die anamnestisch keine Tagessymptomatik zeigten. Urodynamische Untersuchungen zur genauen Differenzierung wurden jedoch nicht durchgeführt. Auch fehlen Angaben zum Körpergewicht der Kinder. Oxybutynin wurde in der Gruppe mit Kombinationstherapie nicht gewichtsadaptiert dosiert.

Zur Evaluierung der Wirkung und des Nebenwirkungsprofils wurden nach einem, drei und sechs Monaten die Patienten erneut untersucht und diese Angaben dokumentiert. 13 Kinder blieben von weiteren Untersuchungen fern, ohne dass ein Grund dafür angegeben wird. Die Beurteilungskriterien beinhalteten die durchschnittliche Enuresisfrequenz, die Änderung derselben nach Beginn der Behandlung gemessen in 5 Kategorien: exzellent, gut, ausreichend, teilweise, keine Veränderung, und die Häufigkeit der Enuresis nach Ende der Behandlung in Relation zum Ausgangsbefund. Diese Einteilung erscheint subjektiv betont und zur Beurteilung des Erfolges nicht ausreichend.

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Langfristig genauso effizient wie Desmopressin-Monotherapie

Bei der Auswertung zeigte sich eine deutliche Besserung der Enuresisfrequenz bei der Gruppe mit Desmopressin und mit Kombinationstherapie. Zusätzlich zeigte sich ein signifikanter, wenn auch geringerer Erfolg in der Imipramingruppe. Ein Vorteil in der Verminderung der Enuresisfrequenz konnte bei der Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie mit Desmopressin und Imipramin festgestellt werden. Dieser Effekt war aufgrund des schnellen Wirkungseintrittes und der Effizienz der Therapie im Anfangsstadium zu beobachten. Langfristig zeigte die Monotherapie mit Desmopressin allerdings eine gleichwertige Behandlungseffizienz wie die Kombinationstherapie.

Dass die Kombinationstherapie von Desmopressin und Anticholinergika effektiver ist - insbesondere bei monotherapierefraktären monosymptomatischen enuretischen Kindern - wurde durch mehrere Arbeiten bestätigt.

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Compliance kann verbessert werden

Dennoch stellt die Kombinationstherapie einen innovativen Schritt in der Behandlung der Enuresis dar. Durch einen schnelleren Wirkungseintritt bei guter Verträglichkeit, kann diese Art der Therapieform dazu beitragen, die Compliance zu einer medikamentösen Behandlung der Enuresis zu steigern. Diese Form der Therapie sollte sowohl vom Pädiater als auch von Urologen als neues Therapiekonzept zur Behandlung der Enuresis berücksichtigt werden.

Prof. Schahnaz Alloussi, Neunkirchen

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Ausschreibung C. E. Alken-Preis

Die C.E. Alken-Stiftung fördert die klinsche und experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Urologie, indem sie jährlich einen Preis für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten verleiht.

Der C.E. Alken-Preis wird der besten, noch nicht publizierten Arbeit aus dem Bereich der Urologie zuerkannt und kann geteilt werden. Er umfasst eine Urkunde und eine Dotierung von

10.000 sFr.

Arbeiten können in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden. Sie sind in siebenfacher Ausfertigung an den Stiftungsrat der C.E. Alken-Stiftung, Kellerhals Hess, Rechtsanwälte, z.H. Herrn Fürsprecher E. Hauser, Kapellenstraße 14, Postfach 6916, 3001 Bern/Schweiz zu richten, und zwar bis zum 3.9.2007. Jede Arbeit ist mit einem Kennwort zu versehen und darf den Namen des Verfassers nicht enthalten. In einem zusätzlichen, verschlossenen Umschlag, der das Kennwort der Arbeit tragen muss, sind auf gesonderten Bögen beizufügen:

  • Curriculum vitae des Verfassers (max. 3 Seiten)

  • Strukturierte Zusammenfassung der Arbeit (Zielsetzung, Material/Methodik, Ergebnisse, Schlussfolgerung)

Über die Zuerkennung des Preises entscheidet der Stiftungsrat. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Für die Stiftung C.E. Alken:

Der Stiftungsrat

 
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Die Enuresis nocturna gehört zu den häufigsten Störungen des Kindesalters. Von ihr sind doppelt so viele Jungen wie Mädchen betroffen. Die medikamentöse Kombinationstherapie ist laut einer Studie von Lee et al. eine gute Behandlungsoption (Bild: PhotoDisc).

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S. Alloussi

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Enuresisfrequenz vor, während und nach Imipramin-, Desmopressin- und Kombinationstherapie.