Intensivmedizin up2date 2007; 3(4): 245-246
DOI: 10.1055/s-2007-966866
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Koronarinterventionen und Thrombozytenaggregationshemmung bei kritisch kranken Patienten

Christoph  Bode
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Prof. Dr. Christoph Bode

Medizinische Universitätsklinik Freiburg
Abteilung Innere Medizin III - Kardiologie
und Angiologie

Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg im Breisgau

Phone: 0761/270-3441

Fax: 0761/270-3200

Email: christoph.bode@uniklinik-freiburg.de

Publication History

Publication Date:
12 November 2007 (online)

Table of Contents

ie Zahl der Patienten, die auf Grund einer koronaren Herzerkrankung mit Thrombozytenaggregationshemmern behandelt werden, nimmt stetig zu. Dies wirft insbesondere beim kritisch kranken Patienten vor anstehenden nicht aufschiebbaren Operationen oder anderweitigen invasiven Maßnahmen die Frage nach einem Pausieren oder Absetzen der Thrombozytenaggregationshemmung auf. Umgekehrt stellt sich bei Patienten mit klinisch manifester koronarer Herzerkrankung vor geplanten Operationen oftmals die Frage nach der optimalen kardiologischen Behandlungsstrategie (invasiv versus konservativ). Um diese Fragen beantworten zu können, ist eine Differenzierung der zu Grunde liegenden Problematik und individuelle Abwägung der jeweiligen Situation notwendig.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Fortführung der Thrombozytenaggregationshemmung ein erhöhtes Risiko für ernsthafte Blutungskomplikationen bei Operationen und anderen invasiven Maßnahmen bedeutet. Ein Pausieren der Thrombozytenaggregationshemmer hingegen erhöht das Risiko für ischämische, atherothrombotische Ereignisse. Somit muss in jedem Einzelfall immer eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung aller beeinflussenden Faktoren erfolgen. Allgemeingültige Empfehlungen können daher nur als Orientierung dienen.

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Welche Patienten sollten vor einer geplanten Operation koronarangiographiert werden?

Eine Koronarangiographie sollte prinzipiell nur dann durchgeführt werden, wenn sich aus der Untersuchung auch entsprechende Konsequenzen im Sinne einer interventionellen oder operativen Myokardrevaskularisation ergeben würden. Dies muss insbesondere beim kritisch kranken Patienten vor der Untersuchung diskutiert und geklärt werden. Hierbei muss auch die Notwendigkeit einer verschärften periprozeduralen Antikoagulation bis hin zur kombinierten Gabe von Heparin, ASS, Clopidogrel und einem GpIIb/IIIa-Blocker berücksichtigt werden.

In die Entscheidung muss auch die jeweilige Indikation zur Koronarangiographie mit einbezogen werden. So würde ein Patient mit akutem Koronarsyndrom auch bei Vorliegen einer relativen Kontraindikation (z. B. Hyperthyreose) sofort unter entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen untersucht werden, wohingegen die Untersuchung bei einem Patienten mit stabiler Angina pectoris gegebenenfalls verschoben würde. Auf den ersten Blick erscheint die Indikation zur sofortigen Koronarangiographie bei Patienten mit einem ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) klar zu sein. Aber auch hier ergeben sich im Alltag Situationen, in denen das weitere Vorgehen nicht unbedingt auf der Hand liegt. Wie zum Beispiel verfährt man bei einem Patienten mit STEMI und gleichzeitigem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ohne sicheren Ausschluss einer intrazerebralen Blutung? Der invasiv tätige Kardiologe wünscht sich in diesem Fall eine bildgebende Diagnostik, die die Durchführung der Koronarangiographie nicht verzögert. Bei klinisch instabilen Patienten muss aber eventuell ganz auf eine cerebrale Bildgebung verzichtet werden, mit dem Risiko durch die notwendige aggressive Antikoagulation eine vorhandene intrazerebrale Blutung zu aggravieren. Relativ einfach ist die Entscheidung bei Patienten, die ein akutes Koronarsyndrom haben und unter laufenden Reanimationsmaßnahmen zur Diagnostik gebracht werden. Hier stellt die unmittelbare Koronarangiographie und interventionelle Revaskularisation die oft einzige Möglichkeit zur Stabilisierung des Patienten dar. Kontraindikationen für die invasive Diagnostik gibt es in diesem Fall nicht. Ein differenzierteres Vorgehen ist bei Patienten mit einem Nicht-ST-Hebungs-Infarkt (NSTEMI) oder einer instabilen Angina pectoris (IAP) notwendig. Prinzipiell besteht bei diesen Patienten die Indikation zu einer invasiven Abklärung der KHK. Vor geplanten nicht-kardialen Operationen oder anderen invasiven Maßnahmen ist zu berücksichtigen, wie dringlich diese durchzuführen sind. Die Operation eines Patienten mit neu diagnostiziertem Bronchialkarzinom, der mit kurativem Therapieansatz operiert werden kann, sollte möglichst nicht verschoben werden. Hat dieser Patient nun gleichzeitig eine IAP, so kann das perioperative Risiko für eine kardiale Ischämie bis hin zum fatalen kardialen Ereignis ohne Kenntnis der Koronarmorphologie nicht eingeschätzt und vor allem nicht minimiert werden. In diesem Fall ist eine invasive Diagnostik gegebenenfalls mit Durchführung einer Koronarintervention wünschenswert. Hierbei muss aber die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt und ein Behandlungskonzept gefunden werden, welches eine rasche Operation des Bronchialkarzinoms ermöglicht.

Werden medikamentösbeschichtete Stents (Drug eluting Stent = DES) implantiert, so ist nach aktuellem Kenntnisstand eine duale Plättchenhemmung für 12 Monate erforderlich. Daher sollten DE-Stents nur bei Patienten implantiert werden, bei denen keine nicht-aufschiebbaren Operationen oder Interventionen mit hohem Blutungsrisiko notwendig sind. Generell besteht bei Patienten mit implantierten Koronarstents ein erhöhtes Risiko zur Stentthrombose unter pausierter Thrombozytenaggregationshemmung. Dieses Risiko ist innerhalb der ersten Wochen nach Stentimplantation höher und für DE-Stents größer als für BM-Stents.

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Wann sollte eine thrombozytenaggregationshemmende Therapie pausiert werden?

Aus kardiologischer Sicht ist die Beantwortung dieser Frage relativ einfach: Möglichst gar nicht! Entscheidend für die Dauer der Pause ist das Blutungsrisiko des geplanten Eingriffs. Bei Eingriffen mit sehr hohem Blutungsrisiko (z. B. Neurochirurgie) sollte die Thrombozytenaggregationshemmung mit möglichst großem zeitlichem Abstand (5 - 7 Tage) zur Operation oder Intervention pausiert werden. Ein Wiederansetzen nach der Operation sollte so rasch wie möglich erfolgen. Bei Eingriffen mit hohem Risiko (z. B. Allgemeinchirurgie) sollte die präoperative Pause der Thrombozytenaggregationshemmung ebenfalls wie oben beschrieben durchgeführt werden. Bei Notfall-Indikationen müssen diese Eingriffe unter erhöhtem Blutungsrisiko ohne Pause der Aggregationshemmung erfolgen. Vor Eingriffen mit niedrigem Blutungsrisiko (z. B. Endoskopien auch mit Biopsien, Polypenabtragung, Zahnextraktionen) sollte die thrombozytenaggregationshemmende Therapie möglichst kontinuierlich fortgeführt werden

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in jedem Einzelfall das Blutungsrisiko gegen das Risiko einer akuten Thrombose abzuwägen ist. Dabei können bewährte Algorithmen als Richtschnur herangezogen werden. Die Entscheidung über das Vorgehen im Einzelfall sollte für den jeweiligen Patienten nach gesonderter Risikoabwägung zwischen invasiv tätigen Kardiologen und den anderen beteiligten Fachdisziplinen getroffen werden.

Prof. Dr. Christoph Bode

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Abteilung Innere Medizin III - Kardiologie
und Angiologie

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