Rehabilitation (Stuttg) 2007; 46(1): 16-23
DOI: 10.1055/s-2007-958628
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Computergestützte Entscheidungshilfen zur Bewertung von Reha-Anträgen (CEBRA)

Computer Aided Support for Deciding on Applications for Rehabilitation (“CEBRA”)N. Gerdes 1 , E.-L. Karl 2 , W. H. Jäckel 1 , 3
  • 1Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung, Bad Säckingen
  • 2Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, Sozialmedizinischer Dienst, Karlsruhe
  • 3Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
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Publication Date:
22 February 2007 (online)

Zusammenfassung

Das CEBRA-Projekt zielte darauf ab, ein Verfahren zu entwickeln, das bei Reha-Anträgen computergestützt eine Vorbewertung der Reha-Bedürftigkeit nach einheitlichen, transparenten Kriterien vornimmt, so dass die Anträge mit einer entsprechenden Empfehlung zur endgültigen Entscheidung an den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) weitergeleitet werden können. Dazu wurden die vorliegenden Handbücher und Leitlinien zur Beurteilung von Reha-Anträgen analysiert mit dem Ziel, die wesentlichen Kriterien zur Beurteilung von Reha-Bedürftigkeit zu identifizieren und in messbare Parameter zu übersetzen. Auf dieser Grundlage wurden ein Arztbogen und ein Fragebogen für Antragsteller entwickelt, mit denen Daten zu den relevanten Parametern erhoben werden können. Sodann wurden Algorithmen definiert, die bestimmte Kombinationen dieser Parameter einer abschließenden Empfehlung zuordnen. Von Oktober 2004 bis März 2005 ist eine Pilotstudie durchgeführt worden, die parallel zu den Entscheidungsvorgängen bei der Rentenversicherung (RV) ablief und keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen der RV hatte. In die Pilotstudie wurden insgesamt 436 Antragsteller aufgenommen, von denen jeweils ein Arztbogen und ein Fragebogen für Antragsteller vorlagen. Die Empfehlungen durch das CEBRA-Programm sind abschließend mit den Entscheidungen verglichen worden, die in den betreffenden Fällen von der RV getroffen worden waren. Bei der Auswertung zeigte sich, dass die eingesetzten Algorithmen in der Lage sind, die im Hinblick auf die Reha-Bedürftigkeit wenig belasteten und nach eigener Einschätzung wenig erwerbsgefährdeten Antragsteller von den stärker bzw. sehr stark belasteten eindeutig und in inhaltlich plausibler Weise zu trennen. Beim Vergleich der CEBRA-Bewertungen mit den Entscheidungen der RV ergab sich zunächst, dass das Verhältnis von Bewilligungen zu Ablehnungen - nach Ausschluss der Ablehnungen aus formalen Gründen - mit jeweils ca. 80:20 in beiden Verfahren gleich ist. Damit führt das CEBRA-Verfahren nicht zu Veränderungen beim Verhältnis der Bewilligungen zu den Ablehnungen. Wird der Vergleich zwischen beiden Verfahren auf die einzelnen Fälle bezogen, zeigt sich allerdings keine überzufällige Übereinstimmung. Der Grund für dieses Ergebnis dürfte u. a. darin zu suchen sein, dass zwar dieselben Personen beurteilt wurden, dass aber die Informationen, die den Entscheidungen in jedem der beiden Verfahren zugrunde lagen, nicht dieselben waren und möglicherweise große Unterschiede aufwiesen. Als zusammenfassende Bewertung des CEBRA-Verfahrens kann festgehalten werden, dass es wesentlich zu einer Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen und zu einer Erhöhung der Beurteilungsobjektivität bei den Entscheidungen des SMD beitragen kann.

Abstract

The CEBRA project aimed at developing a computer aided procedure by which applications for rehabilitation can be assessed according to uniform and transparent criteria so that the applications together with a recommendation for decision-making can be transferred to the sociomedical services for final decision. For this, we first analyzed the existing manuals and guidelines for assessing applications for rehabilitation with the aim of identifying the main criteria, and then to translate them into measurable parameters. We then developed questionnaires for physicians treating the applicants as well as for the applicants themselves. Finally, algorithms were defined which compress the various combinations of these parameters into a recommendation for decision-making. Between October 2004 and March 2005, a pilot study was performed which ran parallel to the normal processes of decision-making by the insurance administration. In the pilot study, 436 applications were included for which questionnaires were available both from a physician and an applicant. The recommendations given by the CEBRA programme were finally compared with the decisions that had in fact been made by the administration in these cases. The results of the pilot study showed that the algorithms employed are capable of distinguishing very clearly and in a meaningful way between applicants with only minor medical problems and disabilities, on the one hand, and with medium or severe problems on the other. The comparison with the administrative decisions in these cases showed a similar rate of approval (80%) in both procedures. This means that the CEBRA programme does not change the general rate of approval. With respect to the individual cases, however, the comparisons revealed no statistically significant concordance between the two procedures. Reasons for this finding may result from the fact that - even though the same persons were compared - the information underlying the CEBRA recommendations or the administrative decisions, respectively, were not the same and may in fact have been quite different. In sum, we conclude that the CEBRA programme can very well improve the basis of information as well as the objectivity of making decisions on applications for rehabilitation.

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1 Die hier angeführten Algorithmen stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl von Regeln dar, nach denen die Reha-Bedürftigkeit bewertet wurde. Bei Widersprüchen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung wurde so vorgegangen, dass bei Angaben zur subjektiven Situation des Patienten - wie z. B. Schmerzen, Aktivitätseinschränkungen in Alltag und Beruf sowie psychosoziale Belastung - die Selbsteinschätzung generell höher gewichtet wurde als die Fremdeinschätzung. Falls eine der beiden Einschätzungen fehlte, ging die andere mit vollem Gewicht in die Bewertung ein. Bei den medizinischen Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit dagegen wurden (mit Ausnahme der „besonderen beruflichen Belastungen”) ausschließlich die hausärztlichen Angaben in die Algorithmen einbezogen. Natürlich stellt sich hier die Frage nach der Validität dieser Angaben. Da jedoch die medizinischen Kriterien in den „Leitlinien” [1] recht gut in medizinischer Terminologie operationalisiert sind, können die hausärztlichen Angaben unseres Erachtens hier als relativ valide angesehen werden.

Korrespondenzadresse

Dr. Nikolaus Gerdes

Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung

Bergseestr. 61

79713 Bad Säckingen

Email: gerdes@hri.de