Pneumologie 2008; 62(1): 4
DOI: 10.1055/s-2007-1012579
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Intensivtherapie - Restriktives Blutzuckermanagement reduziert Komplikationen

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Publication Date:
25 January 2008 (online)

 
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Neuromuskuläre Komplikationen treten in der Intensivversorgung kritisch Kranker insbesondere bei Sepsis und multiplem Organversagen auf. Ob eine intensivierte Insulintherapie solchen Komplikationen und einer langen Beatmungspflichtigkeit vorbeugen kann, untersuchte eine belgische Arbeitsgruppe um Greet Hermans. Am J Respir Crit Care Med 2007; 175: 480-489

Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie mit 1200 Intensivpatienten war bereits prospektiv eine Subgruppenanalyse geplant worden, die den Effekt einer intensiven Insulintherapie auf Morbidität und Mortalität mit der Standardversorgung verglich. Dabei wurde im Standardarm immer dann Insulin verabreicht, wenn der Blutglukosespiegel über 215 mg/dl stieg, die Gabe wurde beendet bei einem Blutglukosespiegel unter 180 mg/dl. Das intensivierte Schema sah dagegen als Zielwert der Insulintherapie einen Blutglukosespiegel zwischen 80 und 110 mg/dl vor. Patienten, die auch nach 7 Tagen noch auf der Intensivstation lagen, wurden wöchentlich elektroneuromyografisch untersucht. Als Zielparameter wurden die mit dem kritischen Zustand zusammenhängende Polyneuropathie oder Myopathie erfasst sowie das Verhältnis von Therapie zu Dauer der mechanischen Beatmung.

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Beatmungsdauer reduziert

In der konventionell behandelten Gruppe lag der mediane Blutzuckerwert bei 159 mg/dl, in der Interventionsgruppe bei 102 mg/dl. Diese Werte wurden erreicht mit im Median 22 bzw. 71 Einheiten Insulin. Unabhängig von anderen Risikofaktoren konnte die intensivierte Insulintherapie die Inzidenz von Polyneuropathien und Myopathien signifikant von 50,5 auf 38,9% reduzieren (p = 0,02). Eine mechanische Beatmung von mehr als 14 Tagen war in der Interventionsgruppe nur bei 34,6% der Patienten und damit deutlich seltener notwendig als in der Standardgruppe (46,7%, p = 0,01). Dass die Beatmungspflichtigkeit bei intensiver Insulintherapie so stark verringert werden konnte, scheint dabei nicht alleine durch eine geringe Inzidenz der Polyneuropathie oder Myopathie zu erklären zu sein. Die biologischen Mechanismen hinter diesen Insulineffekten sind noch unklar. Auch sollten diese Ergebnisse in weiteren multizentrischen Studien bestätigt werden.

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Fazit

Eine intensivierte Insulintherapie mit Blutzuckerzielwerten zwischen 80 und 100 mg/dl scheint bei kritischen Kranken, die länger als 7 Tage auf der Intensivstation betreut werden, die Häufigkeit von Polyneuropathien und Myopathien signifikant zu reduzieren und die Dauer der Beatmung deutlich zu verkürzen.

Friederike Klein, München