Dialyse aktuell 2007; 11(8): 14
DOI: 10.1055/s-2007-1010950
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Zahl der chronisch Nierenkranken steigt - KfH setzt sich für bessere Prävention ein

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Publication Date:
12 December 2007 (online)

 
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"Wir geben rund 3,5-4 Milliarden Euro pro Jahr für die 64 000-70 000 dialysepflichtigen Patienten aus und werden den Betrag künftig nicht einfach verdoppeln können. Daher muss die Antwort der Gesellschaft Prävention sein", betonte Prof. Hans-H. Neumayer von der Berliner Charité anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) in Berlin.

Nierentransplantationen wären langfristig zwar kostengünstiger und könnten zudem das Sterberisiko reduzieren, doch zum einen betragen die Wartezeiten durchschnittlich fünf bis sieben Jahre (2005 warteten knapp 9 000 Patienten auf eine Spenderniere) und zum anderen kommen aufgrund von Alter, Multimorbidiät und anderen Faktoren nur etwa 30 % der Dialysepatienten für eine Transplantation infrage.

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Prävalenz steigt um mehr als 50 %

Neumayer bezieht sich bei seiner Warnung vor steigenden Kosten auf die Jahresberichte der "QuaSi-Niere", nach denen die Gesamtzahl der Dialysepatienten von 1995 bis 2005 um 22 077 auf 63 427 gestiegen ist - das entspricht einer Zunahme von 53 %. Ähnlich sieht es mit der Zahl der neu dialysepflichtigen Patienten aus: Sie stieg im gleichen Zeitraum um 5 035 auf 16 766, was einer Zunahme von 35 % gleichkommt.

Dieser enorme Anstieg ist zwar zum Teil auf den demografischen Wandel zurückzuführen. Besonders betroffen ist jedoch die Altersklasse der 65-75-Jährigen, treibende Kraft für die zunehmenden Probleme scheinen daher wohl die großen Volkskrankheiten Diabetes und Hypertonie zu sein.

Derzeit gibt es etwa sieben Millionen deutsche Diabetiker und etwa 20 Millionen Hypertoniker. Beide Erkrankungen verlaufen lange Zeit symptomlos und sind im Spätstadium wichtige Ursachen für chronisches Nierenversagen. So lag 2005 bei 35 % der Patienten, die eine Nierenersatztherapie beginnen mussten ein Diabetes und bei 23 % eine vaskuläre Nephropathie vor. Entzündliche Nierenerkrankungen (interstitielle Nephritis, Glomerulonephritis) machten hingegen zusammen weniger als 25 % der Grunderkrankungen aus.

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KfH in Berlin wird 30

Das KfH beschäftigt bundesweit mehr als 6 500 Mitarbeiter in mehr als 200 Nierenzentren. In Berlin unterhält das KfH acht Einrichtungen, in denen rund 300 Mitarbeiter mehr als 1 000 Patienten betreuen. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des KfH in der Hauptstadt hat der Künstler Raúl Zárate, ehemals dialysepflichtig und seit 2001 transplantiert, auf einer Festveranstaltung ein Kunstwerk kreiert, das auf die Nierengesundheit aufmerksam machen soll und versteigert wurde.

Der Gewinn kommt dem Rehabilitationszentrum für transplantierte und dialysepflichtige Kinder "Ederhof" zugute.

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Abb. 1 Der nierentransplantierte Künstler Raul de Zarate und Dr. Priska Hecht (KfH Berlin-Mitte) präsentieren das Bild des Künstlers, das zugunsten transplantierter und dialysepflichtiger Kinder versteigert wurde

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Stiftung soll Prävention verbessern

Daher hat das KfH, das seit 1969 besteht und bundesweit etwa 30 % der Dialysepatienten betreut, eine Stiftung "Präventivmedizin" ins Leben gerufen, um die Früherkennung und Prävention von Nierenerkrankungen zu verbessern. Die Stiftung fördert entsprechende Forschung. Außerdem will sie durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit die Bevölkerung und auch Kollegen anderer Fachrichtungen für die Problematik sensibilisieren und die fachübergreifende Zusammenarbeit, etwa mit Diabetologen, Urologen, Hausärzten und Ernährungsberatern ermöglichen sowie ausbauen.

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Nephrologen möchten Risikopatienten früher sehen

Denn wie Neumayer beklagte, werden Risikopatienten noch immer zu spät einem Nephrologen vorgestellt. Dr. Claudia Naoum vom KfH-Nierenzentrum Berlin-Mitte empfiehlt die Konsultation, wenn der Patient eine signifikante Eiweißausscheidung (> 300 mg/Tag) hat, ein Mikroalbumintest positiv ausfällt oder der Kreatininwert steigt.

Nach der Erstvorstellung würde sie die Patienten zur Kontrolle drei bis sechs Monate später erneut einbestellen.

Hat sich die Situation stabilisiert, hält Naoum jährliche Kontrolluntersuchungen für ausreichend bzw. eine enge Kooperation mit dem Hausarzt, der den Patienten bei Auffälligkeiten erneut vorstellt, um gegebenenfalls frühzeitig eine Therapie einzuleiten.

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Medikamentöse Therapie kann Progression herauszögern

Laut Neumayer konnten mindestens 20 große Studien belegen, dass sich die Progression von Nierenerkrankungen durch eine frühe, effektive Hochdrucktherapie, zum Beispiel mit ACE-Hemmern, AT1-Antagonisten oder Renininhibitoren, um etwa zehn Jahre hinauszögern lässt. Auch die optimale Behandlung anderer Grunderkrankungen, wie Diabetes und eine Lebensstilberatung (Sport, Ernährung), sind nach seinen Angaben wichtig.

Die Dialyse würde Neumayer bei einer glomerulären Filtrationsrate unter 15 ml/min beginnen. Für eine Transplantation sollten nach seiner Ansicht mehr Patienten als bisher gemeldet werden. Er empfiehlt, jeden Dialysepatienten unter 65 Jahren vorzustellen, im Einzelfall jedoch auch in höherem Alter. Die Entscheidung hänge dann allerdings von der individuellen Krankengeschichte ab.

Petra Eiden, Berlin

Quelle: Pressekonferenz "Dialysemedizin in der Hauptstadt: 30 Jahre KfH in Berlin", veranstaltet vom KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V., Neu-Isenburg

 
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Abb. 1 Der nierentransplantierte Künstler Raul de Zarate und Dr. Priska Hecht (KfH Berlin-Mitte) präsentieren das Bild des Künstlers, das zugunsten transplantierter und dialysepflichtiger Kinder versteigert wurde