Der Klinikarzt 2007; 36(11): 617-618
DOI: 10.1055/s-2007-1005197
Medizin & Management

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DKG appelliert an die Politik: „Wir brauchen Hilfe” - Krankenhäuser in wirtschaftlicher Not

Petra Eiden
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Petra Eiden

Berlin

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Publication Date:
28 November 2007 (online)

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Nicht besonders optimistisch blickt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in die Zukunft: 30 % aller Krankenhäuser werden in diesem Jahr Verluste schreiben, praktisch alle Häuser erwarten jedoch eine Verschlechterung ihrer Jahresergebnisse. Nach Jahren intensiver Durchrationalisierung sei die „Zitrone ausgequetscht”. Die nächste Stufe führe in die Rationierung der Versorgung - eine Entwicklung, welche die 17 Millionen Patienten in den deutschen Kliniken schon heute spüren. Kein Wunder: Denn in den letzten zehn Jahren wurden mehr als 150000 Arbeitsplätze im Krankenhaus abgebaut.

„Wir sind in Not, wir brauchen Hilfe”, appellierte Georg Baum, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), an die deutsche Politik. Der Grund für seinen Aufruf waren die diesjährigen Ergebnisse der seit 2000 jährlich durchgeführten, repräsentativen Befragung von deutschen Krankenhäusern, die dramatischer ausfielen als erwartet (www.dkgev.de, www.dki.de.).

So belegt das „Krankenhaus-Barometer 2007”, für das von April bis Juni dieses Jahres 304 Allgemeinkliniken zu ausgewählten Themenschwerpunkten Stellung bezogen haben, dass etwa ein Drittel der Häuser für das laufende Jahr von Verlusten ausgeht. Ein weiteres Drittel erwartet ein ausgeglichenes Ergebnis und nur knapp 39 % - 2006 waren es noch 55 % - gehen von einem Jahresüberschuss aus [Abb. 1]. Dementsprechend beurteilen knapp 30 % der Kliniken ihre wirtschaftliche Situation 2007 als eher unbefriedigend und 40 % als teils gut, teils schlecht [Abb. 2].

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Abb. 1 Schwierige Situation: Fast ein Drittel der Krankenhäuser erwartet für das Jahr 2007 Verluste Quelle: Deutsches Krankenhausinstitut (www.dki.de)

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Abb. 2 Düstere Prognose: Fast 70 % der Krankenhäuser sind mit ihrer wirtschaftlichen Situation nicht zufrieden Quelle: Deutsches Krankenhausinstitut (www.dki.de)

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DRGs sind nicht die treibende Kraft

In der Einführung der Fallpauschalen („diagnosis related groups”, DRGs) im Jahr 2004 sieht Dr. Karl Blum, Leiter des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), nicht die treibende Kraft für die angespannte ökonomische Situation. „Insgesamt muss man feststellen, dass sich die Kliniken trotz Schwierigkeiten relativ gut auf die neue Lage eingestellt haben”, erklärte er. So befindet sich beim Krankenhausindex, der von -1 bis +1 reicht und standardisiert auf Einschätzungen der wirtschaftlichen Lage und der Erwartung basiert, die „aktuelle Situation” seit 2002 zwar im negativen Bereich, doch seit 2004 steigt sie wieder leicht. Auch die „Erwartung für das Folgejahr” verbesserte sich in dieser Zeit, fiel 2007 allerdings erstmalig wieder ab.

Laut Blum konnten die Kliniken die Einführung der Fallpauschalen abfedern, indem sie die Unternehmensstrategien seit 2004 entsprechend umgestellt haben: Knapp 50 % der Kliniken kooperieren inzwischen mit anderen Krankenhäusern und jeweils rund ein Drittel stimmt sein Leistungsangebot mit anderen Häusern ab oder vergibt Aufträge an externe Labors oder niedergelassene Ärzte bzw. Praxen („Outsourcing”). Ein Viertel der Häuser geht den entgegengesetzten Weg und gliedert Leistungen, die zuvor von externen Dienstleistern erbracht wurden, wieder in den Leistungskatalog des Hauses ein („Insourcing”). Jeweils knapp ein Fünftel der Krankenhäuser hat neue Schwerpunkte bzw. Fachabteilungen gebildet oder die Rechtsform gewechselt.

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Kostensteigerungen durch Arbeitszeitrecht und Tariferhöhung

Wichtige ökonomische Probleme sind dagegen - auch das lässt sich nach der Befragung der Kliniken für das Krankenhaus-Barometer konstatieren - das neue Arbeitszeitgesetz und die Tariferhöhungen für Klinikärzte. Etwa drei Viertel der Kliniken haben demnach Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung des Arbeitszeitrechts. Sie hätten finanzielle und personelle Probleme, erläuterte Blum. Zudem seien die benötigten Klinikärzte auf dem Markt nicht verfügbar.

Darüber hinaus haben die Tariferhöhungen, die sich laut Baum jährlich auf rund 1,5 Milliarden Euro summieren, in 11 % der Kliniken zu einem Stellenabbau im ärztlichen Dienst und in 38 % der Kliniken zu einem Stellenabbau in anderen Berufsgruppen geführt. 28 % der Häuser besetzen offene Stellen im ärztlichen Dienst zeitweise nicht neu und knapp 68 % versuchen, durch Prozessoptimierungen im ärztlichen Dienst die Mehrkosten auszugleichen. Zudem planen 46 % der Kliniken, ärztliche Aufgaben auf andere Berufsgruppen zu delegieren. Baum dazu: „In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 150000 Arbeitsplätze im Krankenhaus abgebaut, insbesondere in der Pflege.”

Als weitere Ursachen für die Kostensteigerungen nannte Baum die Mehrwertsteuererhöhung und den Anstieg der Energiekosten. Nach seinen Angaben reagieren die Krankenhäuser auf die wirtschaftlich angespannte Situation unter anderem mit der Vorlage von Notlagentarifverträgen, die beispielsweise mit Einbußen beim Weihnachtsgeld einhergehen. Sie gelten inzwischen in 11 % der Kliniken, weitere 8 % haben derartige Ausnahmeregelungen geplant.

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Pessimistischer Blick in die Zukunft

Trotz der ökonomischen Schwierigkeiten ist laut Blum die Qualität nach wie vor ein wichtiges Unternehmensziel. Den befragten Kliniken waren vor allem eine hohe Patientenzufriedenheit, eine hohe Qualität bei der Leistungserbringung und ein gutes Image sehr wichtig bis äußerst wichtig. Die Erhöhung des Umsatzes, die Gewinnerzielung und die hohe Kapitalrendite wurden hingegen nur als wichtig bis sehr wichtig eingestuft.

Ob sie diese Zielvorgaben auch tatsächlich erreichen können, schätzten die Kliniken im Bereich der Qualität als gut bis sehr gut, im Bereich der Ökonomie hingegen nur als annehmbar bis gut ein. „In früheren Befragungen wurden die ökonomischen Ziele leichter erreicht”, fügte Blum hinzu. Entsprechend negativ ist der Blick in die Zukunft. 42 % der Kliniken erwarten für das Jahr 2008, in dem auch die Konvergenzphase der DRG-Einführung endet, eine schlechtere wirtschaftliche Situation, und 37 % schätzen sie als eher gleichbleibend ein. Vor allem kleinere Kliniken mit weniger als 300 Betten sehen dem nächsten Jahr pessimistisch entgegegen.

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Kosten steigen - Erlöse sinken

Verantwortlich für diese wirtschaftlichen Probleme sei eine Schere zwischen Kosten- und Erlössteigerung, konstatierte Blum. Denn zeitgleich zu der dramatischen Kostenentwicklung hätte die Politik mit den Einspargesetzen 2006 und der Sanierungsabgabe der Kliniken im Rahmen der Gesundheitsreform 2007 massive Kürzungen vorgenommen.

So dürfen laut Baum die Krankenhäuser im nächsten Jahr die Vergütung um maximal 0,64 % erhöhen. Parallel werde jede Rechnung um 0,5 % Sanierungsabgabe für die Krankenkassen gekürzt. „Bei einem Preiserhöhungsspielraum von fast Null bringen die Kostensteigerungen und vor allem die im Jahr 2008 anstehenden Tarifverhandlungen der nichtärztlichen Mitarbeiter das Fass zum Überlaufen”, warnte der Hauptgeschäftsführer der DKG.

Er kritisierte vor allem die enorme Diskrepanz zwischen dem zunehmenden konjunkturellen Aufschwung einerseits und der Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Drucks auf die Krankenhäuser andererseits. Die Kliniken hätten Kosten aus Zeiten der Hochkonjunktur und Einnahmen aus Zeiten der Depression. Die Kürzungen und Einschnitte aus der Gesundheitsreform seien 2006 unter ganz anderen Annahmen erfolgt, da sich die Situation der öffentlichen Haushalte und der Kassen deutlich verbessert habe, so Baum.

Daher forderte er die Politik auf, die Kliniken am Aufschwung teilhaben zu lassen, indem sie die Kostensteigerungen - wie in anderen Wirtschaftszweigen auch - in ihren Vergütungen weitergeben dürfen. Außerdem müsse die Sanierungsabgabe von 280 Millionen Euro jährlich an die Kassen aufgehoben werden.

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Schon jetzt: Rationierungen am Krankenbett

Andernfalls erwartet Baum eine Verschlechterung der medizinisch-technischen Ausstattung und eine Rationierung der Versorgung. „Die deutschen Krankenhäuser haben große Potenziale, doch wenn die Arbeits- und Vergütungsbedingungen für die Mitarbeiter durch die gesundheitspolitische Steuerung nicht verbessert werden, laufen wir Gefahr, wichtige Ressourcen der Volkswirtschaft zu verlieren”, warnte er. „Die Zitrone ist ausgequetscht.”

Nach der Phase der intensiven Rationalisierung führe das anhaltende Auseinanderklaffen von Kosten und Erlösen zwangsläufig zu einem Verlust an Zuwendung gegenüber den Patienten, um mit der vorhandenen finanziellen Ausstattung das medizinisch Notwendige noch aufrechterhalten zu können. Das würden die jährlich rund 17 Millionen Patienten der Kliniken leider bereits längst am Krankenbett spüren, so der DKG-Hauptgeschäftsführer.

Quelle: Pressekonferenz „Vorstellung des Krankenhaus-Barometer 2007”, veranstaltet von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Berlin

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Abb. 1 Schwierige Situation: Fast ein Drittel der Krankenhäuser erwartet für das Jahr 2007 Verluste Quelle: Deutsches Krankenhausinstitut (www.dki.de)

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Abb. 2 Düstere Prognose: Fast 70 % der Krankenhäuser sind mit ihrer wirtschaftlichen Situation nicht zufrieden Quelle: Deutsches Krankenhausinstitut (www.dki.de)