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DOI: 10.1055/s-2006-959076
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Aktion "Schmerzfreies Krankenhaus" - Pilotprojekt abgeschlossen - Fünf Kliniken haben neue Schmerztherapiekonzepte erfolgreich etabliert
Publication History
Publication Date:
31 January 2007 (online)
- Ausgangslage war zum Teil denkbar schlecht
- Einfache Mittel verbessern die Qualität der Schmerztherapie
- Der Erfolg gibt dem Konzept recht
- Wer steckt dahinter?
Im Rahmen der MEDICA Düsseldorf haben die fünf Kliniken, die sich am Pilotprojekt der Aktion "Schmerzfreies Krankenhaus" beteiligt haben, Ende letzten Jahres das Zertifikat "Qualifizierte Schmerztherapie" erhalten. Voraussichtlich innerhalb des nächsten halben Jahres werden dann auch die Ergebnisse der 20 weiteren Kliniken vorliegen, deren Schmerzmanagement im Rahmen der Aktion derzeit evaluiert wird. Und das Interesse wächst weiter: Derzeit liegen etwa 80-100 Anmeldungen von Kliniken vor, die ebenfalls ihr Interesse an einer solchen Zertifizierung bekunden.
#Ausgangslage war zum Teil denkbar schlecht
Schon vorab hatten sich die fünf Kliniken des Pilotprojekts zum Teil intensiv mit dem Thema Schmerz auseinandergesetzt - wohl wissend, dass gerade eine qualifizierte Schmerztherapie eines der wichtigsten Kriterien für Patienten ist, sich für eine Klinik zu entscheiden, wie Prof. Jürgen Osterbrink, Universität Witten-Herdecke, betonte.
"Unsere Ausgangshypothese hat sich bestätigt. Die Kompetenz in der Schmerztherapie war zwar vorhanden, wurde aber nicht ausreichend umgesetzt", so Prof. Christoph Maier, Bochum. "Zu Beginn des Pilotprojekts hatten rund ein Drittel der Patienten der beteiligten Kliniken Ruheschmerzen", berichtete er. "Und bis zu 45% der Patienten erhielten Schmerzmedikamente", ergänzte Osterbrink, "die nicht, zu kurz oder zu wenig wirksam waren. Das schreit nach Veränderungen!"
#Einfache Mittel verbessern die Qualität der Schmerztherapie
Im Rahmen des Projekts wurden daher Strukturen etabliert, die ein effektives Schmerzmanagement sicherstellen. Die erste und grundlegende Maßnahme ist dabei die routinemäßige und regelmäßige Messung und Dokumentation der Schmerzen möglichst bei jedem Schichtwechsel. "Schmerzen wurden quasi zum fünften Vitalzeichen", meinte Osterbrink.
Darüber hinaus wurden in den Kliniken Arbeitsgruppen installiert, die fach- und berufsgruppenübergreifend strukturelle und prozessbezogene Veränderungen für das Schmerzmanagement erarbeiteten. Gemeinsam beleuchteten Pflegende, Chirurgen, Neurologen, Ärzte der Inneren Medizin und Onkologen nicht nur Fehler und das Optimierungspotenzial, sondern auch die Stärken der einzelnen Kliniken und Abteilungen. Daraus wiederum erarbeiteten sie transparente Verfahrensregelungen und Therapiekonzepte zum Einsatz von Analgetika.
Inzwischen sind die Konzepte in den Arbeitsalltag der Kliniken implementiert: So ist für bestimmte Operationen oder Erkrankungen ein Schmerzmedikament der ersten und der zweiten Wahl definiert. Darüber hinaus sind Stufenpläne entwickelt worden, aus denen auch ersichtlich ist, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Medikament Ärzte und Pflegende wechseln können, wenn die primär eingesetzte Behandlung nicht ausreichend wirksam ist. Zusätzliche Alarmpläne regeln im Falle von Komplikationen die Einbeziehung der Pflegenden in die Schmerztherapie. Pflegende und Ärzte werden regelmäßig geschult. Darüber hinaus werden Maßnahmen implementiert, die sicherstellen, dass bei besonderen Problemen schnell ein verantwortlicher Arzt zur Verfügung steht. Inzwischen ist es sogar nachts die Ausnahme, dass ein Patient länger als 30 Minuten auf sein Schmerzmedikament warten muss.
#Der Erfolg gibt dem Konzept recht
Zunächst war nicht ganz einfach zu akzeptieren, wie unzureichend das schmerztherapeutische Management an unserer Klinik war, konstatierte Dr. Raimund Stögbauer, der bis vor kurzem als Chefarzt der Anästhesie am Krankenhaus Bethanien in Moers tätig war und sich für das Projekt "Schmerzfreies Krankenhaus" einsetzte. Inzwischen ist Stögbauer Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin der Orthopädischen Klinik in Markgröningen.
"Heute haben wir in Moers die Schmerzen unserer Patienten, vor allem nach Operationen deutlich besser 'im Griff'!" Dies zeigt sich zum Beispiel, wenn man die Verweildauern der Patienten betrachtet. Im ambulanten Bereich zum Beispiel konnte die Aufenthaltsdauer um 2,5 Stunden reduziert werden. Wie gut die Neuerungen ankommen, zeigen die außerordentlich positiven Rückmeldungen der Mitarbeiter, Zuweiser und der Patienten. "So etwas habe ich noch nie erlebt", berichtete Stögbauer, "es ist ein Riesenerfolg!"
Ähnliche Erfahrungen haben auch die Pflegedirektorin Barbara Ide und Dr. Thomas Blankenburg aus dem Städtischen Krankenhaus Martha-Maria in Halle-Döhlau gemacht. Dank einer umfassenden Beschäftigung mit dem Thema Schmerz hatte dieses Krankenhaus schon im Vorfeld des Zertifizierungsprozesses ein vergleichsweise gutes Schmerzmanagement implementiert.
Trotzdem konnte durch die weiteren Neuerungen nochmals eine deutliche Verbesserung erzielt werden: "Wir reduzierten den Anteil der Patienten, die an mäßigen, starken und stärksten Schmerzen leiden, noch einmal um die Hälfte", berichtete Blankenburg. "und heute sind über 80% der Patienten, die Schmerzen haben, mit unserer Schmerztherapie sehr zufrieden oder zufrieden!"
Natürlich kann der erreichte Status Quo jetzt nicht das Ende sein, darüber sind sich die Mitarbeiter der zertifizierten Kliniken und die Experten des Projekts "Schmerzfreies Krankenhaus" einig. Jetzt müsse man versuchen, eine nachhaltige Qualitätssicherung zu betreiben, um den Erfolg zu erhalten und möglicherweise noch weiter ausbauen zu können. "Doch wir haben die Hoffnung, unserer Vision - dem schmerzfreien Krankenhaus - einen großen Schritt näher gekommen zu sein", schloss Maier.
#Wer steckt dahinter?
Das Projekt "Schmerzfreies Krankenhaus" ist ein Forschungsprojekt der Universität Bochum, das in Zusammenarbeit mit vier medizinischen Fachgesellschaften aufgelegt wurde. Gemeinsam haben die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) e.V., die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Klinische Medizin (DGIKM) e.V., die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) e.V. und der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) e.V. jetzt die Gesellschaft für Qualifizierte Schmerztherpie Certkom e.V. gegründet, welche unter anderem die Zertifizierung der Kliniken vornimmt. Wichtigstes Ziel der Certkom e.V. ist die Förderung von Klinik und Forschung auf dem Gebiet der Schmerztherapie und Palliativmedizin. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.certkom.com und www.schmerzfreies-krankenhaus.de |
Stephanie Schikora, Stuttgart
Quelle: Pressekonferenz "Schmerzfreies Krankenhaus: Fünf Kliniken am Ziel", veranstaltet von der Mundipharma Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG, Limburg/Lahn und Pressegespräch der Gesellschaft für Qualifizierte Schmerztherapie Certkom e.V., im Rahmen der MEDICA 2006