Der Klinikarzt 2007; 36(1): 52-53
DOI: 10.1055/s-2006-959075
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Substanzwahl bei invasiven Mykosen - Penetrationsfähigkeit wichtig für den Therapieerfolg

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Publication Date:
31 January 2007 (online)

 
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Systemische Pilzinfektionen sind eine immense Bedrohung für immunsupprimierte Patienten, gehen sie doch mit einer hohen Letalität einher. Diese lässt sich nur senken, wenn frühzeitig eine effektive Therapie eingeleitet wird. Bei der Wahl des Antimykotikums sollten jedoch nicht alleine die In-vitro-Daten einer Substanz zur Wirksamkeit die Grundlage der Therapieentscheidung sein. Weitaus bedeutender ist seine Effektivität in vivo, die wiederum von der Substanzkonzentration am Infektionsort abhängt. Dieser Forderung nach einer guten Penetrationsfähigkeit wird zum Beispiel das Triazol Voriconazol (Vfend®) gerecht.

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Pharmakologische Aspekte beachten

Das therapeutische Arsenal zur Bekämpfung invasiver Mykosen umfasst heute neue Breitspektrum-Azole, Echinocandine sowie den mittlerweile in Deutschland auf dem Markt erhältlichen Amphotericin-B-Lipidkomplex. Daneben spielen aber auch ältere Pharmaka wie Amphotericin B in konventioneller und liposomaler Form sowie Fluconazol nach wie vor eine Rolle.

Bei der Auswahl des geeigneten Antimykotikums zur Therapie einer schweren Pilzinfektion sind laut Prof. Georg Maschmeyer, Potsdam, nicht nur das In-vitro-Spektrum einer Substanz und ihre Daten zur klinischen Wirksamkeit sowie zur Resistenzlage zu beachten. Vielmehr müssen auch pharmakologische Aspekte wie Resorptionsverhältnisse und Gewebeverteilung als Auswahlkriterien mit in die Entscheidung einfließen. Denn nur wenn ein Präparat in ausreichender Menge an den Infektionsort gelangt, kann es dort auch seine Wirkung entfalten.

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Penetration zum Wirkort abhängig von Molekülgröße

Zunächst stellt sich die Frage, welcher Wirkort jeweils erreicht werden soll. Aspergillen zum Beispiel gelangen über die Atemwege in den Körper. Dementsprechend sind Lunge und Nasennebenhöhlen die Hauptmanifestationsorte bei invasiven Aspergillosen. Im Lungenparenchym induzieren die Erreger die Bildung von Abszessen.

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Aufgrund ihres Angiotropismus dringen sie aber auch in Blutgefäße ein und lösen Thrombosen mit nachfolgender Infarzierung aus. Solche Areale sind für Antimykotika besonders schwer zu erreichen. Per continuitatem, ausgehend von den Nebenhöhlen, oder durch eine hämatogene Dissemination von der Lunge aus wandern Aspergillen ins Gehirn, manchmal auch in Leber und Haut bzw. andere Organe.

Eine Candidämie wiederum entwickelt sich in der Regel über eine endogene Kolonisierung und Translokation. In einigen Fällen kommen die Erreger auch über offene Wunden oder kolonisierte intravasale Katheter ins Blut. Durch eine hämatogene Dissemination gelangen sie dann in Lunge, Herz, Niere, Leber, Milz, in den Liquorraum sowie in intraokuläre Kompartimente.

Die Fähigkeit der verschiedenen Antimykotika, in unterschiedliche Gewebe zu diffundieren sowie die Blut-Liquor-Schranke zu überwinden, hängt entscheidend von ihrer Molekülgröße ab. Die beste Penetrationsfähigkeit weisen kleine Moleküle wie Voriconazol und Fluconazol auf. Itraconazol und Posaconazol besitzen aufgrund ihrer Seitenketten etwa die doppelte Größe. Noch einmal deutlich größer sind Amphotericin B und Echinocandine.

Außerdem führt eine starke Hydrophobie, wie sie bei Amphotericin B, Posaconazol und Itraconazol vorliegt, zu einer geringeren Verfügbarkeit freier Substanz in relevanten Geweben. Den gleichen Effekt hat eine ausgeprägte Hydrophilie, die man bei einigen Echinocandinen findet.

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Guter Zugang zu schwer erreichbaren Kompartimenten

Von entscheidender Bedeutung für den Therapieerfolg bei pulmonaler Aspergillose ist die Diffusion von Antimykotika in den Alveolarfilm. Wie aktuelle Daten zeigen, erfolgt bei Voriconazol eine ausgeprägte Kumulation im Alveolarfilm. Das Präparat bietet auch hinsichtlich der Penetration in Leber, Hirn, Niere, Milz und Herz ein relativ homogenes Bild. In all diesen Geweben lassen sich Spiegel nachweisen, die weit über der hoch effektiven Konzentration von 8 µg/ml liegen. Im Gehirn werden sogar Spiegel von 35 µg/ml erreicht. Selbst im Inneren eines intrazerebralen Abszesses ließen sich laut einer neuen Studie therapeutisch wirksame Konzentrationen nachweisen.

Diese gute Penetrationsfähigkeit von Voriconazol mit nachfolgendem Aufbau effektiver Spiegel im Gehirn führte in der bisher größten Fallserie bei intrazerebralen Aspergillosen zu einer Ansprechrate von 35 %. Angesichts der Tatsache, dass die Prognose bei solchen Erkrankungen zuvor nahezu infaust war, sprach Maschmeyer bei den Ergebnissen unter Voriconazol von "einer ganz neuen Qualtität".

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Viele Antimykotika scheitern an der Blut-Hirn-Schranke

Im Unterschied dazu ist es bei anderen Antimykotika deutlich schlechter um die Penetrationsfähigkeit ins Hirnparenchym bestellt. Konventionelles Amphotericin B erreicht diesen Infektionsort so gut wie gar nicht. Bei liposomalem Amphotericin B sieht es etwas besser aus. Auch Itraconazol kann die Blut-Hirn-Schranke aufgrund seiner Molekülgröße kaum überwinden. Nur relativ niedrige zerebrale Spiegel erzielt man ebenfalls mit Caspofungin, weshalb sich diese Substanz nach Aussage des Referenten nicht zur Therapie von im Gehirn lokalisierten Mykosen empfiehlt - auch wenn einzelne Gegenbeispiele existieren.

Zur Penetration von Posaconazol ins zerebrale Gewebe liegen keine beim Menschen erhobene Daten vor. Die Substanz erscheint jedoch aufgrund ihrer Molekülgröße ebenfalls nicht für den Einsatz bei einem Befall des zentralen Nervensystems (ZNS) geeignet. Allerdings gibt es auch hier Beispiele für eine erfolgreiche Behandlung. Mit Micafungin lassen sich im Hirnparenchym nur durch Verabreichung astronomisch hoher Dosen wirksame Spiegel aufbauen, sodass auch dieses Präparat zur Therapie von ZNS-Mykosen nicht infrage kommt.

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Wenn der Pilz ins Auge geht

Bei pilzbedingten Endophthalmitiden, meist durch Candida-Spezies, aber auch durch Fusarien verursacht, stellt sich ebenfalls die Frage, welches Antimykotikum in der Lage ist, die für Pharmaka schwer zugänglichen intraokulären Kompartimente zu erreichen. Nach Gabe von Caspofungin zum Beispiel findet man im Glaskörper nur verschwindend geringe Substanzspiegel, weshalb diese Behandlung wenig Erfolg zeigt. Amphotericin B diffundiert im Fall einer Endophthalmitis ebenfalls kaum an den Infektionsort, sondern muss intravitreal injiziert werden.

Dagegen lassen sich mit Fluconazol und Voriconazol wirksame Spiegel in Glaskörper und Kammerwasser erzielen. Beide Präparate haben sich auch klinisch in der genannten Indikation bewährt.

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Schnellere Elimination erfordert Dosisanpassung bei Kindern

Bei Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren lässt sich mit Voriconazol in einer Dosis von 8 mg/kg i.v. annähernd die gleiche Exposition (AUC) erzielen wie bei Erwachsenen mit 4 mg/kg. Im Dosisbereich von 2-8 mg/kg Körpergewicht wurde Voriconazol unabhängig von der Dosishöhe und vom Alter gut vertragen. Dies hat eine pharmakokinetische Studie an Kindern unter zwölf Jahren ergeben, bei denen aufgrund einer Chemotherapie bzw. einer Stammzell- oder Knochenmarktransplantation ein erhöhtes Risiko für invasive Pilzinfektionen bestand.

Antimykotische Prophylaxe - Dosierung bei Kindern

Das Azolantimykotikum Voriconazol wird bei Kindern schneller eliminiert als bei Erwachsenen und führt hier in der üblichen Erwachsenendosierung von zweimal täglich 4 mg/kg zu einer signifikant niedrigeren Fläche unter der Plasmakonzentrations/Zeit-Kurve ("area under the curve", AUC). Deshalb untersuchte Prof. Thomas J. Walsh, Bethesda (USA), in einer offenen multizentrischen und multinationalen Kohortenstudie bei insgesamt 48 immunkompromittierten, hospitalisierten Kindern unter zwölf Jahren die Pharmakokinetik, Sicherheit und Verträglichkeit von Voriconazol.

Bei den Kindern war infolge einer myeloablativen Chemotherapie oder der Vorbereitungstherapie auf eine Stammzelltransplantation eine tiefe Neutropenie zu erwarten und somit eine antimykotische Prophylaxe indiziert. Am ersten Tag erhielten alle Kinder eine i.v.-Initialdosis von zweimal 6 mg/kg Körpergewicht Voriconazol. An den folgenden drei Tagen bekam die erste Kohorte zweimal 4 mg/kg, die zweite Gruppe jedoch zweimal 6 mg/kg. Von Tag fünf an wurden zweimal 6 bzw. zweimal 8 mg/kg für mindestens vier Tage (höchstens 16 Tage) verabreicht. Danach wurde, soweit möglich, für weitere vier Tage auf Voriconazol oral in einer Dosierung von zweimal 4 bzw. zweimal 6 mg/kg umgesetzt.

Pharmakokinetik unterscheidet sich nicht signifikant

Unter intravenöser Gabe fand sich zwischen den beiden Altersgruppen zwei bis fünf bzw. sechs bis elf Jahre, in die beide Kohorten unterteilt waren, kein Unterschied in der Pharmakokinetik - mit Ausnahme der 8-mg/kg-Dosierung, die bei den Älteren eine höhere AUC lieferte (35000 versus 26000) als bei den Jüngeren. Nach oraler Gabe sowohl von 4 als auch von 6 mg/kg wurden ebenfalls bei älteren Kindern deutlich höhere Plasmaspitzenspiegel und AUC-Werte gefunden. Allerdings waren diese Unterschiede infolge der großen interindividuellen Schwankungsbreite statistisch nicht signifikant.

Niedrigere orale Bioverfügbarkeit bei Kindern

Die orale Bioverfügbarkeit von Voriconazol war bei den Kindern im Mittel deutlich niedriger (65 versus 96%) als bei Erwachsenen. Für eine endgültige Dosisempfehlung halten die Autoren aufgrund der nichtlinearen Pharmakokinetik von Voriconazol eine populationspharmakokinetische Analyse für sinnvoll.

Nur wenige unerwünschte Wirkungen

Zwischen der Höhe der Voriconazol-Exposition und der Inzidenz unerwünschter Ereignisse (UE) fand sich kein eindeutiger Zusammenhang. Meist entwickelten die Kinder nur leichte bis mittelschwere Nebenwirkungen, die in Beziehung zur Grunderkrankung (Leukämie) oder der begleitenden Chemotherapie standen.

Unerwünschte Effekte in möglichem Zusammenhang mit der Antimykotikatherapie traten nur bei vier der 24 Kindern in Kohorte 1 bzw. neun der 24 Kinder in Kohorte 2 auf. Die Hälfte davon betraf die Leber, führte aber nur in zwei Fällen von Leberenzymstörungen zum Abbruch der Therapie. Eine Photophobie wurde nur bei einem Kind beobachtet.

Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte

Quelle: Walsh JF, Driscoll FA, Arietta AC et al. Pharmacokinetics, safety, and tolerability of voriconazole in hospitalized children. Poster M-887 auf der 46th Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC)

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Neben- und Wechselwirkungen berücksichtigen

Neben der Penetrationsfähigkeit ins Gewebe ist auch eine mögliche Organschädigung durch die eingesetzten Antimykotika zu beachten. Unter Amphotericin B muss bekanntlich mit einem nephrotoxischen Effekt gerechnet werden. Diese gravierende Nebenwirkung tritt unter liposomalen Formulierungen seltener auf, die Gefahr ist jedoch auch hier gegeben. Das gleiche gilt für Amphotericin-B-Lipidkomplexe.

Hinsichtlich einer Veränderung der Leberwerte existieren laut Maschmeyer keine Klassenunterschiede zwischen Amphotericin B, Caspofungin und Voriconazol. Unter all diesen Substanzen kann es zu einem Anstieg der Transaminasen kommen, der aber nicht bedrohlich ist.

Bei der Verwendung von Antimykotika sind auch potenzielle Arzneimittelinteraktionen zu berücksichtigen. Da Voriconazol über Cytochrom-P450-abhängige Enzyme verstoffwechselt wird, sind zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Pharmaka möglich, deren Metabolisierung auf dem gleichen Weg erfolgt. Diese Interaktionen sind inzwischen intensiv untersucht und gut dokumentiert. Die entsprechenden Hinweise finden sich in der Fachinformation der Substanz.

Dr. Maragrete Steinhorst, Mosbach

Quelle: Satellitensymposium "Spezielle Aspekte und neue Erkenntnisse in der antimykotischen Therapie" im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) 2006, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe

 
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