Pneumologie 2007; 61(1): 1
DOI: 10.1055/s-2006-959068
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Neuroimmunologische Interaktion - Eosinophile beeinflussen cholinerge Nerven

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Publication Date:
23 January 2007 (online)

 
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In der Studie von Durcan et al. geht es um die Frage der Beeinflussung von cholinergen, nervalen Strukturen in der Lunge durch räumlich eng benachbarte, eosinophile Granulozyten.

Bei verschiedenen Erkrankungen, wie Asthma, Rhinitis und bestimmten entzündlichen Darmerkrankungen, besteht eine solche Nähe und damit die Möglichkeit sogenannter neuroimmunologischer Interaktionen. Diese Arbeit bearbeitet die Hypothese, dass Eosinophile die Synthese und Freisetzung von Acetylcholin beeinflussen können. Am J Respir Cell Mol Biol 2006; 34: 775-786

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Esosinophile Granulozyten beeinflussen durch räumliche Nähe cholinerge, nervale Strukturen: der Muskarin-Rezeptor 2 (M2), die Cholinacetyltransferase (ChAT) und der vesikuläre Acetylcholintransporter (VAChT) werden dadurch vermehrt exprimiert (Bild: Taschenatlas der Hämatologie, Thieme 2002).

Um dieses zu untersuchen, wurde ein Kokultur-Modell verwendet, in dem humane eosinophile Granulozyten und eine humane Neuroblastom-Zelllinie verwendet wurden. Die Zelllinie IMR32 weist einen cholinergen Phänotyp auf. Aus der Fülle der Ergebnisse seien hier nur einige herausgegriffen. Nach 24 Stunden Kokultur ist die genetische Expression und die Proteinexpression des Muskarin-Rezeptors 2 (M2) deutlich erhöht. Wenn die Adhäsion von Eosinophilen an die Nervenzellen durch Antikörper gegen die Adhäsionsmoleküle ICAM-1 und VCAM-1 blockiert wurde, blieb ein Effekt auf die Expression von M2 aus, was die Bedeutung eines echten, zellulären Kontaktes unterstreicht. Die sogenannte Cholinacetyltransferase (ChAT) und der vesikuläre Acetylcholintransporter (VAChT) wurden ebenfalls nach 24 Stunden Kokultur vermehrt exprimiert (mRNA, Protein). Die Acetylcholinkonzentration verringerte sich in der Kultur mit der Zeit zugunsten einer ansteigenden Cholinkonzentration, was auf einen erhöhten Acetylcholinumsatz hinweist.

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Bewertung

Die Stimulation parasympathischer Nerven ist ohne Frage von Bedeutung für pulmonale Erkrankungen, da die Freisetzung von Acetylcholin u.a. die Mukusproduktion steigert, was bei Asthma und COPD von pathophysiologischer Bedeutung ist. Die Forschung über neuroimmunologische Funktionen von Acetylcholin als Botenstoff zwischen Nerven und den verschiedensten Immunzellen ist erst am Anfang und wird meines Erachtens noch erhebliche Bedeutung erlangen. Viel mehr ist bekannt über Eosinophile als Quelle von sogenannten Neurotrophinen, die die neuronale Plastizität in der Lunge und in extrapulmonalen Ganglien beeinflussen. So sind beispielsweise Substanzen als neue Therapieoptionen für Asthma im Gespräch, die bestimmte Neurotrophine bzw. deren Rezeptoren blockieren. In der referierten Arbeit wurden nun wichtige Moleküle des Acetylcholinstoffwechsels wie ChAT und VAChT untersucht, die für Synthese und Transport von Acetylcholin essenziell sind. Natürlich stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die hier mit einer Neuroblastomzellinie durchgeführten In- vitro-Studien etwas mit der In-vivo-Situation zu haben. Zumindest haben sich interessante Hinweise ergeben, die weitere Forschung zur In-vivo-Bedeutung und -Funktion höchst sinnvoll erscheinen lassen. Die Ergebnisse der Kontaktblockade durch Antikörper zeigen, dass grundsätzlich zwischen indirekten Mechanismen - über ausgeschüttete Mediatoren (z.B. ECP, NGF) - und direkten Mechanismen durch Zell-Nerven-Kontakte unterschieden werden muss. Zusammenfassend scheinen Eosinophile am sogenannten Remodeling zum cholinergen Phänotyp von Nerven beteiligt zu sein, wenn sie in der unmittelbaren Nähe zu Nervenfasern im Lungengewebe liegen, was relativ häufig der Fall sein sollte. Ein wenig kritisch sei angemerkt, das auch Histaminrezeptoren und natürlich Mastzellen in dieses pathophysiologische Neuroimmun-Szenario gehören und ebenfalls untersucht werden sollten. Vielleicht vervollständigen sich diese Mosaike in einigen Jahren und es kann an dieser Stelle darüber berichtet werden.

Bewertet von T. Tschernig, Hannover

 
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Esosinophile Granulozyten beeinflussen durch räumliche Nähe cholinerge, nervale Strukturen: der Muskarin-Rezeptor 2 (M2), die Cholinacetyltransferase (ChAT) und der vesikuläre Acetylcholintransporter (VAChT) werden dadurch vermehrt exprimiert (Bild: Taschenatlas der Hämatologie, Thieme 2002).