Der Klinikarzt 2006; 35(10): XVIII-XIX
DOI: 10.1055/s-2006-954437
Medizin & Management

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Schnell und kompetent reagieren, Vertrauen erhalten - Krisen erfordern Kommunikationsmanagement

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Publication Date:
02 November 2006 (online)

 
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Krisen haben auf unsere Informationsgesellschaft eine besondere Wirkung. So hätte BSE nicht diese riesige Bedeutung erlangt, wenn sich nicht die Medien auf das Thema gestürzt und vielfach die lebensbedrohliche Situation für die Verbraucher und Fleischindustrie überzeichnet hätten. Ein krisenhaftes Ereignis wird letztlich erst zu einer Krise, wenn die Öffentlichkeit, wozu auch die Mitarbeiter einer Klinik zählen, davon erfährt. Krisenmanagement ist somit auch immer Kommunikationsmanagement.

Die große Bedeutung guter Kommunikationsfähigkeiten von Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus zeigt sich angesichts der vielen negativen Meldungen im Gesundheitswesen sowie einer erhöhten Bereitschaft von unzufriedenen Patienten, die Medien einzuschalten oder gar strafrechtliche Verfahren anzustreben.

Tiefgreifende strukturelle Umbrüche im deutschen Krankenhaussystem haben nicht nur den wirtschaftlichen Druck auf die einzelnen Kliniken erhöht, auch die Öffentlichkeit (von der Politik bis hin zu den Journalisten, zum Verbraucher und den Patienten) ist hoch sensibilisiert und zum Teil sehr kritisch. In diesem nicht unproblematischen Umfeld kommt der Krisenprävention und Krisenkommunikation eine zunehmende Bedeutung zu.

Krisen sind dabei weit mehr als ein juristisches Problem: Sie stellen die Glaubwürdigkeit eines Krankenhauses generell infrage. Unverständnis und Wut sind dann meist die Faktoren, welche die darauf folgende öffentliche Diskussion bestimmen. Mit rationalen Argumenten und einer lückenlosen Aufklärung ist die Krise allein nicht zu bewältigen. Warum eigentlich?

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Der Schlüssel ist Vertrauen und Reputation

Krankenhäuser sind Dienstleistungsunternehmen und ihre Produkte so genannte "Vertrauensgüter", denn die Qualität der Leistung erschließt sich für den Verbraucher erst durch die persönliche Erfahrung. Die wachsende Verunsicherung, wie sie bei größeren Krisen entsteht, führt zu einem Vertrauensverlust und somit zu einem signifikanten Rückgang der Nachfrage. Vertrauen ist somit ein entscheidender Faktor für den unternehmerischen Erfolg eines Krankenhauses.

Ein weiterer Indikator ist die medizinische oder pflegerische Reputation. Freunde und Angehörige berichten positiv über ihre persönlichen Erfahrungen in der Klinik. Damit spielt auch das Ansehen eines Hauses neben dem Vertrauen eine Schlüsselrolle und trägt nicht nur dazu bei, Patienten und niedergelassene Ärzte zu binden. Sind beide Faktoren gegeben, darf ein Krankenhaus im Einzelfall auch einen Fehler machen, ohne dafür vital abgestraft zu werden.

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Öffentlichkeitsarbeit als Frühwarnsystem

Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Reputation in der Öffentlichkeit erhält ein Krankenhaus jedoch nicht auf Knopfdruck, schon gar nicht in der Krise. Sie entstehen durch eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Schlüsselprozesse transparent zu machen und auch bei kritischen Nachfragen nicht zurückweicht.

Häufig werden jedoch wichtige Zielgruppen innerhalb der Kommunikation eines Krankenhauses erst gar nicht angesprochen. Im gleichen Maße wie Medienvertreter informiert sein wollen, gilt es Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter einzubinden. Niedergelassene Ärzte, Krankenkassen und politische Entscheider - aber auch Patienten und deren Angehörige - sind ebenfalls wichtige Multiplikatoren, wenn es um die komplexe Realität von Glaubwürdigkeit und Vertrauen geht.

Gute Erfahrungen haben die Sana-Kliniken beispielsweise mit Telefonhotlines für Patienten gemacht, die dort Beschwerden und Kritik unmittelbar platzieren können (auch anonym). Dieses Vorgehen erlaubt der Klinik, präventiv tätig zu werden. Der richtige Umgang mit den gesellschaftlichen Gruppen und insbesondere auch mit ihren Beschäftigten ist also keine abgehobene Frage der Wirtschaftsethik, sondern eine pragmatische Frage von Intelligenz, Anstand und Nützlichkeit.

Erst in der Kommunikation mit allen wichtigen Zielgruppen entsteht jenes belastbare Beziehungs-Netzwerk, das einen vertrauensvollen Austausch ermöglicht und frühzeitig klare Hinweise auf Fehler und Versäumnisse gibt. So betrachtet wirkt eine funktionierende Öffentlichkeitsarbeit als ein Frühwarnsystem.

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Eckpunkte der Krisenkommunikation

Bei krisenhaften Entwicklungen überschlagen sich die Ereignisse, und dann bekommen Kleinigkeiten eine große Bedeutung. In einer solchen Situation wirkt nichts verheerender auf die Glaubwürdigkeit als Winkelzüge oder scheinbar schützende Halbwahrheiten. Entscheidend für die erfolgreiche Krisenbewältigung ist eine adäquate und umfassende Sofortreaktion. Krisen werden oft in dieser ersten Phase gewonnen oder verloren.

Ausschlaggebend für ein im Ernstfall schnelles Handeln ist ein "Krisenstab", dem die Führungskräfte der entsprechenden Bereiche angehören. Ziel einer Krisenorganisation ist es, schnellstmöglich und kompetent ein Problem zu lösen. Die Positionen sollten daher nach Kompetenz und funktionsorientiert besetzt werden.

Zunächst gilt es, den Erwartungsdruck und vor allem den investigativen Druck der Medien zu reduzieren, indem möglichst viele Themen und Informationen selbst aktiv besetzt werden. In der Krisenintervention folgt die Kommunikation einem zentralen Ziel: Der lückenlosen Aufklärung sämtlicher Vorwürfe sowie der Entwicklung von Gegenmaßnahmen. Nichts wäre in einer solchen Situation fataler, als mit Halbinformationen vor die Presse zu treten. Erst wenn die Sachverhalte eindeutig geklärt sind, kann die Öffentlichkeit informiert werden. Denn nur verlässliche Informationen schaffen Vertrauen und festigen die Wahrnehmung einer angemessenen und verantwortungsvollen Reaktion des Krankenhauses.

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Bedarf an professioneller Krisen-PR nimmt zu

Die Kommunikation in der Krise ist eine besondere Disziplin, die hohe Ansprüche an journalistische Professionalität, Belastbarkeit, Organisation, Technik und Logistik voraussetzt. Die Routine weicht der Geschwindigkeit und dem Druck. Fehler werden zunehmend nicht mehr verziehen. Es gilt das "One-Voice-Prinzip", da divergierende Aussagen in der Öffentlichkeit die Krise zusätzlich anheizen. Zudem gilt: Wer Krisen verursacht, kann diese nicht zeitgleich erfolgreich managen. Es ist daher ein Gebot der Stunde, sich professionell nach außen vertreten zu lassen.

Damit Mitarbeiter wichtige Nachrichten nicht erst aus der Presse erfahren, müssen die interne Informationskaskade und Kommunikationsinstrumente klar sein. Die Einbindung des Betriebsrates in das Kriseninterventions-Team ist ebenso geboten wie eine kontinuierliche Information des Eigentümers, politischer Entscheider und gegebenenfalls auch der Hausbanken.

Weitere Ratgeber im Krisenteam sind Spezialisten von PR-Agenturen sowie Juristen. Zwar kann eine erfolgreiche Krisenbewältigung auf rein juristischem Wege nicht erreicht werden, dennoch ist es geboten, auch die rechtliche Situation frühzeitig zu bewerten, um Nachteile für das Krankenhaus durch unbedachte Vorgehensweisen auszuschließen.

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Internet hat eine wichtige Rolle

Wer in Echtzeit informieren will, bedient sich der Online-Medien. Durch das Internet erreichen spektakuläre Meldungen unmittelbar und eine unvergleichlich große Zahl von Nutzern auf Knopfdruck. Dies verlangt immer eine sofortige Reaktion durch das betroffene Krankenhaus. Wenn die anderen Medien folgen, kann das Ereignis möglicherweise längst kommentiert und abschließend dargestellt sein. Dies bedeutet aber auch, dass Krankenhausunternehmen neben der klassischen Medienbeobachtung ein zusätzliches Online-Monitoring durchführen müssen.

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Was macht Krisen so gefährlich?

Die Krisenkommunikation lässt sich nicht halbherzig und nebenbei managen, sondern erfordert höchste Konzentration, Wachsamkeit und Sensibilität. Denn bereits Gerüchte oder Vermutungen können ausreichen, um eine breite Publizität zu erzeugen. In Krisenzeiten steigt die Erwartungshaltung der Medien und Öffentlichkeit rapide.

Dadurch entsteht ein sehr hoher Handlungsdruck und der Kommunikationsfluss kann sich leicht verselbstständigen, was einen Verlust von Kontrolle und Steuerbarkeit bedingen kann, da sich bestimmte Sichtweisen rasch verfestigen und sich danach nur schwer verändern lassen. Denn Fakten haben keine Überzeugungskraft per se, vielmehr spielen emotionale psychologische Aspekte eine sehr große Rolle, und das Geschäft mit der (Skandal-)Information geht im Zweifel zulasten des betroffenen Hauses.

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Führen in der Krise

Die Art und Weise der Führung kann das Krisenmanagement beflügeln oder blockieren. Da Denk- und Handlungsabläufe häufig unter einem hohen Zeitdruck anstehen, verlangt das Krisenmanagement einen zielgerichteten Führungsvorgang. Das Team darf Entscheidungen zwar kontrovers diskutieren, erreicht es jedoch keinen Konsens, muss die Führung - möglicherweise sogar gegen den Rat aller - eine Entscheidung treffen.

Im Zweifelsfall sollte in der Krise daher der dirigistische bestimmende Führungsstil Vorrang vor dem sozialintegrativen haben. Die Mitarbeiter akzeptieren dies nicht nur, sondern erwarten es vielfach auch, sofern Entschlüsse nachvollziehbar bleiben und Wertschätzung den Ton im Krisenstab bestimmt. Talent zur Krisenbewältigung darf man von jedem erwarten, der ein Unternehmen führt - zumindest das Talent, sich rechtzeitig die richtigen Personen an die Seite zu stellen.

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Glaubwürdigkeit ist Trumpf

War die Krisenintervention erfolgreich, muss die Klinik unmittelbar im Anschluss ein intensives PR-Programm initiieren, um dauerhaften Schaden abzuwenden. Es gilt, brüchiges Vertrauen zurückzugewinnen und die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Im Fokus steht eine sachliche, faktengeprägte Informationspolitik.

Erfahrungswerte zeigen: Die abschließende Bewältigung einer Krise kann trotz kontinuierlicher Öffentlichkeitsarbeit manchmal viele Monate in Anspruch nehmen. Vor diesem Hintergrund befinden sich Ärzteschaft und Krankenhaus in einem ständigen Prozess um Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Dr. R. Schwarz, Geschäftsführung, Sana Kliniken München