PiD - Psychotherapie im Dialog 2007; 8(1): 21-28
DOI: 10.1055/s-2006-951981
Aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stationäre Verhaltenstherapie

Volker  Köllner, Roland  Vauth
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Volker Köllner

Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Bliestal Kliniken

Am Spitzenberg

66440 Blieskastel

Email: koellner@bliestal.mediclin.de

Publication History

Publication Date:
13 April 2007 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Das stationäre Setting bietet für die Verhaltenstherapie die Möglichkeit, ein therapeutisches Milieu so zu gestalten, dass sehr rasch positive Umsetzungserfahrungen unter kontrollierteren Bedingungen als in der ambulanten Therapie gemacht und Lernschritte besser i. S. eines „online-coaching” vor Ort erleichtert werden können. Eine besondere Rolle haben hierbei auch soziale Unterstützung und Modelllernen mit Hilfe der MitpatientInnen. Die Aufnahme in die Klinik führt darüber hinaus zur Unterbrechung und Destabilisierung dysfunktionaler Verhaltensmuster und Schemata im häuslichen oder beruflichen Bereich und erleichtert auf diese Weise Veränderungsschritte, da Problemverhalten aufrechterhaltendes Vermeiden unnötiger wird. Das stationäre Setting ermöglicht die Arbeit in einem multiprofessionellen Team und die Realisierung störungsspezifischer multimodaler Behandlungskonzepte mit hoher Therapiedosis. Auf diese Weise wird der Forderung Grawes Rechnung getragen, besonders zu Beginn der Behandlung durch intensiven therapeutischen Input Veränderungen zu induzieren. Dargestellt werden Indikationen und Kontraindikationen zur stationären Verhaltenstherapie im Rahmen von Krankenhausbehandlung oder Rehabilitation sowie Konzepte zur Integration stationärer VT-Intervalle in einen Gesamtbehandlungsplan bei psychischen Störungen.

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Volker Köllner

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Prof. Dr. med., geb. 1960, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Verhaltenstherapeut und syst. Familientherapeut. Medizinstudium und Facharztausbildung an der Universitätsklinik Bonn. 1998 bis 2003 Oberarzt und Leiter der psychosomatischen Poliklinik und des Konsiliardienstes am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, 2003 Habilitation im Fach Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Seit 2004 Chefarzt der Fachklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Bliestal Kliniken), seit 2005 Professor für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität des Saarlandes.
Arbeitsschwerpunkte: Verhaltensmedizin und Rehabilitation, Psychokardiologie, Psychotraumatologie, Didaktik und Ausbildungsforschung.

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Roland Vauth

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PD Dr. med. Dipl.-Psych., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, seit 2001 Ärztlicher Leiter der Zweigstellen PPC und PPM der Psychiatrischen Poliklinik/Universitätsspital Basel, Lehrtherapeut und Supervisor für Verhaltenstherapie (DVT, KBV, DÄVT) am Postgradualen Studiengang Psychotherapie (PSP) der Universität Basel und Freiburger Lehrinstitut für Verhaltenstherapie (FAVT). Nach Studium der Psychologie und Tätigkeit in der Psychosomatischen Universitätsklinik Bonn, Studium der Humanmedizin. 1992 bis 2001 zunächst Assistent und später Oberarzt an der Freiburger Psychiatrischen Universitätsklinik. Seit vielen Jahren im Bereich der Gesundheits- und Versorgungsforschung und der Evaluation von klinischen Programmen im Bereich Verhaltenstherapie bei schweren psychischen Störungen (Schizophrenie, Bipolare Störungen und Depressionen) tätig.

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Stationäre Verhaltenstherapie: Entwicklung und Konzeption

Die Verhaltenstherapie hat sich aus der klinischen Psychologie entwickelt, deshalb handelte es sich primär um einen Ansatz für die ambulante Versorgung. Obwohl also Kognitive Verhaltenstherapie initial für ambulante Patienten entwickelt wurde, gibt es in den letzten Jahren durchaus auch Adaptationen für den stationären Bereich (Wright et al. 1993, Bowers 1998, Davis u. Casey 1990). Konzepte zur stationären Verhaltenstherapie wurden in Deutschland aber bereits Ende der 60er-Jahre am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München unter der Leitung von D. Ploog, J. C. Brengelmann und D. Schwarz entwickelt. In den 70er-Jahren folgte dann in Windach die Gründung der ersten Verhaltenstherapie-Klinik, 1981 folgte in Bad Dürkheim unter Leitung von J. Sturm die erste nach einem verhaltenstherapeutischen Konzept arbeitende Rehabilitationsklinik. Weite Verbreitung fand der verhaltenstherapeutische Ansatz in Deutschland vor allem in der Psychiatrie und der psychosomatischen Rehabilitation, während in der psychosomatischen Krankenhausbehandlung der psychodynamische Ansatz überwiegt.

Ein besonderer Vorteil der stationären Behandlung für die Verhaltenstherapie liegt darin, dass hier die Umgebungsbedingungen für Patientinnen und Patienten so gestaltet werden können, dass ein spezifisches therapeutisches Milieu (Linden et al. 2006) entsteht, welches korrigierende Erfahrungen ermöglicht und das Erlernen neuer Denk- und Verhaltensmuster begünstigt. Ein wesentlicher Wirkfaktor ist hierbei auch das Gespräch und die wechselseitige Unterstützung durch MitpatientInnen außerhalb des Therapieprogramms im engeren Sinne. Dies ermöglicht Modelllernen und aktiviert soziale Unterstützung als wertvolle therapeutische Ressource. Einer bei vielen Störungsbildern verbreiteten Neigung der Betroffenen zu sozialem Rückzug kann so entgegengewirkt, soziale Ängste können leichter durch korrigierende Erfahrungen überwunden werden.

Das stationäre Setting ermöglicht zudem die Kombination sich ergänzender Behandlungsbausteine. So kann bei einer Patientin mit Agoraphobie und Panikanfällen z. B. die parallele Anwendung von Konfrontationstherapie in der Einzeltherapie und der Kleingruppe, Modelllernen und soziales Kompetenztraining in der Problemlösegruppe, Konfrontation mit Anstiegen der Herzfrequenz und Verbesserung der Fitness in der Sporttherapie sowie Erweiterung des Spektrums der Interozeption in der Körperwahrnehmungsgruppe zu synergetischen Effekten führen. Dies entspricht auch der Forderung von Grawe (2004), gerade zu Beginn einer Therapie durch intensiven therapeutischen Input und positive Lernbedingungen Veränderungen und damit verbundene Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Eine Übersicht über die Elemente stationärer Verhaltenstherapie gibt [Tab. 1]. Die Integration dieser Behandlungselemente und der im multiprofessionellen Behandlungsteam beteiligten Berufsgruppen wird durch regelmäßige Teambesprechungen und Supervision sichergestellt. Durch die ständige Erreichbarkeit professioneller Ansprechpartner (ÄrztInnen, PsychologInnen, SpezialtherapeutInnen, Pflegepersonal) wird zudem für den Patienten ein Schutzraum geschaffen, der eine sinnvolle Behandlung akut oder schwerer Erkrankter überhaupt erst möglich macht.

Tabelle 1 Elemente stationärer Verhaltenstherapie
BehandlungselementBerufsgruppe
Ärztliche Diagnostik und Behandlung, medikamentöse EinstellungÄrztInnen
Einzel-VerhaltenstherapieÄrztliche und psychologische PsychotherapeutInnen
Psychoedukative GruppenÄrztliche und psychologische PsychotherapeutInnen, Mitarbeiter aus der Pflege, die speziell geschult sind
Themenspezifische Gruppen (z. B. Stressbewältigung, Problemlösetraining, soziales Kompetenztraining)Ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen
Störungsspezifische Gruppen (z. B. Schmerzbewältigung, Essstörungen, Depression)Ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen
Entspannungstraining, BiofeedbackPsychologische PsychotherapeutInnen, Mitarbeiter aus der Pflege, die speziell geschult sind
Künstlerische TherapienKunst-, Musik-, Theater- Tanz- oder GestaltungstherapeutIn
Körpertherapie und KörperwahrnehmungÄrztliche und psychologische PsychotherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen mit Zusatzqualifikation
Sport- und Trainingstherapie, PhysiotherapieSport- und PhysiotherapeutInnen
Berufsspezifische Therapieelemente, Hilfe bei der AlltagsstrukturierungErgotherapeutInnen
Sozialberatung und InformationSozialarbeiterInnen/-pädagogInnen
Strukturierung des Stationsalltags und supportive Gespräche v. a. bei Patienten mit schweren Störungsbildern, Auswertung und Feedback bei Symptomprotokollen, Begleitung von ExpositionstrainingMitarbeiter aus der Pflege, die speziell geschult sind

Vorteile der kognitiven Verhaltenstherapie in der stationären Behandlung (Stuart et al. 1997) bestehen im Format einer Kurzzeitintervention, klar definierter Therapiemethodik, deren Rational auch in multidisziplinären Teams leicht transparent gemacht werden kann, der guten Harmonisierbarkeit der Interventionslogik mit somatischen Behandlungen, der empirisch belegten Wirksamkeit bei einer Vielzahl von Störungen wie Angsterkrankungen, Depressionen und Essstörungen (Wright et al. 1993) und der auch für kürzere Interventionsdauern nachgewiesenen Effektivität.

Fünf Modelle der Implementierung von Verhaltenstherapie in das stationäre Setting werden unterschieden (Stuart et al. 1997): Das Primärtherapeuten-Modell (primary therapist) hat einen zumeist aus ÄrztInnen, PsychologInnen und SozialarbeiterInnen bestehenden Personalkern, die in kognitiver Therapie intensiv trainiert sind und die Behandlung durchführen. Der Nachteil besteht darin, dass das therapeutische Milieu als Ganzes und andere Berufsgruppen lediglich marginal für den Behandlungsprozess genutzt werden. Das sog. „staff model” lässt die kognitive Therapie von der nicht-ärztlichen Stammmannschaft einer meist kognitiv-behavioural spezialisierten Psychotherapiestation durchführen. Der (auch nicht zwingend kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgebildete) Arzt beschränkt sich auf Eingangs- und Verlaufsdiagnostik, Überwachung der pharmakologischen Behandlung und meist supportive Therapieanteile. Das „add on model” fügt einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlungsbaustein in ein im Übrigen eher unspezifisches Stationsangebot ein, ohne jedoch das gesamte Grundkonzept zu reorganisieren. Im „comprehensive CT model” sind sowohl Einzel- wie Gruppen-, Paar- und Familientherapeuten sehr gut in kognitiver Verhaltenstherapie ausgebildet. Aber auch das übrige therapeutische Personal hat zumindest entsprechende Grundkenntnisse. Das „flexible CT model” wird eingesetzt, wenn die Zusammensetzung der Patienten auf Station häufig schwankt. Das therapeutische Personal ist zwar in kognitiver Therapie ausgebildet, aber das Ausmaß, in dem sie wirklich eingesetzt wird, ist abhängig von den klinischen Erfordernissen bei den gerade aufgenommenen Patienten.

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Allgemeine Indikationen und Kontraindikationen

Die stationäre Behandlung bedarf einer sorgfältigen Indikationsstellung. Dies ergibt sich sowohl aus den hierdurch verursachten Kosten als auch durch die unerwünschten „Nebenwirkungen”, die es haben kann, einen Menschen für längere Zeit aus seinem sozialen Umfeld herauszulösen. Hierzu können z. B. die Destabilisierung einer partnerschaftlichen oder familiären Situation oder der Verlust des Arbeitsplatzes gehören. Vor allem bei PatientInnen, die bereits mehrere stationäre Therapien absolviert haben und aktiv eine weitere Klinikaufnahme anstreben, besteht die Gefahr, dass Vermeidungsverhalten und die Flucht vor Konflikten oder Einsamkeit im Alltag zumindest einen Teil der Motivation ausmachen. Das Risiko dieser Nebenwirkungen steigt mit der Dauer des stationären Aufenthaltes.

Umgekehrt kann es aber auch problematisch sein, einen stationären Aufenthalt zu lange hinauszuzögern. Dies gilt nicht nur für akute Krankheitsbilder und Krisensituationen, sondern auch für PatientInnen, deren Störung bereits in erheblichem Maße chronifiziert ist. Hier ist häufig ein stationäres Therapieintervall mit der hierdurch erzwungenen Unterbrechung dysfunktionaler Verhaltens- und Interaktionsmuster notwendig, um überhaupt eine Veränderung erzielen zu können. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme ist vor allem dann indiziert, wenn bei schon länger bestehender oder auch erwarteter längerer Arbeitsunfähigkeit (mehr als vier Wochen) der Arbeitsplatz oder die Erwerbsfähigkeit des Patienten bedroht sind. Je länger die Arbeitsunfähigkeit dauert, umso schwieriger wird es für die PatientInnen, ihren Alltag zu strukturieren und umso größer wird die Angst vor einer Rückkehr an den Arbeitsplatz. Dieser iatrogene Chronifizierungsfaktor wird in der Therapieplanung und speziell bei der rechtzeitigen Indikationsstellung zur stationären Therapie zu selten berücksichtigt (Linden u. Weidner 2005). Die Indikationen zur stationären Verhaltenstherapie sind in [Tab. 2] zusammengefasst. In einzelnen Fällen kann eine stationäre Aufnahme auch zur diagnostischen Klärung sinnvoll sein, da auf diese Weise eine intensive Verhaltensbeobachtung in unterschiedlichen sozialen Situationen und Belastungen möglich ist.

Tabelle 2 Störungsübergreifende Indikationen zur stationären Verhaltenstherapie
IndikationBeispiele
Akute oder drohende Gefährdung des Patienten Anorexie mit BMI < 14, Bulimie mit Entgleisung des Elektrolythaushaltes, selbstgefährdendes Verhalten bei emotional instabiler Persönlichkeitsstörung
Destabilisierung im Therapieverlauf zu erwartenKonfrontationstherapie bei chronisch komplexer PTSD mit dissoziativen Zuständen
Ambulante Therapie (noch) nicht durchführbarPatient kann wegen schwerer Agoraphobie nicht das Haus verlassen, ausgeprägte Antriebsminderung bei Depression
Bisheriges Milieu gefährdet den TherapieerfolgHäusliche Gewalt bei PTSD, berufliche und private Überlastung lässt keinen Freiraum für Veränderungsschritte
Ungenügender Fortschritt der ambulanten TherapieArbeitsunfähigkeit > 6 Wochen mit Gefährdung von Arbeitsplatz oder Erwerbsfähigkeit
Somatische oder psychische KomorbiditätKomorbidität von Suchtstörung oder orthopädischem Krankheitsbild und somatoformer Schmerzstörung
Sicherung der Compliance bei nötiger pharmakologischer (Neu-)EinstellungGeringe Medikamenten-Compliance z. B. bei schizophrenen, depressiven oder bipolaren Störungen, unregelmäßiges Erscheinen zu Terminen bei Persönlichkeitsstörung
Multimodales TherapieprogrammKombination aus Einzel-, Gruppen- und Sport-/Physiotherapie bei Panikstörung mit herzbezogenen Ängsten und Arbeitsplatzkonflikt
Ambulante Therapie nicht verfügbarlange Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz bei regionaler Unterversorgung mit VT, störungsspezifische Therapie regional nicht vorhanden
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Störungsspezifische Konzepte

Eine besondere Stärke der stationären Verhaltenstherapie besteht in der Entwicklung störungsspezifischer Behandlungskonzepte. Empirisch abgesicherte Konzepte stationär kognitiv-verhaltenstherapeutischer Behandlung finden sich z. B. für Essstörungen (Jacobi et al. 2004, Wadden u. Foster 2000, Wilson 1999), Borderline-Störungen (Lieb et al. 2004, Swenson et al. 2001), bei selbstschädigendem Verhalten (Hawton et al. 1998), bei schizophrenen Ersterkrankungen (Penn et al. 2005, Vauth u. Riecher-Rossler 2004), komorbiden Achse-I-Erkrankungen des ICD-10 und Suchterkrankungen, sog. dualen Diagnosen (Bradizza u. Stasiewicz 1997, Spreat u. Behar 1994), Zwangserkrankungen (Gournay et al. 2006) oder auch Suchterkrankungen wie Alkoholabhängigkeit (Bottlender et al. 2006) und Spielsucht (Hollander et al. 2000). Übersichten finden sich bei Zielke und Sturm (1994) sowie Borgart und Meermann (2004).

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Drei Phasen stationärer kognitiv-verhaltenstherapeutischer Behandlung

Zu unterscheiden sind mehrere Phasen der Behandlung, die jeweils zwischen drei und sieben Tagen andauern: In der ersten Phase muss zunächst eine stabile therapeutische Arbeitsbeziehung zum Patienten aufgebaut und die Tages- und Wochenstruktur in einem individualisierten Tages- und Wochenplan mit abgestuften Übungen zusammen mit dem Patienten abgestimmt und auf seine Behandlungsziele ausgerichtet werden. Und schließlich muss der Patient, um als Co-Experte seines Problems im gesamten Behandlungsprozess seinen aktiven Part spielen zu können, das Problemmodell der Kognitiven Therapie über den Zusammenhang von Denken, Fühlen und Handeln erlernt haben (Thase et al. 1991). So spielt in dieser frühen Phase Psychoedukation (möglichst unter Einbezug der Angehörigen) eine wichtige Rolle. Sie schließt auch die Vermittlung neurobiologischen Wissens mit ein, um Wirkungen und Nebenwirkungen psychopharmakologischer Behandlung und deren Bedeutung in der Rezidivprophylaxe besser verstehen zu können.

In der zweiten Phase der Behandlung wird dann die individuelle Problemliste des Patienten fokussiert, und die Patienten erlernen die Bedeutung „automatischer Gedanken” für Emotion und Handlung kennen. Hier lernt der Patient Selbstbeobachtungsstrategien, um den individuellen Zusammenhang zwischen kognitiven, emotionalen und handlungsbezogenen Aspekten seines persönlichen Problems zu klären. So lernt er z. B. typische kognitive „Verzerrungen” wie „selektives Verallgemeinern” oder „dichotomes Denken” und darauf ausgerichtetes Bewältigungsverhalten kennen. Dazu treten abgestufte Übungen auf der Handlungsebene, um kritische Fertigkeiten auf- und Ängste abzubauen. Wenn Abstraktionsfähigkeit sich wieder ein wenig entwickelt hat, kann auch der Einstieg in die Auseinandersetzung mit dysfunktionalen Grundannahmen und behindernden sozialen Erwartungen und Bewertungen (kognitiven Schemata) gesucht werden.

Die dritte und Abschlussphase arbeitet intensiv an dysfunktionalen Kognitionen, potenziellen Auslösern für Rückfälle und an der Vorbereitung der Entlassung. Hierbei wird das in den vorangehenden Phasen Gelernte rekapituliert anhand der schriftlichen oder auch Videoaufzeichnungen des Patienten und anhand weiterer praktischer Übungen gefestigt. Auch werden in dieser Phase spezielle Motivationstechniken zur Verbesserung der Compliance mit der Pharmakotherapie eingesetzt (Stieglitz u. Vauth 2005). Zur Vorbereitung auf die Entlassung werden mit dem Patienten die im Alltag zu erwartenden Schwierigkeiten rekapituliert, mögliche Lösungen hierfür diskutiert und mit den neu erworbenen Kompetenzen zusammengebracht. Auch können „Belastungsbeurlaubungen” erfolgen, die als gezielte Übungen für den Umgang mit Transferhindernissen gemeinsam mit dem Patienten geplant und nachbesprochen werden müssen. So kann dann gegebenenfalls auf der Basis dieser Erfahrungen an im Alltag problematischen Bewertungen oder Verhaltensmustern gearbeitet werden.

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Interventionsbeispiel: Depressive Störungen

Behandlungskonzepte stationärer kognitiv-verhaltenstherapeutischer Depressionsbehandlung sind bezüglich ihrer Implementierung/Umsetzung in Deutschland mehrfach beschrieben worden (Wolfersdorf u. Lehle 2003). Die auf Aaron Beck zurückgehenden Therapiestrategien müssen dabei der Tatsache Rechnung tragen, dass stationär behandelte depressive Patienten in der Regel in ihren kognitiven Funktionen stärker beeinträchtigt sind, mehr unter Hoffnungslosigkeit leiden und mehr interpersonelle und soziale Probleme aufweisen. So sind die Sitzungen oft kürzer und höher frequent, um rascher Hoffnung auf- und Suizidgedanken abzubauen und der reduzierteren Belastbarkeit des Patienten (kognitive Aufnahmefähigkeit, Angstniveau usw.) Rechnung zu tragen. Auch werden Angehörige in die Behandlung einbezogen und überbrückende Nachbehandlung zur niedergelassenen ambulanten Versorgung organisiert. Ein Beispiel für einen solchen Wochenplan auf einer verhaltenstherapeutischen Depressionsstation ist in [Tab. 3] aufgeführt. Dieser Plan wird im Verlauf jedoch auf die individuellen Therapieziele ausgerichtet und bez. der Anforderungen - je nach Remissionsgrad der Depression und damit individueller Belastungsfähigkeit - modifiziert.

Tabelle 3 Stationsablauf auf einer verhaltenstherapeutischen Depressionsstation
MontagDienstagMittwochDonnerstagFreitagSamstagSonntag
Gestufte berufliche Belastungssteigerung in Berufs-, Arbeits- und ErgotherapiePsychoedukation in der Gruppe (Balanced Life Style, Ursache und Behandlung von Depression, Rückfallprävention)Gestufte berufliche Belastungssteigerung in Berufs-, Arbeits- und ErgotherapiePsychoedukation in der Gruppe (Balanced Life Style, Ursache und Behandlung von Depression, Rückfallprävention)Außerstationäre Belastungserprobung mit gezielten Übungen im familiären UmfeldAußerstationäre Belastungserprobung mit gezielten Übungen im familiären Umfeld
Einzeltherapie
(30 - 50 Min.)
Einzeltherapie
(30 - 50 Min.)
Einzeltherapie
(30 - 50 Min.)
Bezugspflegekontakt (Tages-, Wochenstruktur, Unterstützung der Zwischensitzungsübungen, Expositionsbegleitung usw.)Bezugspflegekontakt (Tages-, Wochenstruktur, Unterstützung der Zwischensitzungsübungen, Expositionsbegleitung usw.)Außerstationäre Belastungserprobung mit gezielten Übungen im familiären UmfeldAußerstationäre Belastungserprobung mit gezielten Übungen im familiären Umfeld
Gestufte berufliche Belastungssteigerung in Berufs-, Arbeits- und ErgotherapieGestufte berufliche Belastungssteigerung in Berufs-, Arbeits- und ErgotherapieGestufte berufliche Belastungssteigerung in Berufs-, Arbeits- und Ergotherapie
Stressregulation (Progressive Muskelentspannung)Stressregulation (Progressive Muskelentspannung)Außerstationäre Belastungserprobung mit gezielten Übungen im familiären UmfeldAußerstationäre Belastungserprobung mit gezielten Übungen im familiären Umfeld
Tanz und Bewegungstherapie (Flamencotanz zur Verbesserung von Selbstwert)Tanz und Bewegungstherapie (Flamencotanz zur Verbesserung von Selbstwert)Psychoedukative Angehörigengruppe (Ursache und Behandlung von Depression, Rückfallprävention)
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Unterschiedliche Settings stationärer Verhaltenstherapie

Um für die angestrebten Lernerfahrungen und Veränderungsschritte optimale Bedingungen schaffen zu können, stehen in der Versorgungslandschaft unterschiedliche therapeutische Settings zur Verfügung, die aufgrund differenzialtherapeutischer Überlegungen gezielt ausgewählt werden sollten.

Vollstationär oder teilstationär. Besonderes Merkmal des teilstationären Settings ist es, dass die PatientInnen abends und am Wochenende in ihr gewohntes soziales Umfeld zurückkehren. Dies kann sowohl Vorteil als auch Nachteil sein. Wenn es nur darum geht, ein zeitintensives multimodales und multiprofessionelles Therapieprogramm zu organisieren, ist das teilstationäre Setting ausreichend. Zudem wird auf diese Weise der Transfer in den Alltag erleichtert. Für Alleinerziehende ist nicht selten nur eine teilstationäre Behandlung realisierbar. Hier zeigt sich jedoch ein Dilemma: Gerade diese Personengruppe könnte häufig von der bei vollstationärer Behandlung möglichen Entlastung von den häuslichen und beruflichen Be- oder Überlastungen profitieren und nur so die nötigen Freiräume gewinnen, die notwendig wären, um neue Denk- und Verhaltensmuster entwickeln und erproben zu können. Auch Patienten mit unsicherer Motivation neigen dazu, die teilstationäre Behandlung zu präferieren („kleineres Übel”), obwohl dies das Einlassen auf die Behandlung erschwert. Insofern besteht die Gefahr, dass gerade diejenigen Patienten teilstationär behandelt werden, bei denen eigentlich die Indikation zum vollstationären Setting gegeben wäre (Linden 2005).

Die Vorteile des vollstationären Settings liegen in dem intensiveren und besser strukturierbaren therapeutischen Milieu, der Entlastung von aktuellen Konflikt- und Überforderungssituationen oder gar akuter Bedrohung. Die heimatferne Behandlung bietet mit der damit verbundenen Distanzierung von der gewohnten Umgebung zudem die Möglichkeit einer vollständigen Unterbrechung dysfunktionaler Verhaltensmuster und erleichtert so das Neulernen. PatientInnen können sich zudem heimatfern gerade bei schambesetzten Themen auch im Gruppensetting leichter öffnen. Im weiteren Therapieverlauf kann der Transfer in den Alltag dann durch Belastungsurlaube, Arbeitserprobungen oder Paar- und Familiengespräche während Angehörigenbesuchen am Wochenende gebahnt werden.

Krankenhaus oder Rehabilitationsklinik. Derzeit fehlen auch hier leider evidenzbasierte Kriterien zur Differenzialindikation (siehe Standpunkte-Beitrag in diesem Heft). Krankenhausbehandlung ist vor allem indiziert bei akuten Krankheitsbildern (Möglichkeit der direkten Einweisung) mit Selbst- oder Fremdgefährdung, wenn Verwahrlosung droht infolge der Schwere des Krankheitsbildes (z. B. bei schweren Depressionen oder ausgeprägter schizophrener Negativsymptomatik), wenn Angehörige aufgrund der Akuität des Krankheitsbildes dringend entlastet werden müssen oder bei Komorbidität mit akuten somatischen Krankheitsbildern. Aufgrund des günstigeren Personalschlüssels können Krankenhausabteilungen eine intensivere Einzeltherapie (z. B. Traumakonfrontation bei Posttraumatischer Belastungsstörung [PTB]) anbieten. Ein weiterer Vorteil ist die nicht primär auf sechs bis acht Wochen begrenzte Behandlungsdauer, was gerade Patienten mit erheblicher Komorbidität, schwer psychopharmakologischer Einstellbarkeit (Nebenwirkungssensitivität, Mal-Response) oder komplexen Erkrankungen (z. B. komplexer PTB) erst die Möglichkeit gibt, sich auf den therapeutischen Prozess einzulassen. Andererseits kann es auch Ziel einer Krankenhausbehandlung sein, Motivation zu einer Rehabilitation aufzubauen (Erarbeiten eines bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells) und Rehabilitationsfähigkeit herzustellen, um die Behandlung in einer Rehabilitationsklinik fortzusetzen.

Stationäre Rehabilitation ist vor allem dann indiziert, wenn es darum geht, Folgen chronischer Erkrankungen im Sinne der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zu behandeln und PatientInnen die (weitere) Teilhabe an Erwerbsleben und Gesellschaft zu ermöglichen (Köllner et al. 2006). Bei bedrohter Erwerbsfähigkeit (z. B. bei längerer Arbeitsunfähigkeit) ist die Rentenversicherung Kostenträger, geht es hingegen um den Erhalt der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder der Selbstständigkeit (z. B. bei schwerer phobischer Störung oder Zwangserkrankung bei RentnerInnen), so wird die Rehabilitation zulasten der Krankenkasse durchgeführt. In der Rehabilitation überwiegt das Gruppensetting und in der Regel steht ein breites Angebot therapeutischer Möglichkeiten, wie künstlerische Therapien, Ergotherapie, Physiotherapie, physikalische Therapie, Sport- und medizinische Trainingstherapie u. v. m. zur Verfügung, sodass auch komorbide körperliche Erkrankungen im Sinne der Verhaltensmedizin einbezogen werden können. Aufgrund ihrer Größe (ca. 100 bis 250 Behandlungsplätze) haben Rehabilitationskliniken zudem die Möglichkeit, ein breites Spektrum störungsspezifischer Gruppen und Behandlungskonzepte anzubieten. Besonderes Merkmal der Rehabilitation ist der Stellenwert berufsbezogener Therapieelemente, wie z. B. gezielter Trainingsmaßnahmen sowie der internen oder externen Belastungserprobung.

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Vernetzung von ambulanter und stationärer Therapie

Da es sich bei psychischen Störungen häufig um chronisch-rezidivierende Krankheitsbilder handelt und zudem Komorbidität mit anderen psychischen und/oder somatischen Erkrankungen bestehen kann, durchläuft ein erheblicher Teil der Betroffenen mehrere Behandlungssettings. Leider werden diese nur selten bewusst zu einem nach lerntheoretischen Gesichtpunkten konzipierten Gesamtbehandlungsplan verknüpft. Nicht selten geschieht eine stationäre Aufnahme eher ungeplant als Krisenintervention oder als Aufforderung des Kostenträgers, eine Rehabilitationsmaßnahme durchzuführen. Umgekehrt gelingt es häufig nicht, für Patienten nach stationärer Therapie eine ambulante Weiterbehandlung ohne größere Wartezeit zu organisieren, sodass erwiesenermaßen das Rückfallrisiko erheblich steigt. Rückfall in alte dysfunktionale Muster, Überforderung durch Alltagsprobleme oder Life-Events ohne therapeutische Hilfe, besonders in den ersten zwei bis vier Wochen häufige Mal- bzw. Non-Compliance sind hierfür z. B. verantwortlich und in der Planung des Gesamtbehandlungspfades von Anfang an stärker zu berücksichtigen. Insofern ist in der Zeit unmittelbar nach der Entlassung die Chance am größten, Verhaltensänderungen dauerhaft im Alltag zu implementieren. Diese bleibt häufig ungenutzt, wenn der Patient in der kritischen Phase der Rückkehr in das bisherige Problemfeld keine therapeutische Unterstützung findet und deshalb in alte dysfunktionale Muster zurückfällt. Hinzu kommt, dass die Suizidgefahr (nicht nur) bei depressiven Patienten unmittelbar nach der Entlassung ansteigt (Weigel et al. 2005), sodass auch aus diesem Grund ein nahtloser Übergang in die ambulante Therapie notwendig wäre.

Sinnvoll wäre es aus diesem Grund, ein mögliches stationäres Therapieintervall frühzeitig einzuplanen. Hier sind folgende Kombinationen denkbar:

  • Wenn bei einem akuten Krankheitsbild ambulante Therapie nicht ausreichend sein wird (z. B. Essstörungen, komplexe PTB), ist es sinnvoll, einige ambulante Gespräche vor der Aufnahme durchzuführen und auch schon den Therapieantrag zu stellen, um Therapiemotivation für die stationäre Phase aufzubauen (es ginge kostbare Zeit verloren, wenn dies erst in der Klinik geschehen müsste) und eine reibungslose Fortführung der Therapie nach der Entlassung zu gewährleisten.

  • Bei drohender Chronifizierung oder bereits ausgeprägtem chronischen Krankheitsverhalten (Broda 2005) kann es ebenfalls effektiver sein, mit einem stationären Intervall zu beginnen, da so schneller eine Verhaltensänderung erreicht werden kann.

  • Ein stationäres Intervall kann eingeplant werden, um ambulant schwierig umzusetzende Therapieschritte (z. B. Traumakonfrontation bei komplexer PTB mit Dissoziation, Reizkonfrontation und Reaktionsverhinderung bei Zwangsstörung) realisieren zu können.

  • Auch die Kombination unterschiedlicher therapeutischer Orientierungen wird durch stationäre Therapieintervalle erleichtert. So könnte z. B. Angstexposition in eine ambulante psychodynamische Therapie integriert oder eine ambulante Verhaltenstherapie durch die stationäre Bearbeitung eines Konfliktbereiches mittels psychodynamisch-interaktioneller Therapie effektiver werden.

Die Einweisung in ein Krankenhaus ist nur ärztlichen PsychotherapeutInnen oder FachärztInnen für Psychiatrie möglich, während Befundberichte zum Antrag auf stationäre Rehabilitation ebenso von psychologischen PsychotherapeutInnen erstellt werden können. Inzwischen wurde das Reha-Antragsverfahren von den Rentenversicherungsträgern beschleunigt, sodass es möglich ist, eine Reha-Maßnahme bereits wenige Wochen nach der Antragsstellung zu beginnen. Kommunikation ist hierbei eine entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation. Ambulante TherapeutInnen sollten ihren stationär tätigen KollegInnen telefonisch oder schriftlich über den bisherigen Behandlungsverlauf berichten und umgekehrt auch die Berichte vorangegangener stationärer Therapien anfordern und lesen. Sehr viel wertvolle Information geht zulasten der Effektivität der Behandlung verloren, weil Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Versorgungsbereichen noch nicht zur Routine geworden ist.

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Wohin sollte sich die stationäre Verhaltenstherapie entwickeln?

Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung sollte verbessert werden: Hier könnte in einer ambulanten Vorbereitungsphase z. B. eine Platzierungs- und Eigenmotivationsüberprüfung erfolgen oder ein Teil der Psychoedukation in die ambulante Phase ausgelagert werden („bibliotherapy”). Eine Nachsorgephase böte z. B. die Möglichkeit einer Überbrückung bis zum Freiwerden eines ambulanten Therapieplatzes. Dafür sprechen die oft hohen Relapse-Raten bei langen Intervallen, z. B. bei depressiven Störungen (Thase et al. 1991). Ein ausgearbeitetes Beispiel für ein solches Konzept findet sich auch in dem BMBF-geförderten Projekt „Ambulante prä- und poststationäre Maßnahmen - ein Beitrag zur Flexibilisierung der stationären psychosomatischen Versorgung” von C. Bischoff im Rehabilitationswissenschaftlichen Forschungsverbund Freiburg/Bad Säckingen. Auch durch strukturierte Nachsorgeprogramme der Rentenversicherungsträger wie IRENA und Curriculum Hannover (Kobelt et al. 2004) hat die Rehabilitation hier eine Vorreiterrolle übernommen.

Notwendig ist es ebenso, störungsspezifische verhaltenstherapeutische Angebote für schwere Störungsbilder auszubauen. Wer je für seine ambulanten PatientInnen eine Klinik gesucht hat, die Konfrontationstherapie bei einer schweren PTB oder Zwangsstörung qualifiziert durchführt, weiß, welcher Mangel hier besteht. Das Gleiche gilt für Erkrankungen wie Schizophrenie, Borderline- und affektive Störungen, wenn über bloße Psychoedukation hinaus tatsächlich störungsspezifische Verhaltenstherapie (z. B. Symptommanagementstrategien) in den Behandlungsplan aufgenommen werden sollte. So dominieren in der Breitenversorgung hier immer noch nosologisch gemischte Stationen mit supportivem Milieu.

Auch eine vernetzte elektronische Dokumentation mit dem Zuweiser- und Nachbehandlernetz könnte Ressourcen einsparen helfen und z. B. zur Vermeidung von Doppeldiagnostik führen oder Informationen rascher verfügbar machen. Kritisch muss auch angemerkt werden, dass die Informationsbasis unserer Übersichtsarbeit zumindest teilweise mit dem Versorgungssystem konfundiert ist: Viele Arbeiten zur stationären Verhaltenstherapie sind im angloamerikanischen Bereich publiziert worden, mit wesentlich kürzeren Liegezeiten als in Deutschland. Auch ist das gegenwärtige gesundheitsökonomische Anreizsystem betriebswirtschaftlich unattraktiv für FachärztInnen in den Bereichen Psychiatrie oder Psychosomatik, die Verhaltenstherapie bei schwereren seelischen Erkrankungen sinnvoll integriert anbieten können sollten. Weiter fehlen Polikliniken, die spezialisierte Angebote in multiprofessionellen Teams in der Nachsorge anbieten könnten, denn das Pro-Kopf-Budget von ca. 240 €/Quartal dürfte kaum ausreichend sein, um Kontinuität in der Behandlungskette von stationärer zu ambulanter verhaltenstherapeutischer Behandlung betriebswirtschaftlich zu gewährleisten. Letzteres zeigt, dass wir gesundheitsökonomisch auf eine verschwenderische Art geizig sind, da wir verlängerte Liegezeiten in Kauf nehmen, weil wir an den ambulanten Budgetausstattungen sparen.

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Fazit

Die Integration eines stationären Intervalls am Beginn oder im weiteren Verlauf einer ambulanten Verhaltenstherapie kann die Effektivität der Behandlung deutlich steigern. Ebenso ist es möglich, stationäre VT-Intervalle in eine ambulante psychodynamische Behandlung zu integrieren. Indikationen können sowohl akute Krankheitsbilder als auch chronifizierte Störungen sein. Das stationäre Setting bietet die Möglichkeit zur Gestaltung eines therapeutischen Milieus, das günstige Ausgangsbedingungen für therapeutische Veränderungen schafft. Notwendig ist eine Verbesserung von Kooperation und Kommunikation zwischen niedergelassenen VerhaltenstherapeutInnen und ihren KollegInnen im stationären Setting.

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Literatur

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  • 2 Bottlender M, Kohler J, Soyka M. The effectiveness of psychosocial treatment approaches for alcohol dependence - a review.  Fortschr Neurol Psychiatr. 2006;  74 19-31
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  • 30 Zielke M, Sturm J. Handbuch stationäre Verhaltenstherapie. Weinheim; Psychologie Verlagsunion (PVU) 1994
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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Volker Köllner

Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Bliestal Kliniken

Am Spitzenberg

66440 Blieskastel

Email: koellner@bliestal.mediclin.de

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Literatur

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Korrespondenzadresse:

Prof. Dr. med. Volker Köllner

Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Bliestal Kliniken

Am Spitzenberg

66440 Blieskastel

Email: koellner@bliestal.mediclin.de

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