Der Klinikarzt 2006; 35(8): XX-XXI
DOI: 10.1055/s-2006-950468
Recht

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Durchsetzung von Vergütungsansprüchen - Wenn die Krankenkasse nicht zahlen will ...

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Publication Date:
06 September 2006 (online)

 
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Fast jedes Krankenhaus hat damit zu kämpfen: Der Patient ist entlassen worden, doch die Krankenkasse zahlt erst einmal nicht. Für die Klinik kann dies schnell problematisch werden, denn in der Regel verfügen die Krankenhäuser nicht über allzu große finanzielle Ressourcen, um hierdurch entstehende Liquiditätsengpässe zu vermeiden.

Zudem sind die Außenstände der Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen beträchtlich: Nach einer Hochrechung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) betrugen sie zum Ende des Jahres 2004 etwa 2,3 Milliarden Euro! Die Durchsetzung von Vergütungsansprüchen für stationäre Behandlungskosten der Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen beschäftigt daher auch immer wieder die Gerichte, wenn Krankenhäuser Zahlungsklage gegen die Krankenkassen erheben.

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Kostenübernahmeerklärung vorab ist nicht notwendig

Im § 109 SGB V überträgt der Gesetzgeber die Detailregelungen der Versorgungsverträge den Vertragspartnern. Gesetzliche Vorgaben gibt es daher kaum. Die Rechtsgrundlage des Krankenhauses für seinen Vergütungsanspruch einer stationären Behandlung ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V und in der Regel aus dem länderspezifischen Sicherstellungsvertrag bzw. der Pflegesatzvereinbarung.

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der stationären Leistung durch den Patienten bzw. Versicherten. Eine vorherige Kostenübernahmeerklärung durch die Krankenkasse ist nicht notwendig. Entscheidend für den Vergütungsanspruch ist allein, ob der Versicherte einen Anspruch auf die stationäre Behandlung hat. Die Behandlungskosten werden nach Abschluss des stationären Aufenthalts der Krankenkasse in Rechnung gestellt. Die Zahlungsfrist ergibt sich aus dem Vertrag, üblicherweise sind Zahlungsfristen zwischen zwei und vier Wochen vereinbart.

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Kein Zurückbehaltungsrecht bei Zweifeln

Das Krankenhaus hat nach Auffassung der Rechtsprechung immer schon dann einen Vergütungsanspruch, wenn das behandelnde Krankenhaus zugelassen ist, der Patient bei der Krankenkasse versichert ist und die Notwendigkeit der stationären Behandlung vom aufnehmenden Krankenhausarzt bejaht wurde. Dem Krankenhausarzt kommt insoweit eine Schlüsselposition zu.

Gebunden an die ärztliche Entscheidung über die Notwendigkeit der stationären Aufnahme folgt die grundsätzliche Verpflichtung der Krankasse, die im Anschluss an die Behandlung erstellte Rechnung zunächst zu bezahlen. Selbst wenn die Krankenkasse Zweifel an der Erforderlichkeit der stationären Behandlung hat, darf sie deshalb die Zahlung nicht ohne weiteres zurückhalten.

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Häufige Einwendungen von Krankenkassen

Die Krankenkasse kann daher nur einzelfallbezogene Einwände erheben, die sie ausreichend darlegen und begründen muss. Pauschale Behauptungen genügen nicht. Die Kreativität der Krankenkassen, die Zahlungsverpflichtung infrage zu stellen, ist jedoch durchaus beachtlich. Die häufigsten Einwendungen sind:

  • stationäre Aufnahme war nicht notwendig

  • Indikation für die untere Grenzverweildauer (GVD)

  • Indikation für das Erreichen der mittleren Verweildauer

  • "blutige Entlassung" des Patienten, also eine vorzeitige Entlassung innerhalb der Grenzverweildauer

  • Indikation für das Überschreiten der oberen Grenzverweildauer

  • Anzahl der Liegetage (nicht mehr bei DRG-Abrechnung)

  • stationärer Eingriff war die falsche Behandlungsmaßnahme fehlerhafte Kodierung.

An den Inhalt der Einwendungen stellt das Bundessozialgericht (BSG) ziemlich hohe Anforderungen, um den Schutz vor Liquiditätsengpässen nicht zu unterlaufen. Unterlässt die Krankenkasse es ganz, Einwendungen geltend zu machen oder hält sie sich nicht an die durch die Rechtsprechung entwickelten Vorgaben, so bleibt der Anspruch des Krankenhauses bestehen - übrigens auch, wenn die Entscheidung des Krankenhausarztes über die stationäre Aufnahme objektiv falsch war.

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In einigen Fällen muss die Kasse nicht zahlen

Eine Zahlungspflicht der Krankenkasse entfällt nach dem Bundessozialgericht zum Beispiel dann, wenn sich die Entscheidung des Krankenhausarztes (bezüglich der stationären Behandlung) nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten als nicht vertretbar herausstellt (Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01R). Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn eine stationärere Aufnahme eines Behandlungsfalles erfolgt wäre, der üblicherweise ambulant durchgeführt wird und so auch im Katalog der ambulanten Behandlungen nach § 115 b SGB V aufgelistet ist.

Ein berechtigtes Zurückbehaltungsrecht haben die Krankenkassen auch dann, wenn die Rechnungsstellung des Krankenhauses den formalen Anforderungen des § 301 SGB V nicht gerecht wird. Nach dieser Vorschrift muss die Rechnung vor allem Angaben des Versicherten, die Aufnahmezeit, den Aufnahmegrund bzw. die Aufnahmediagnose neben eventuellen Änderungen, die voraussichtliche Dauer, die Arztnummer des einweisenden Arztes, die Entlassungsumstände und die verschlüsselte Diagnose nach ICD-10 enthalten. Allein anhand dieser Angaben kann unter Umständen schon festgestellt werden, ob im Einzelfall Ungereimtheiten bestehen (z.B. offenbare Diskrepanz zwischen Aufnahme- und Entlassungsdiagnose).

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Wann ist eine Zahlungsverweigerung nicht rechtens?

Die Krankenkasse kann die Zahlung aber nicht unter dem Hinweis auf einen vorzeitigen Abbruch einer stationären Krankenhausbehandlung verweigern. Eine stationäre Krankenhausbehandlung liegt dann vor, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecken soll. Auch wenn sie aus medizinischen Gründen vorzeitig abgebrochen wird, bleibt der stationäre Charakter erhalten. Eine Umwandlung in eine ambulante Behandlung findet nicht statt (BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R).

Auch die Auffassung, ein Krankenhaus müsse einen Versicherten vorzugsweise in einer Belegabteilung behandeln, weil diese im Vergleich zur Behandlung in einer Abteilung des Krankenhauses kostengünstiger sei, ist nicht geeignet, um die Zahlung zu verweigern (BSG, Urteil vom 24.07.2003 - B 3 KR 28/02).

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Kassen dürfen Medizinischen Dienst hinzuziehen

In den meisten Fällen muss die Krankenkasse zunächst einmal zahlen. Parallel dazu darf sie aber den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einschalten, um zu prüfen, ob tatsächlich die Notwendigkeit zur stationären Behandlung bestand. Hier lohnt sich für das Krankenhaus ein Blick in den Vertrag.

Wurde eine "beschleunigte Überprüfung" vereinbart, muss der MDK spätestens nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung von der Krankenkasse informiert werden (BSG, Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01). Nur so kann eine rasche Aufklärung unter Heranziehung der Patientendokumentation und der "frischen Erinnerung des behandelnden Arztes" erfolgen. Im Gegenzug trifft das Krankenhaus eine Mitwirkungspflicht, die angeforderten Unterlagen rechtzeitig und ohne schuldhafte Verzögerung an den Medizinischen Dienst (und nur an diesen!) zu senden.

Leitet die Krankenkasse das Prüfungsverfahren zu spät ein, kann sie unter Umständen nach Treu und Glauben mit den Einwendungen ausgeschlossen sein, die sie bis dahin hätte geltend machen können. Auch eine Überprüfung durch das Gericht von Amtswegen ist dann nicht mehr möglich.

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Kein Einsichtsrecht der Krankenkassen

Einige Krankenkassen versuchen immer wieder, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, wenn das Krankenhaus von der Krankenkasse (!) angeforderte Behandlungsunterlagen nicht vorlegt. Diesem Vorgehen wurde aber seitens des Bundessozialgerichts ein Riegel vorgeschoben.

Nach der Rechtsprechung steht den Krankenkassen neben den Angaben im Sinne von § 301 SGB V kein weiter gehendes Einsichtsrecht in die Krankenunterlagen zu. Begründet hat das Gericht dies vor allem aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und der Verpflichtung der Krankenkassen, gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für eine Abrechnungsüberprüfung eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen einzuholen.

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Soll man klagen? - Strategische Aspekte

Viele Krankenhäuser schrecken davor zurück, gegen den Vertragspartner Krankenkasse zu klagen, weil sie den "Vergeltungsschlag" im Rahmen der Budgetverhandlungen und eine Vergiftung der Beziehungen fürchten. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Krankenkassen auch keine Schwierigkeiten haben, ihrem Vertragspartner Zahlungen vorzuenthalten, zu denen sie eigentlich verpflichtet sind. Dies geschieht aber sicherlich auch aus dem Gefühl heraus, dass man am längeren Hebel sitzt. Die Entscheidung, ob man als Krankenhaus klagen sollte, kann somit nicht pauschal getroffen werden, sondern erfordert immer eine Abwägung.

In jedem Fall sollte vor der Klageerhebung die Erfolgsaussicht der Klage eingehend geprüft werden. Denn gerichtliche Niederlagen können sich tatsächlich negativ auf die nächsten Budgetverhandlungen auswirken. Gewonnene Prozesse dagegen können die Verhandlungsposition nachhaltig stärken. Eine größere Anzahl gerichtsanhängiger Verfahren könnte bei den Budgetverhandlungen auch als Verhandlungsmasse nutzen. Denn unter Umständen lassen sich den Kassen Zugeständnisse abringen, wenn das Krankenhaus im Gegenzug die Rücknahme der Klagen anbietet.

Ein gewichtiger Grund für eine Klageerhebung kann für ein Krankenhaus auch die drohende Verjährung des Vergütungsanspruchs sein. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verjährt dieser Anspruch in vier Jahren (BSG, Urteil vom 12.05.2005 - B 3 KR 32/04R). Durch Einreichung der Klageschrift wird die Verjährung jedoch gehemmt.

Dr. iur. Isabel Häser, Rechtsanwältin, Ehlers, Ehlers & Partner, München