Der Klinikarzt 2006; 35(8): XIV-XV
DOI: 10.1055/s-2006-950464
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Innovationsstandort Deutschland - Sicherung hochqualifizierter Wissenschaft und Medizin

Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. September 2006 (online)

 
Inhaltsübersicht

Den Wissenschaftsstandort Deutschland zu erhalten und auf einem hohen und zukunftsorientierten Niveau fortzuführen, dies stand im Mittelpunkt des II. Innovationskongresses der Deutschen Hochschulmedizin. Zweifellos ist die Hochschulmedizin eine der wesentlichen Keimzellen für Innovationen und damit auch der wirtschaftlichen Entwicklung. Wichtig sei der Dialog zwischen den Partnern der Innovationsforschung, meinte Prof. A. Encke, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen-Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Dazu gehören außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Fördereinrichtungen, Ärzteschaft und Kostenträger - und auch die pharmazeutische und medizintechnische Industrie.

#

Steine des Anstoßes

Der mangelnden Attraktivität ärztlicher und wissenschaftlicher Arbeit in Deutschland und einer Orientierung des Nachwuchses ins Ausland müsse entgegengewirkt werden, so Encke. Auch aus diesem Grund seien eine kritische Analyse und Vorschläge für notwendige Strukturveränderungen in der deutschen Hochschulmedizin dringend notwendig, forderte Dr. B. Falkenburger als Sprecher der "Jungen Akademie", Berlin. Zunehmend wird eine Privatisierung als Lösung erwogen, weil durch die Föderalismusreform die Investitionsfinanzierung teilweise wegfällt.

Dipl.-Kfm., Dipl. Pol. R. Strehl, Tübingen, Generalsekretär des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), fürchtet insbesondere einen Nachteil für die Hochschulmedizin, den die Implementierung der DRGs ("diagnosis related groups") bedingt. Nicht nur Innovationen werden behindert, sondern auch für Ambulanzen, Forschung und Lehre stehe im internationalen Vergleich zu wenig Geld zur Verfügung.

#

Medizin zwischen Wissenschaft und Ökonomie

Während die Universität grundlagenorientierte Forschung wertfrei in den Mittelpunkt rückt und forschungsorientierte Berufungen und Verbünde der Fakultäten pflegt, sind die Universitätskliniken einer patienten- bzw. krankheitsorientierten Forschung verpflichtet. Verbunden mit einer supramaximalen Krankenversorgung erfordert diese jedoch eine sichere ökonomische Basis. Kritisch bewertet Prof. H.C.J. Siewert, München, - stellvertretender Vorstandsvorsitzender des VUD - den staatlichen Einfluss dabei.

Um erfolgreich zu sein, brauche das Universitätsklinikum der Zukunft seiner Ansicht nach neue Strukturen. Dazu zählte er die Überwindung traditioneller Fächer und Klinikgrenzen, die Spezialisierungen sowie eine Heraushebung von Unikatleistungen und Schwerpunkten. In einer Bildung von Netzwerken untereinander, mit anderen Kliniken und niedergelassenen Ärzten sieht er die Chance, auf dem Markt der Krankenversorgung in Deutschland gleichberechtigt beteiligt zu sein. Dies jedoch setzt mehr und mehr professionelle Leistungsstrukturen und unternehmerische Freiheiten voraus.

#

Eine Frage der Verantwortung

Zu den Pharmaunternehmen, die sich einer besonderen Verantwortung bewusst sind, gehört zum Beispiel das Unternehmen Pfizer aus Karlsruhe. Nicht nur die Zugehörigkeit zum Verband forschender Pharmaunternehmen spiegelt dies wieder, sondern auch der tägliche Ansporn, dem Slogan "Life is our Life's Work" gerecht zu werden.

Als größtes Pharmaunternehmen weltweit zählt Pfizer sicher auch zu den erfolgreichsten. Aber es wäre falsch, nur den durchaus legitimen geschäftlichen Erfolg als Maßstab zu nehmen. Menschenleben zu retten, Lebensqualität zu verbessern, Krankheiten zu lindern, Ärzte und medizinisches Personal in ihrer Arbeit zu unterstützen und Patienten auf vielfältige Weise in ihrer Krankheit zu begleiten, sind ebenfalls wichtige Prioritäten.

Der Weg dorthin führt jedoch über langwierige und kostenaufwändige Forschungs- und Entwicklungsphasen. Bekanntermaßen eignen sich letztlich nur wenige Substanzen, welche die ersten Schritte einer Entwicklung schaffen und weiterentwickelt werden, für einen wirksamen Einsatz. Strenge Prüfungskriterien gehen der Zulassung von Medikamenten voraus, bis sie schließlich zur Verordnung bzw. für den therapeutischen Einsatz in Klinik und Praxis zur Verfügung stehen. Die individuelle Anwendung unterstützen die Pharmaunternehmen, indem sie Ärzten und Apothekern durch gut ausgebildetes und erfahrenes Personal detaillierte Hinweise und Antworten auf besondere Fragestellungen geben.

#

Von Volkskrankheiten bis zu selteneren Erkrankungen

Dabei werden natürlich nicht nur Medikamente für so genannte Volkskrankheiten entwickelt, die in der Regel vergleichsweise viel Umsatz versprechen. Pfizer engagiert sich darüber hinaus auch mit der Entwicklung neuer Therapeutika für andere, weniger alltägliche Erkrankungen, wie zum Beispiel schwere systemische Pilzinfektionen.

In einer engen Zusammenarbeit mit Ärzten unterschiedlicher Disziplinen, Wissenschaftlern, Fachgesellschaften und nicht zuletzt über ein dichtes Netzwerk zum Informationsaustausch und Wissenstransfer konnte so mit der Einführung dieser Medikamente ein stetig wachsendes Bewusstsein für das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Mykosen in Gang gesetzt werden. Angesichts der Bedrohlichkeit und der Zunahme von Pilzinfektionen in den letzten 20 Jahren tragen diese Bemühungen mittlerweile dazu bei, vielen Patienten das Leben zu retten.

Dies ist nur ein Beispiel für die Errungenschaften der Medizin, die heute in der Lage ist, durch vielfältige therapeutische Möglichkeiten vielen Menschen in lebensbedrohlichen Situationen zu helfen. Ärzte, Medikamente und ihre Hersteller bilden dabei eine Einheit, ohne die die moderne Medizin nicht denkbar wäre, bekennend, dass es Risiken und Nebenwirkungen geben kann. Dies verdient Respekt und Anerkennung und mehr Augenmerk für die positiven Leistungen, die eindeutig überwiegen.

Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte

Quelle: II. Innovationskongress der deutschen Hochschulmedizin, Berlin

#

Ideen, Innovationen und Investitionen - Hochschulmedizin gibt Impulse

Zoom Image

Die Qualität der Hochschulmedizin ist letztlich auch der Maßstab für das medizinische Niveau und die Krankenversorgung in Klinik und Praxis. Ausbildung, Impulse, Ideen und Innovationen gehen von hier aus. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen-Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) spielt im Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis eine wesentliche Rolle. Am Rande der Tagung fragten wir Herrn Professor Hans Christian Korting als AWMF-Vorstandmitglied nach seiner Einschätzung zur Zukunft der Hochschulmedizin in Deutschland und der Bedeutung dieses Kongresses.

klinikarzt: Der Innovationskongress ist eine noch sehr junge Veranstaltung, die zum zweiten Mal stattfindet. Wie schätzen Sie die Bedeutung und Entwicklung dieses Kongresses ein?

Prof. Chr. Korting: Mit dieser zweiten Tagung ist es gelungen zu zeigen, dass sie auf Dauer eine zentrale Rolle dabei spielen wird, in Deutschland eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau zu gewährleisten. Das heißt einerseits die beste Praxis in der Krankenversorgung und bedeutet andererseits, auch weiterhin echten wissenschaftlichen Fortschritt in diesem Land möglich zu machen. Deshalb wurde Innovation als Kongresstitel gewählt.

Zweifellos ist in diesem Rahmen deutlich geworden, dass trotz aller Probleme, die wir zur Zeit sehen, wissenschaftlicher Fortschritt hier zu Lande auch weiterhin möglich ist. Insbesondere erfordert die finanzielle Situation neue Strukturen. Möglicherweise sind Modelle wie "Public Private Partnership" oder eine Privatisierung der Hochschulen Wege für die Zukunft. Erste Modellversuche gibt es bereits, etwa an den Universitäten Gießen respektive Marburg.

klinikarzt: Die Medizin befindet sich in und steht weiter vor grundlegenden Änderungen. Gibt es Modelle aus dem Ausland, die hier ein Beispiel oder eine gewisse Orientierung geben können?

Korting: Nein, ein Vorbild, an dem wir uns tatsächlich orientieren könnten, gibt es nicht. Die Gesundheitssysteme sind zu unterschiedlich. Hier müssen wir eigene, individuelle und zugleich innovative Wege finden. Hinsichtlich der Privatisierung von Krankenhäusern bin ich durchaus optimistisch. Hier hat sich bereits gezeigt, dass durch Übernahmen von städtischen Krankenhäusern durch private Träger schon in relativ kurzer Zeit wirtschaftliche Optimierungen erreicht werden. Inwieweit dies Forschung, Lehre und Weiterbildung beeinflusst, wird sich freilich noch zeigen müssen.

klinikarzt: Worin besteht die Aufgabe der AWMF? Ist sie sozusagen der Stabilisator in turbulenten Zeiten?

Korting: Die AWMF ist die Organisation von 151 medizinischen Fachgesellschaften. Sie ermöglicht es allen Disziplinen, zusammen mit einer Stimme zu sprechen. Vor dem Hintergrund der aktuellen wissenschaftlich begründeten Erkenntnis ist dabei ein zentrales Anliegen, an der Erhaltung der medizinischen Versorgungsqualität ständig aktiv mitzuwirken.

Ohne die AWMF besteht insbesondere die Gefahr, dass im Alltag die "gute Praxis" aus dem Blick gerät. Deshalb spielt in der AWMF auch Qualitätsmanagement etwa in Form der Leitlinienarbeit eine große Rolle.

klinikarzt: Der Innovationskongress stimmt insgesamt optimistisch. Die Teilnehmer sind hochmotiviert, Ideen und Investitionen in den Standort Deutschland zu stecken. Gegenteiliges kommt allerdings in der Öffentlichkeit an und verunsichert viele. Können Sie "beruhigen" was die medizinische Versorgung betrifft, wird sie zukünftig in gewohnter Weise sichergestellt sein?

Korting: Wir leben in gewissermaßen exemplarisch unsicheren Zeiten, und es ist schwierig, Gewissheiten anzubieten. Die politische bzw. die gesundheitspolitische Situation haben die Bürger als Wähler zunächst einmal selbst zu verantworten. Was die medizinische Versorgung anbetrifft, wird sie im klinischen Bereich in den nächsten Jahren weit gehend gewährleistet sein - auch auf hohem Qualitätsniveau.

Fraglich und weniger stabil sehe ich die Versorgung im ambulanten Bereich und gebe hierzu das Stichwort "Polikliniken". In einigen Teilen Deutschlands ist der Zugang zu Polikliniken sehr restringiert und mancherorts auch die verfügbaren Mittel sehr knapp. Dies ist im ambulanten System deshalb so relevant, weil die Universitäts-Polikliniken im ambulanten Bereich die Entsprechung der Universitätskliniken oder Krankenhäuser der Maximalversorgung im stationären Bereich darstellen.

Herr Professor Korting, wir bedanken uns für dieses Gespräch!

 
Zoom Image