Der Klinikarzt 2006; 35(6): XII
DOI: 10.1055/s-2006-947136
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Multimodales, schonendes Behandlungskonzept - Fast-track-Chirurgie auf der Überholspur

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Publication Date:
05 July 2006 (online)

 
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Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der Grundsatz, dass sich Patienten nach umfangreichen Operationen möglichst schonen sollten, damit sich der Organismus erholen kann. So einleuchtend das klingen mag - heute weiß man, genau das Gegenteil ist der Fall! Je schneller die Patienten wieder auf die Beine kommen, desto besser. Da ist es nicht verwunderlich, dass Maßnahmen wie das Fast-track in der Kolonchirurgie, die die Komplikations- und sogar die Mortalitätsrate nach einem Eingriff verringern und parallel die Genesung der Patienten beschleunigen können, in Mode kommen.

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Multimodales Konzept beginnt schon mit der Aufklärung

Allerdings dürfe man den Begriff 'Fast-track' nicht auf die frühe Entlassung der Patienten aus dem Krankenhaus reduzieren, mahnte Senkal, es geht vielmehr um ein schonenderes Behandlungskonzept. "Es gehört also viel mehr dazu!" Ganz wesentlich ist es seiner Meinung nach, die Patienten - und auch die Angehörigen - bereits vor dem Eingriff gut zu informieren. Denn eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen des Konzepts ist, dass die Patienten bereit sind, aktiv an der Genesung mitzuwirken.

Der Beitrag der Chirurgen zu dem Behandlungskonzept besteht zum einen darin, möglichst atraumatische Operationstechniken (Transversalschnitte) und minimalinvasive Zugänge (z.B. Laparoskopie) einzusetzen. "Dadurch werden die Schmerzen verringert, Darmatonien verkürzt, eine bessere Lungenfunktion erreicht und die Krankenhausverweildauer reduziert", so Senkal. Außerdem sei inzwischen klar, dass Darmspülungen eher kontraproduktiv wirken. Vor allem bei rektalen Koloneingriffen seien diese heute obsolet, erklärte der Chirurg.

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Paradigmenwechsel bei Flüssigkeits- und Volumenersatz

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil für eine schnelle Genesung im Rahmen des Fast-track-Konzepts ist die Verkürzung der präoperativen Nüchternheit. Für klare Flüssigkeiten kann diese problemlos auf zwei Stunden reduziert werden. Die präoperative Gabe einer kohlenhydratreichen Trinklösung erhöht zudem das Wohlbefinden des Patienten, reduziert Angstgefühle und vermindert die postoperative Insulinresistenz, konstatierte Senkal.

Für den intraoperativen Flüssigkeits- und Volumenausgleich empfahl Prof. H.-J. Dieterich, Tübingen, ein im Vergleich zu den alten Empfehlungen eher restriktives Vorgehen. In der Regel reiche es aus, meinte er, 4 ml/kg/h einer Vollelektrolytlösung zu infundieren. Ist sichergestellt, dass der Patient selbst ausreichend trinkt, um seinen Flüssigkeitshaushalt aufrecht zu erhalten (Dokumentation!), kann postoperativ ebenfalls auf die früher übliche großzügige Volumensubstitution verzichtet werden. "Auch postoperativ setzt sich der Dogmenwandel fort", so Dieterich. Allerdings sollte der Patient bereits ab der dritten postoperativen Stunde wieder klare Flüssigkeit (z.B. Tee) zu sich nehmen und zwar 1,5 Liter noch am Operationstag. Proteindrinks oder Joghurt sollen diese Flüssigkeitszufuhr ergänzen.

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Nicht ohne optimale Narkoseführung und Schmerztherapie!

Unverzichtbar in dem Gesamtkonzept ist natürlich auch eine bestmögliche perioperative Schmerztherapie und eine optimierte Narkoseführung, betonte Prof. T. Standl, Solingen. Der Anästhesist forderte den Einsatz optimal steuerbarer Anästhetika, die für ein angenehmes, schnelles Einschlafen und Erwachen sorgen. Durch ein modernes Monitoring - zum Beispiel die Messung der Narkosetiefe durch spezielle EEG-Geräte - lässt sich die Anästhesie zudem exakt und effektiv steuern. "Noch ist das Verfahren relativ komplex und nicht ideal, es gibt aber zusätzliche Sicherheit", so Standl. "Wir setzen es ein, um unnötig tiefe Anästhesiestadien zu vermeiden. Das nützt nicht nur den Patienten, sondern schont auch den Geldbeutel."

Zur Therapie des postoperativen Schmerzes wiederum sei mit der thorakalen Epiduralanalgesie ein Verfahren ganz ins Zentrum des Interesses gerückt, um das postoperative Outcome der Patienten zu verbessern. Systemische Gaben von Opioiden sind dann nicht mehr notwendig. Sogar nach großen Darmoperationen kann der Patient mithilfe der Epiduralanalgesie schmerzfrei umhergehen, trinken und kleine Mahlzeiten zu sich nehmen - und sich so schneller erholen.

sts

Quelle: Pressekonferenz: "Weniger ist mehr - Flüssigkeits- und Volumenersatz bei Fast-track-Chirurgie", veranstaltet von der Baxter GmbH, Erlangen

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Algorithmus Infusionstherapie erweitert

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Der aktuellen Entwicklung in der Fast-track-Darmchirurgie trägt eine Neuauflage "Algorithmus Infusionstherapie", den ein interdisziplinäres Advisory Board auf Initiative von Baxter erarbeitet hat, jetzt Rechnung: Neu ist ein Kapitel zum Flüssigkeits- und Volumenersatz bei der Fast-track-Chirurgie.

Erstmals sind auch Hinweise für die Anästhesie und Schmerztherapie hinterlegt. Wie in der ersten Auflage sind die wichtigsten Entscheidungs und Handlungsabläufe in einem übersichtlichen Schaubild dargestellt, das durch klar strukturierte Hinterlegungen ergänzt wird.

 
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