Pneumologie 2006; 60(10): 593-599
DOI: 10.1055/s-2006-944251
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kognitive Defizite bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD)

Cognitive Deficits in Patients with Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD)M.  Orth1 , S.  Kotterba2 , K.  Duchna2 , W.  Widdig2 , K.  Rasche3 , G.  Schultze-Werninghaus1 , H.-W.  Duchna1
  • 1Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Medizinische Klinik III, Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin
  • 2Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Neurologische Klinik und Poliklinik, Bochum
  • 3Kliniken St. Antonius, Wuppertal
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Priv.-Doz. Dr. Maritta Orth

BG-Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik · Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Medizinische Klinik III Pneumologie · Allergologie · Schlaf- und Beatmungsmedizin (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. G. Schultze-Werninghaus)

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

Email: maritta.orth@rub.de

Publication History

eingereicht 12. 4. 2006

akzeptiert 1. 6. 2006

Publication Date:
17 October 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Hintergrund: Patienten mit COPD weisen Einschränkungen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit auf. Die vorliegende Studie vergleicht die Intelligenz- und Gedächtnisleistung sowie differenzierte Aspekte der Aufmerksamkeitsleistung von COPD-Patienten und Gesunden und analysiert potenzielle Einflussfaktoren der Leistungsfähigkeit. Patienten und Methode: Bei 32 Patienten mit COPD und 10 Normprobanden wurde ein neuropsychologisches Testprofil erstellt. Nachfolgende Parameter wurden evaluiert: Gedächtnisleistung, Intelligenz, einfache, selektive und geteilte Aufmerksamkeit, längerfristige Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit unter Stress- (= Daueraufmerksamkeit) sowie unter Monotoniebedingungen (= Vigilanz). Ergebnisse: COPD-Patienten und Gesunde unterschieden sich nicht im Hinblick auf die geteilte Aufmerksamkeit, Vigilanz- und Gedächtnisleistung. Signifikant schlechtere Leistungen bei COPD zeigten sich hinsichtlich der Intelligenzleistung (p < 0,01) sowie für die Teilbereiche der einfachen (p < 0,01), selektiven (p < 0,05) und Daueraufmerksamkeit (p < 0,01). Der Schweregrad der COPD (Lungenfunktion, BGA, nächtliche Sauerstoffsättigung) zeigte keine Korrelation zu den neuropsychologischen Testergebnissen. Ein Zusammenhang bestand jedoch zwischen der Gedächtnisleistung und dem Tiefschlaf- sowie dem REM-Schlafanteil. Schlussfolgerung: Die bei COPD-Patienten im Vergleich zu Gesunden nachweisbaren Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit lassen sich anhand des Schweregrades der COPD nicht vorhersagen. Daher muss bei Fragestellungen zur Leistungsfähigkeit eines Patienten mit COPD (z. B. bei gutachterlichen Fragestellungen) eine entsprechende neuropsychologische Testung empfohlen werden.

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Abstract

Introduction: Patients with COPD present with impairments of their cognitive performance. The present study compares intelligence and memory performance as well as different aspects of attention in COPD patients and healthy controls. Additionally, potential factors influencing daytime performance are analyzed. Patients and Methods: Neuropsychological testing was performed in 32 patients with COPD and 10 normal controls. The following aspects were evaluated: memory, intelligence, simple, selective and divided attention, sustained attention under stress and under monotonous conditions. Results: There were no differences between COPD patients and normals with regard to divided attention, vigilance and memory. Patients with COPD demonstrated significantly worse results in terms of intelligence (p < 0.01) as well as simple (p < 0.01), selective (p < 0.05) and sustained attention (p < 0.01). No correlation existed between the severity of the disease (lung function, blood gas analysis, nocturnal oxygen saturation) and neuropsychological findings. Merely a relationship between memory function and slow-wave sleep or REM sleep was demonstrated. Conclusion: Impairments of cognitive performance in patients with COPD cannot be predicted on the basis of the severity of the disease. Therefore neuropsychological testing is recommended, especially when impairment of daytime function has to be quantified.

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Einleitung

Bislang liegen nur wenige Untersuchungen über die Häufigkeit und das Ausmaß neuropsychologischer Defizite bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD) vor. Hierbei variieren das Ausmaß und der Charakter der kognitiven Defizite. Beschrieben werden vor allem Einschränkungen von Gedächtnisleistung, abstraktem Denken, Informationsverarbeitung, des Lernens sowie sprachlicher Fertigkeiten. Neben diesen intellektuellen Aspekten werden zusätzlich motorische Defizite im Bereich einfacher motorischer Bewegungen, der Kraft und der perzeptuellen motorischen Integration beschrieben [1] [2] [3] [4] [5].

Eine mögliche pathophysiologische Ursache für die kognitiven Defizite bei COPD ist der Sauerstoffmangel. Schon bei Gesunden hat eine akut herbeigeführte Hypoxämie profunde Veränderungen neurophysiologischer Variablen zur Folge. Zusammengefasst kommt es zu Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, des Kurzzeitgedächtnisses, der Fähigkeit des Neuerlernens und der kritischen Beurteilung von Sachverhalten, der motorischen Geschwindigkeit und der Wortflüssigkeit [6] [7] [8]. Bei Aufenthalten in großen Höhen konnten auch bei Gesunden eine Verlangsamung der Reaktionszeiten und Verhaltensauffälligkeiten festgestellt werden [9] [10] [11] [12]. Störungen der Gedächtnisfunktion wurden bei Patienten berichtet, die eine höhergradige und länger andauernde Hypoxämie erlitten haben [12] [13].

Patienten mit COPD und milder Hypoxämie weisen bereits Einschränkungen höhergradiger zerebraler Funktionen auf. So wiesen Prigatano u. Mitarb. bei 100 Patienten mit COPD und leichtgradiger Hypoxämie (mittlerer paO2 66,3 mmHg) im Vergleich zu Gesunden Defizite beim abstrakten Denken und der Aufmerksamkeit gegenüber auditiven Stimuli nach [4]. Grant u. Mitarb. konnten bei Patienten mit milder Hypoxämie (mittlerer paO2 67,8 mmHg) deutliche Einschränkungen der kognitiven Funktionen gegenüber Gesunden sowie eine Abhängigkeit des Schweregrades der Einschränkungen vom Hypoxämiegrad zeigen [1]. Auch scheint der Schweregrad der kognitiven Einschränkungen mit dem Ausprägungsgrad der Hypoxämie zuzunehmen. So zeigen Patienten mit einer COPD und schwerer Hypoxämie (mittlerer paO2 < 50 mmHg) ausgeprägtere Defizite als Patienten mit mittelgradiger (paO2 50 - 59 mmHg) oder milder Hypoxämie (paO2 > 60 mmHg). Bei Patienten mit mittelgradiger bis schwerer Hypoxämie wurden Defizite im Bereich einfacher motorischer Bewegungen, der Kraft, der perzeptuellen motorischen Integration, des abstrakten Denkens, der Aufmerksamkeit auf akustische Stimuli, der Informationsverarbeitung, des Lernens und der Gedächtnisleistung sowie sprachlicher Fertigkeiten nachgewiesen [1] [3] [4] [5] [12] [14].

Die Aufmerksamkeit stellt einen wesentlichen Teilaspekt der kognitiven Leistungsfähigkeit eines Menschen dar. Aufmerksamkeit ist Grundvoraussetzung für Leistungsfähigkeit und entspricht weitgehend einem Vorgang der Selektion, wodurch Wahrnehmung und Gedankentätigkeit auf relevante Ausschnitte in der Umwelt fokussiert werden können. Unterschieden werden vier wesentliche Aufmerksamkeitskomponenten: einfache, selektive, geteilte Aufmerksamkeit sowie die längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung. Die einfache Aufmerksamkeit („phasische Aktivierung”) bezeichnet die Fähigkeit eines Individuums, auf einen Warnreiz hin das Aktivierungsniveau für eine nachfolgende Reaktion zu steigern. Die selektive Aufmerksamkeit beschreibt die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Merkmal zu richten bzw. auf relevante Reize zu reagieren und irrelevante Reize zu vernachlässigen. Die geteilte Aufmerksamkeit bezeichnet die Fähigkeit zur schnellen, automatisierten und kontrollierten Informationsverarbeitung [15]. Hierbei müssen mindestens zwei Reizquellen gleichzeitig beachtet werden und es muss auf relevante Reize, die in der einen oder anderen Reizquelle auftauchen können, reagiert werden. Bei der längerfristigen Aufmerksamkeitszuwendung werden die Komponenten Daueraufmerksamkeit ( = längerfristige Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit bei hoher Reizfrequenz) und Vigilanz (= längerfristige Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit bei monotonen Umgebungsbedingungen) unterschieden.

Die vorliegende Untersuchung diente der Klärung der Frage, ob sich bei Patienten mit COPD im Vergleich zu Gesunden Einschränkungen der Intelligenz- und Gedächtnisleistung sowie der Aufmerksamkeitsleistung in den o. g. differenzierten Teilbereichen finden. Weiterhin sollte geklärt werden, ob Beziehungen zwischen dem Schweregrad der Lungenfunktionsstörung, der Gasaustauschstörung am Tage bzw. schlafbezogenen Parametern und den Leistungseinschränkungen bestehen.

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Patienten und Methodik

Untersucht wurde die kognitive Leistungsfähigkeit von 32 männlichen Patienten (Alter 57,4 ± 8,2 Jahre, BMI 25,4 ± 5,4 kg/m2) mit anamnestisch und lungenfunktionsanalytisch nachgewiesener COPD in einer stabilen Krankheitsphase. Bei allen Patienten erfolgte der Ausschluss eines obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms mittels Polysomnographie (Alice IV, Healthdyne). Die Ergebnisse wurden mit der kognitiven Leistung von 10 Gesunden (Alter 45,7 ± 12,4 Jahre, BMI 26,2 ± 1,8 kg/m2) verglichen, die in identischer Reihenfolge getestet wurden. Bei den Normprobanden wurde das Vorliegen einer höhergradigen schlafbezogenen Atmungsstörung mittels Anamnese sowie nächtlicher Pulsoximetrie ausgeschlossen. Das neuropsychologische Testprofil umfasste Intelligenz-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitstests. Untersucht wurden die fünf Aufmerksamkeitskomponenten einfache Aufmerksamkeit, selektive Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit und längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung unter Stressbedingungen (= Daueraufmerksamkeit) sowie unter Monotoniebedingungen (= Vigilanz). Die gesamte Testbatterie umfasste eine Zeitdauer von durchschnittlich 2 Stunden. Die Testungen erfolgten während der physiologischen Leistungsmaxima, d. h. zwischen 9.00 und 11.00 Uhr am Morgen bzw. zwischen 16.00 und 20.00 Uhr am Nachmittag bzw. Abend. Die Durchführung der Studie wurde durch die Ethik-Kommission der Ruhr-Universität Bochum genehmigt.

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Intelligenz: Zahlenverbindungstest von Oswald (ZVT), Mehrfachwortschatz-Intelligenztest (MWT)

Der ZVT ist ein spezifischer Intelligenztest zur Erfassung der kognitiven Leistungs- und Verarbeitungsgeschwindigkeit. Der Test besteht aus vier Zahlenmatrizen, die jeweils die Zahlen von 1 - 90 in unterschiedlicher Reihenfolge enthalten. Der Proband wird aufgefordert, die Zahlen so schnell wie möglich in der richtigen Reihenfolge zu verbinden. Aus den für die Bearbeitung jeder Matrize benötigten Zeiten wird eine durchschnittliche Bearbeitungszeit berechnet und hieraus der altersentsprechende Prozentrang anhand einer Normwerttabelle ermittelt. Der ZVT ist ein sprachfreier Intelligenztest, der basale Intelligenzprozesse misst.

Der MWT beinhaltet 37 Zeilen mit je 5 Wörtern, wobei nur jeweils eine geläufige Bezeichnung unter vier sinnlosen Wörtern steht. Die Begriffe sind nach aufsteigendem Schwierigkeitsgrad angeordnet. Der Proband wird aufgefordert, in jeder Zeile das ihm bekannte Wort zu kennzeichnen. Über die Zahl der richtig erkannten Begriffe wird der Intelligenzquotient mittels einer Normwerttabelle ermittelt [16].

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Gedächtnistest: Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT)

Der VLMT prüft die unmittelbare Gedächtnisspanne als Maß für das Kurzzeitgedächtnis sowie die Lern- und Einprägungsfähigkeit. Dem Probanden werden 15 geläufige Substantiva in Abständen von jeweils einer Sekunde vorgelesen, von denen er sich möglichst viele einprägen und anschließend in beliebiger Reihenfolge repetieren soll. Der Vorgang wird fünfmal wiederholt. Anschließend wird eine Interferenzliste mit 15 weiteren Begriffen dargeboten, wonach der Proband wiederum möglichst viele Begriffe in beliebiger Reihenfolge nennen soll. Danach wird er aufgefordert, möglichst viele Begriffe aus der zuerst vorgelesenen Liste zu nennen, ohne dass diese erneut wiederholt wurde. Der Proband wird im Anschluss 30 Minuten mit anderen Tests beschäftigt, danach wird der Test wiederholt. Die letzte Aufgabe besteht darin, aus 50 vorgelesenen Termini die Begriffe der ersten Liste wiederzuerkennen.

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Aufmerksamkeitstests

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Einfache Aufmerksamkeit: Wiener Reaktionsgerät (WRG) S5

Registriert wird die Reaktionszeit auf ein optisches Signal. Der Proband wird aufgefordert, beim Aufleuchten einer gelben Lampe so schnell wie möglich von einer vorgegebenen Startposition auf eine Taste zu drücken und zur Startposition zurückzukehren. Die Reaktionszeit setzt sich zusammen aus der Entscheidungszeit (Zeitspanne zwischen Stimuluswahrnehmung und Fingerbewegung) und motorischer Zeit (Zeitspanne zwischen Fingerbewegung und Druck auf Reaktionsknopf). Präsentiert werden 32 Reize bzw. Nicht-Reize, die Testdauer beträgt eine Minute und 20 Sekunden.

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Selektive Aufmerksamkeit: Cognitrone S2

Der Proband soll eine Figur (Aufgabenfeld) mit vier nebeneinanderliegenden Bildern (Anzeigefeld) auf dem Bildschirm vergleichen und auf Identität bzw. Nichtidentität prüfen. Das Ergebnis ist schnellstmöglich am Probandenpanel durch Drücken der entsprechenden Taste einzugeben. Insgesamt werden 200 Figuren präsentiert.

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Daueraufmerksamkeit (serielle Informationsverarbeitung unter Stressbedingungen): Wiener Determinationsgerät (WDG), Version Köln

Die Durchführung erfolgt in aufeinanderfolgenden Subtests. Im ersten Teil (Übungsturnus) wird der Proband aufgefordert, auf 10 visuelle und akustische Reize mit manuellem oder pedalem Druck einer zugehörigen Taste zu reagieren. Die Geschwindigkeit der dargebotenen Reize wird so lange erhöht, bis die Belastungsgrenze des Probanden erreicht ist. Auf dieser Geschwindigkeitsstufe wird im zweiten Testteil (Dauerturnus) die Dauerbelastung mit 540 Reizen überprüft. Die Geschwindigkeit der Leistung wird anhand von Teststufen klassifiziert. Hierbei entspricht eine niedrige Teststufe einer hohen Leistungsgeschwindigkeit und umgekehrt.

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Daueraufmerksamkeit (visuelle Monotoniebedingungen): TAP Vigilanztest

Ein sich vertikal bewegender Balken pendelt auf dem Bildschirm in wechselnder Geschwindigkeit. Sobald der Balkenausschlag deutlich in seiner Amplitude nach oben variiert, soll der Proband dies mit einem schnellen Tastendruck beantworten. Die Testdauer beträgt 30 Minuten.

Die Ergebnisse der neuropsychologischen Testung werden z. T. als Rohwerte (R), überwiegend aber als alters- und bildungskorrigierte Prozentrangwerte (PR) angegeben. Die Prozentränge werden anhand von Normwerttabellen für jedes Testergebnis entsprechend festgelegt. Prozentränge von > 50 stehen für überdurchschnittlich gute Ergebnisse, eindeutig pathologisch sind Prozentrangwerte < 16, grenzwertig Prozentrangwerte < 27 [17].

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Statistische Analyse

Zur Analyse der erhobenen Daten diente das Programm SPSS. Es erfolgte eine deskriptive Auswertung sowie eine zweidimensionale statistische Bearbeitung der Daten. Zum Gruppenvergleich zwischen Normal- und Patientenkollektiv dienten der STUDENT's t-Test für unverbundene Stichproben bei Normalverteilung bzw. der Mann-Whitney-Rank-Summen-Test bei nicht normal verteilten Daten.

Zur Beurteilung potenzieller Einflussfaktoren auf die Leistungsfähigkeit erfolgte eine bivariate Korrelationsanalyse nach Spearman. Signifikanz wurde bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p < 0,05 angenommen.

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Ergebnisse

[Tab. 1] zeigt die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfung der Patienten mit COPD in der stabilen Krankheitsphase. Anhand der Einteilung nach den GOLD-Stadien befanden sich 6 Patienten im Stadium I, 14 Patienten im Stadium II A, 9 Patienten im Stadium II B. Kein Patient erfüllte die Kriterien des GOLD-Stadiums III. Lungenfunktionsanalytisch wiesen die Patienten mit COPD im Mittel auch in der stabilen Krankheitsphase eine mittelgradige Atemwegsobstruktion (RAW 5,4 ± 2,7kpa/l/s, FEV1 50,4 ± 18,2 %Soll, Tiffeneau-Wert 62,8 ± 16,9 %Soll) und eine deutliche Lungenüberblähung (RV%TLC 154,5 ± 38,6 %Soll) auf. Die Ruhe-Blutgasanalyse erbrachte eine Normoxämie sowie Normokapnie.

Tab. 1 Lungenfunktionsprüfung bei COPD-Patienten (n = 32)
RAW (cmH2O/l/sek.) 5,4 ± 2,8
ITGV (% Soll)148 ± 43,1
RV%TLC (%Soll)154,5 ± 38,6
FEV1 (%Soll) 50,4 ± 18,2
FEV1% IVC (%Soll) 62,8 ± 19,9
paO2 (mmHg) 69,4 ± 9,8
paCO2 (mmHg) 37,8 ± 4,7

[Tab. 2] zeigt die Ergebnisse der nächtlichen Pulsoximetrie bei COPD-Patienten und Gesunden sowie die polysomnographischen Ergebnisse der COPD-Patienten. Das Schlafprofil bei COPD-Patienten war gegenüber der Norm im Sinne einer Reduktion des REM-Anteils sowie vermehrten Weckreaktionen gestört, der Tiefschlafanteil war im untersuchten Kollektiv mit einem Mittelwert von 13,4 ± 12,8 % im Normbereich. Ein klinisch manifestes obstruktives Schlafapnoe-Syndrom wurde bei den COPD-Patienten polysomnographisch ausgeschlossen (Apnoe-Index/h: 3,7 ± 12, Apnoe-Hypopnoe-Index/h 6,4 ± 10,1). Anhand der Anamnese und der nächtlichen Pulsoximetrie fanden sich bei den Normprobanden keine Hinweise für das Vorliegen einer Atmungsstörung im Schlaf im Sinne von zyklischen (V. a. Apnoen/Hypopnoen) bzw. längerfristigen Entsättigungen (V. a. Hypoventilation im Rahmen einer COPD). COPD Patienten wiesen eine signifikant niedrigere mittlere und minimale Sauerstoffsättigung auf (p < 0,05), ebenso unterschied sich die t90 (= Zeitdauer der Entsättigungen < 90 Sättigungsprozent) signifikant zwischen beiden Kollektiven (p < 0,05).

Tab. 2 Polysomnographie bei COPD-Patienten (n = 32) und nächtliche Pulsoximetrie bei COPD-Patienten (n = 32) und Gesunden (n = 10)
COPD-PatientenKontrollen
TST (min.)296,5 ± 56
REM (%) 16,4 ± 10,4
S3/S4 (%) 13,4 ± 12,8
Weckreaktionen/h 37 ± 13,4
AI/h 3,7 ± 12
AHI/h 6,4 ± 10,1
SaO2m (%) 91,4 ± 3,794,2 ± 0,6p < 0,05
Herzfrequenz (/min.) 76,6 ± 10,958,5 ± 8,3p < 0,05
SaO2min (%) 84,3 ± 6,788,2 ± 2,3p < 0,05
t90 (% Gesamtmesszeit) 34,8 ± 38,1 1,8 ± 2,7p < 0,05

TST = Gesamtschlafzeit, REM = Rapid Eye Movement-Schlafanteil, S3/S4 = Tiefschlafanteil, AI = Apnoe-Index, AHI = Apnoe-Hypopnoe-Index, SaO2m = mittlere Sauerstoffsättigung, SaO2min = minimale Sauerstoffsättigung, t90 = Zeitdauer der Entsättigungen < 90 Sättigungsprozent

Die Ergebnisse der Intelligenz- und Gedächtnistests zeigt [Tab. 3]. Die Ergebnisse der verbalen (Wort-IQ) bzw. nonverbalen (Zahlen-IQ) Intelligenztests zeigen mit Prozentrangwerten von > 27 (= Grenzwert) in beiden Gruppen keinen pathologischen Befund, der Vergleich von Gesunden und COPD-Patienten zeigt jedoch signifikant schlechtere Leistungen bei den Patienten. Ebenso ergaben sich signifikante Unterschiede im Hinblick auf die Gedächtnisleistung.

Tab. 3 Intelligenz- und Gedächtnistests und bei COPD-Patienten (n = 32) und Gesunden (n = 10)
COPD-PatientenKontrollen
Wort-IQ (R)110,7 ± 16,6123,4 ± 10,1p = 0,01
Wort-IQ (PR)68,3 ± 28,892,2 ± 5,2p < 0,001
Zahlen-IQ (R)90,7 ± 15,1116,5 ± 16,4p < 0,01
Zahlen-IQ (PR)34,7 ± 31,276,4 ± 8,8p < 0,001
VLMT A5 (R)10,7 ± 2,114,0 ± 1,2p < 0,001
VLMT Recall (R)8,2 ± 3,011,3 ± 2,7p < 0,05

Legende: R = Rohwert, PR = Prozentrang, VLMT A5 = fünfte Wiederholung des verbalen Lern- und Merkfähigkeitstests (Kurzzeitgedächtnis), VLMT Recall = verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest Recall (Langzeitgedächtnis)

Die [Tab. 4] demonstriert die Ergebnisse der differenzierten Aufmerksamkeitsprüfung. Im Hinblick auf die einfache Aufmerksamkeit, die differenziert wird nach mittlerer Reaktionszeit (MRZ), Entscheidungszeit (MEZ) und motorischer Zeit (MMZ), lagen die Prozentrangwerte bei den COPD-Patienten für die beiden ersten Unterpunkte unter bzw. knapp über dem Grenzwert von 27, auch die motorische Zeit lag mit einem Mittelwert von 33,3 nur knapp über dem unteren Grenzwert. Insgesamt waren die Testleistungen bei COPD-Patienten im Vergleich zu Gesunden signifikant schlechter. Die Prüfung der selektiven Aufmerksamkeit zeigte ebenfalls signifikant schlechtere Ergebnisse bei Patienten mit COPD. Hinsichtlich der längerfristigen Aufmerksamkeitsprüfung, bei der die Faktoren Daueraufmerksamkeit (= längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung unter Stressbedingungen) und Vigilanz (= längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung unter monotonen Bedingungen) unterschieden werden, zeigte sich bei COPD-Patienten bei der Daueraufmerksamkeit ein weit unter dem Grenzwert liegender Prozentrangwert sowie im Vergleich zu Gesunden eine deutlich schlechtere Daueraufmerksamkeitsleistung. Demgegenüber bestanden sowohl bei Patienten und Gesunden überdurchschnittliche Leistungen der Vigilanz, und es fanden sich keine Unterschiede zwischen beiden untersuchten Gruppen. Ebenso zeigte die Testung der geteilten Aufmerksamkeit keine Unterschiede. Die [Abb. 1] [Abb. 2] [Abb. 3]zeigen die Ergebnisse der einfachen, selektiven und Daueraufmerksamkeitsleistung im Vergleich.

Tab. 4 Aufmerksamkeitsleistung bei COPD-Patienten (n = 32) und Gesunden (n = 10)
COPD-PatientenKontrollen
Einfache Aufmerksamkeit
Mittlere Reaktionszeit (PR)23,1 ± 20,579,1 ± 19,8p < 0,001
Mittlere Entscheidungszeit (PR)27,7 ± 28,265,1 ± 27,9p < 0,01
Mittlere motorische Zeit (PR)33,3 ± 24,582,9 ± 14,9p < 0,001
Selektive Aufmerksamkeit
Summe richtige Antworten (PR)45,4 ± 33,978,6 ± 10,7p < 0,001
Richtige Ja-Antworten (PR)20,6 ± 20,346,1 ± 33,9n. s.
Richtige Nein-Antworten (PR)21,7 ± 22,152,1 ± 31,7p < 0,05
Geteilte Aufmerksamkeit
Mittlere Zeit (PR)43,5 ± 25,235,4 ± 21,1n. s.
Standardabweichung46,1 ± 28,462,0 ± 22,5n. s.
Fehler (%)19,9 ± 10,313,0 ± 8,6n. s.
Daueraufmerksamkeit
WDG-Stufe (R) 6,2 ± 0,9 4,5 ± 0,9p < 0,001
WDG (PR)18,9 ± 17,660,8 ± 25,6p < 0,01
Vigilanz
Mittlere Zeit (PR)83,3 ± 19,672,5 ± 23,8n. s.
Standardabweichung71,5 ± 20,977,7 ± 17,3n. s.
Fehler %19,1 ± 20,3 5,5 ± 3,9p < 0,01

R = Rohwert, PR = Prozentrang, WDG = Wiener Determinationsgerät

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Abb 1 Einfache Aufmerksamkeit (mittlere Reaktionszeit) bei COPD (n = 32) und Kontrollen (n = 10), (PR = Prozentrang). Aufgeführt sind Median (waagerechte Linie), Mittelwert (unterbrochene Linie), die Perzentilen 25 - 75 (Box) und die Perzentilen 10 - 90. (Fehlerbalken limitiert bei 0 bzw. 100 %.)

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Abb. 2 Geteilte Aufmerksamkeit (richtige Antworten) bei COPD (n = 32) und Kontrollen (n = 10), (PR = Prozentrang). Aufgeführt sind Median (waagerechte Linie), Mittelwert (unterbrochene Linie), die Perzentilen 25 - 75 (Box) und die Perzentilen 10 - 90. (Fehlerbalken limitiert bei 0 bzw. 100 %.)

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Abb. 3 Daueraufmerksamkeitsleistung bei COPD (n = 32) und Kontrollen (n = 10), (PR = Prozentrang). Aufgeführt sind Median (waagerechte Linie), Mittelwert (unterbrochene Linie), die Perzentilen 25 - 75 (Box) und die Perzentilen 10 - 90. (Fehlerbalken limitiert bei 0 bzw. 100 %.)

Es erfolgte sodann die bivariate Korrelationsanalyse nach Spearman zur Klärung der Frage, ob sich zwischen durchgeführten Tag- bzw. Nachtdiagnostik der COPD und den im Rahmen der neuropsychologischen Testungen erhobenen Ergebnissen Zusammenhänge finden. Als unabhängige Faktoren, die die Leistungsfähigkeit der Patienten am Tage einschränken könnten, wurden geprüft: der Schweregrad der COPD, gemessen an der Lungenfunktion (Atemwegswiderstand, Tiffeneau-Wert) und den Blutgaswerten (paO2, paCO2), das Ausmaß der nächtlichen Atmungsstörung (Apnoe-Hypopnoe-Index, arterielle Sauerstoffsättigung) bzw. die Störung der Schlafarchitektur. Die Korrelationsanalyse zeigte bei den COPD-Patienten lediglich einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Schlaftiefe, gemessen am REM- und Tiefschlafanteil und der Gedächtnisleistung (Langzeitgedächtnis/REM%, p < 0,05, Langzeitgedächtnis/Tiefschlafanteil%, p < 0,05). Keiner der weiteren getesteten unabhängigen Faktoren hatte einen prädiktiven Wert für die kognitive Leistungsfähigkeit.

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Diskussion

In der vorliegenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Patienten mit COPD im Vergleich zu Gesunden, schlechtere Ergebnisse für die Teilbereiche Intelligenz, Gedächtnis, einfache, selektive und Daueraufmerksamkeit aufweisen. Die Leistungsprofile zur geteilten Aufmerksamkeit und der Vigilanz unterscheiden sich nicht in beiden Gruppen. Als weiteres Ergebnis finden sich in der vorliegenden Untersuchung anhand der im Rahmen der COPD durchgeführten Tag- und Nachtdiagnostik keine Prädiktoren für die Aufmerksamkeitsleistung.

Nur wenige Studien haben die neuropsychologischen Folgeerscheinungen untersucht, die mit der COPD assoziiert sind. Eine der ersten Untersuchungen zu dieser Fragestellung war die NOTT-Studie [18]. Hier fanden sich die schlechtesten Ergebnisse bei COPD in den Bereichen des flexiblen Denkens, des Abstraktionsvermögens, der perzeptuell-motorischen Integration und in Tests zur Evaluation einfacher motorischer Fertigkeiten (z. B. Geschwindigkeit, Schnelligkeit) [18] [19]. Prigatano u. Mitarb. wiesen bei Patienten mit „milder Hypoxämie” (paO2 66,3 ± 7,0 mmHg) Defizite des abstrakten Denkens, der Gedächtnisleistung und der Geschwindigkeit der Aufgabenlösung nach [4]. Incalzi u. Mitarb. bestätigten die Einschränkungen der verbalen Funktionen und des verbalen Gedächtnisses bei COPD [2] [14]. In der vorliegenden Studie konnten ebenfalls bei COPD-Patienten schlechtere Gedächtnisleistungen sowohl für das Kurzzeit- als auch das Langzeitgedächtnis nachgewiesen werden. Unter Zugrundelegung der alterskorrelierten normativen Daten lag jedoch auch bei den COPD-Patienten im vorliegenden Kollektiv der Prozentrangwert weit über dem zu fordernden Grenzwert von 27.

Als wesentliche Ursache für die genannten neuropsychologischen Defizite wird in zahlreichen Untersuchungen die aus der COPD resultierende zerebrale Hypoxämie angeführt. Kontrovers stellen sich die Literaturergebnisse im Hinblick auf die Frage dar, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Hypoxämie-Schweregrad und dem Ausprägungsgrad der Leistungseinschränkungen gibt.

In der Untersuchung von Kozora wiesen Patienten mit COPD und milder Hypoxämie (paO2m 68,8 mmHg) keine Einschränkungen bei den kognitiven Aufgaben, die die kurzfristige Aufmerksamkeit, sequentielle visuell-motorische Fähigkeiten, den sofortigen bzw. verzögerten Aufruf verbaler und nonverbaler Inhalte und die Wortabrufgeschwindigkeit betrafen [12]. Diese Ergebnisse sind in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Stuss u. Mitarb., in der Patienten mit COPD nicht zwingenderweise Ausfälle vergleichbar denen bei Demenz aufwiesen [5].

Im Gegensatz hierzu stehen die Ergebnisse von Grant u. Mitarb., die die Leistungsfähigkeit der Patienten der NOTT-Studie analysierten und hierbei eine deutliche Abhängigkeit der Leistungseinschränkungen vom Hypoxämiegrad nachweisen konnten. Mit ansteigendem Hypoxämiegrad kam es zu einer zunehmenden Einschränkung der Faktoren Problemlösungsfähigkeit, psychomotorische Geschwindigkeit sowie der einfachen motorischen Fertigkeiten. Insgesamt nahm die Rate der neuropsychologischen Defizite von 27 % bei den leichtgradig hypoxämen Patienten auf 61 % bei schwerer Hypoxämie (paO2 < 59 mmHg) zu [1]. Während die Patienten der NOTT-Studie eine schwergradige und dauerhafte Hypoxie mit paO2-Werten in Ruhe von < 55 mmHg aufwiesen, konnten in weiteren Untersuchungen auch bereits bei nur leichtgradiger Hypoxämie Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden. So wiesen in einer Untersuchung 100 COPD-Patienten mit leichtgradiger Hypoxämie (mittlerer paO2 66 mmHg) bereits signifikante Einschränkungen des abstrakten Denkens, der Gedächtnisleistung und der Geschwindigkeit der Leistung auf [12].

Verschiedene Hypothesen über die Auswirkung der Hypoxämie bei Patienten mit COPD werden diskutiert. Untersuchungen zur zerebralen Perfusion mittels SPECT von Patienten mit COPD mit/ohne Hypoxämie zeigten eine anteriore zerebrale Hypoperfusion kortikaler Regionen und selektierte neuropsychologische Dysfunktionen bei den hypoxämen COPD-Patienten sowie eine Verschlechterung von kognitiven Funktionen, die dem Frontalhirn zugeordnet werden [14]. Die Auswirkungen der Hypoxämie sind die Entstehung freier Radikale, inflammatorische Reaktionen und Aktivierung von Glia [14] [20]. Die hohe Prävalenz von Vergesslichkeit und die eingeschränkten exekutiven Funktionen legen nahe, dass bei der fortgeschrittenen COPD Einschränkungen sowohl des frontalen als auch des subkortikalen Metabolismus vorliegen [2] [14] [21]. In der vorliegenden Untersuchung wiesen die COPD-Patienten bei Normoxämie am Tage in der Nacht eine deutliche arterielle Hypoxämie auf mit einer im Vergleich zum Normkollektiv signifikant niedrigeren mittleren Sauerstoffsättigung und einer deutlich erhöhten Zeitdauer von Entsättigungen < 90 % (t90). Während alle Untersuchungen den Einfluss der Hypoxämie auf die zerebralen Funktionen betonen, liegen bislang keine systematischen Untersuchungen zur Auswirkung einer Hyperkapnie auf die kognitive Leistungsfähigkeit vor.

Die Schlaf-Fragmentierung stellt ein weiteres Erklärungsmodell für die Entwicklung der neuropsychologischen Defizite dar. Bereits bei Gesunden führt eine in zwei aufeinanderfolgenden Nächten durchgeführte Schlaf-Fragmentierung bzw. Schlafdeprivation zu einer messbaren Zunahme der Müdigkeit und einer Beeinträchtigung der zentralnervösen Aktivierung [22]. Bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom zeigen sich Zusammenhänge zwischen der Störung der Schlafarchitektur (Reduktion des REM- und Tiefschlafanteils, vermehrter Leichtschlafanteil) und dem Ausprägungsgrad der Tagesmüdigkeit [23]. Auch bei Patienten mit COPD ist eine Störung der Schlafarchitektur im Sinne einer verkürzten Schlafdauer und einer verminderten Schlaftiefe belegt, ebenso wie die Besserung der Schlafarchitektur unter Sauerstoffgabe [24] [25]. In der vorliegenden Untersuchung wiesen COPD-Patienten eine deutliche Störung des Schlafprofils im Sinne eines reduzierten REM-Schlafanteils sowie einer signifikant erhöhten Wachzeit auf, während der Tiefschlafanteil im Normbereich war.

In der vorliegenden Untersuchung wurde auf die Aspekte Intelligenz, Gedächtnis sowie differenzierte Aufmerksamkeitsleistung fokussiert und Defizite bei COPD-Patienten im Vergleich zu Gesunden im Hinblick auf die Intelligenzleistung und die Aufmerksamkeitsaspekte einfache, selektive und Daueraufmerksamkeit nachgewiesen. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Untersuchungen ließen sich im vorliegenden Patientenkollektiv keine eindeutigen Prädiktoren für die Aufmerksamkeitsleistung anhand der routinemäßig bei allen COPD-Patienten durchgeführten Untersuchungen finden. Hierzu gehören: die Lungenfunktionsprüfung, die Blutgasanalyse sowie die Registrierung der nächtlichen Sauerstoffsättigung. Insbesondere fanden sich im Gegensatz zu den o. g. Ergebnissen keinerlei Beziehungen zwischen dem arteriellen Sauerstoffpartialdruckwert und der nächtlichen Sauerstoffsättigung und den Leistungen am Tage. Auch bei der weiteren Korrelationsanalyse möglicher unabhängiger Einflussfaktoren für die Leistungsfähigkeit fand sich lediglich durchgängig ein Zusammenhang zwischen der Gedächtnisleistung und dem Schlafprofil: Patienten, die besser schliefen im Sinne eines höheren Tief- und Traumschlafanteils, wiesen signifikant bessere Gedächtnisleistungen sowohl für das Kurzzeit- als auch das Langzeitgedächtnis auf. Dieses Ergebnis bestätigt die in der Literatur beschriebenen Zusammenhänge zwischen Gedächtnisleistung und Schlafstörung. Die Gedächtnisleistung basiert auf der Integrität des präfrontalen Kortex. Bereits eine Nacht der Schlafdeprivation kann die Funktion des präfrontalen Kortex einschränken [26] [27] [28]. Für die Intelligenzleistung sowie die übrigen differenzierten Aufmerksamkeitsaspekte fanden sich keine Zusammenhänge mit lungenfunktionsanalytischen Parametern, Blutgaswerten, nächtlicher Sauerstoffsättigung bzw. dem Schlafprofil.

Zusammenfassend bestehen bei Patienten mit COPD nachweisbare kognitive Leistungsdefizite, die sich jedoch insbesondere für die Teilbereiche der Aufmerksamkeit nicht anhand des Schweregrades der Erkrankung, gemessen an lungenfunktionsanalytischen Parametern bzw. der Blutgasanalyse und am Grad der nächtlichen Hypoxie, vorhersagen lassen. Ebenso war in der vorliegenden Untersuchung kein Zusammenhang zwischen den neuropsychologischen Defiziten im Bereich der Aufmerksamkeitsleistung und dem Ausprägungsgrad der Schlafstörung feststellbar. Die beschriebenen Testverfahren können aufgrund des hohen zeitlichen und personellen Aufwandes sicherlich nicht in die routinemäßige Diagnostik bei Patienten mit COPD eingeführt werden. Sie sollten jedoch integraler Bestandteil der Diagnostik bei spezifischen Fragestellungen z. B. im Rahmen von gutachterlichen bzw. sozialmedizinischen Fragestellungen sein. Insbesondere wenn die Leistungsfähigkeit eines COPD-Patienten beurteilt werden soll (z. B. bei Fragen nach Fortführung von Überwachungstätigkeiten), sollte eine entsprechende neuropsychologische Testung erfolgen. Da die untersuchten Aufmerksamkeitsaspekte z. B. auch beim Steuern eines Fahrzeuges (einfache Aufmerksamkeit: Bremsreaktionen, Daueraufmerksamkeit: z. B. Überwachungstätigkeiten, Vigilanz: monotone, langdauernde Autofahrten) von hoher Relevanz sind, müssen weitere Untersuchungen bei COPD-Patienten zur Evaluation z. B. der Fahrtüchtigkeit erfolgen.

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Literatur

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Priv.-Doz. Dr. Maritta Orth

BG-Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik · Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Medizinische Klinik III Pneumologie · Allergologie · Schlaf- und Beatmungsmedizin (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. G. Schultze-Werninghaus)

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

Email: maritta.orth@rub.de

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Literatur

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Priv.-Doz. Dr. Maritta Orth

BG-Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik · Klinikum der Ruhr-Universität Bochum Medizinische Klinik III Pneumologie · Allergologie · Schlaf- und Beatmungsmedizin (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. G. Schultze-Werninghaus)

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Abb 1 Einfache Aufmerksamkeit (mittlere Reaktionszeit) bei COPD (n = 32) und Kontrollen (n = 10), (PR = Prozentrang). Aufgeführt sind Median (waagerechte Linie), Mittelwert (unterbrochene Linie), die Perzentilen 25 - 75 (Box) und die Perzentilen 10 - 90. (Fehlerbalken limitiert bei 0 bzw. 100 %.)

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Abb. 2 Geteilte Aufmerksamkeit (richtige Antworten) bei COPD (n = 32) und Kontrollen (n = 10), (PR = Prozentrang). Aufgeführt sind Median (waagerechte Linie), Mittelwert (unterbrochene Linie), die Perzentilen 25 - 75 (Box) und die Perzentilen 10 - 90. (Fehlerbalken limitiert bei 0 bzw. 100 %.)

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Abb. 3 Daueraufmerksamkeitsleistung bei COPD (n = 32) und Kontrollen (n = 10), (PR = Prozentrang). Aufgeführt sind Median (waagerechte Linie), Mittelwert (unterbrochene Linie), die Perzentilen 25 - 75 (Box) und die Perzentilen 10 - 90. (Fehlerbalken limitiert bei 0 bzw. 100 %.)