B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2006; 22(3): 110-112
DOI: 10.1055/s-2006-933483
RECHT

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Probleme bei der Beschäftigung des freien Mitarbeiters

E. Boxberg
  • 1Justiziar des DVGS e. V., Hürth
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Publication Date:
27 June 2006 (online)

Es ist unbestritten, dass es die Rechtsform des freien Mitarbeiters in der sporttherapeutischen Praxis gibt und dass der freie Mitarbeiter als selbstständiger Unternehmer zur Unterstützung eines Praxisinhabers im öffentlichen Gesundheitswesen vom Praxisinhaber zur Bearbeitung und zur Erledigung von Praxisaufgaben beauftragt werden kann. Seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29.11.1995 (AZ: 3 RK 33/94) ist es ebenso unbestritten, dass die Behandlungen, die freie Mitarbeiter in einer Therapeutenpraxis erbringen, als Leistungen des Praxisinhabers abrechnungsfähig sind. Dies wurde auch aus steuerrechtlicher Sicht als zutreffend festgestellt. Der freie Mitarbeiter scheint also als wesentlicher Bestandteil der Leistungserbringung im öffentlichen Gesundheitswesen gesichert zu sein. Dies dürfte u. a. die Unternehmer von Kleinstpraxen zufrieden stimmen. Die Beauftragungsmöglichkeit eines freien Mitarbeiters nimmt diesen Betrieben das oft existenzbedrohende Risiko, das durch die Beschäftigung von Angestellten entstehen kann. Kleinstpraxen ernähren oft mühsam ihren Inhaber und haben in einzelnen Fällen doch mehr Arbeit, als der Praxisinhaber selbst zu bewältigen im Stande ist. Es ist hinlänglich bekannt, dass im öffentlichen Gesundheitswesen geringe Vergütungssätze für mehrheitlich qualitativ hochwertige Arbeit gezahlt wird, und dass ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Leistung und Vergütung längst verloren gegangen ist. Aus diesem Umstand entsteht für den Kleinstpraxisinhaber der (verständliche) Wunsch nach höchstmöglicher Absicherung seines Unternehmens. Dabei sollen oft solche Risiken ausgeschlossen werden, die von unserem Sozialrechtssystem mühsam erarbeitet wurden und als Pfeiler unserer Sozialordnung betrachtet werden: Lohnfortzahlungen im Falle von Krankheit, Mutterschafts- und Urlaubsentgelt.

Wenn auch der bezahlte Urlaub eines Angestellten noch kalkulierbar für den Unternehmer ist, so kann ihn die Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfalle oder bei Schwangerschaft doch überraschend treffen und das Betriebsausgabenkonzept durcheinander bringen. Der freie Mitarbeiter ist ein selbstständiger Unternehmer. Er arbeitet im Betrieb eines Praxisinhabers als sog. Subunternehmer. Dies ändert nichts daran, dass er wie der Praxisinhaber selbstständig ist und als Selbstständiger alle unternehmerischen Risiken, die auf ein Unternehmen zukommen können, selbst trägt. Umgekehrt ist der Praxismitarbeiter nicht verpflichtet, soziale Belange seines freien Mitarbeiters zu berücksichtigen oder gar hierfür einzustehen. Entscheidend ist nur, dass der freie Mitarbeiter selbstständig ist und bei einer Überprüfung seines Status nicht als Scheinselbstständiger enttarnt wird.

Um festzustellen, ob jemand tatsächlich freier Mitarbeiter ist, braucht nur überprüft zu werden, ob er in der Tat selbstständig ist. Wenn er nicht selbstständig ist, ist er angestellt tätig. § 7 SGB IV sagt: „Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.” Ergänzend hierzu sagt § 67 der Lohnsteuerrichtlinien: „Wer Arbeitnehmer ist, ist unter Beachtung der Vorschriften des § 1 LStDV nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.” Wegen der Abgrenzung der für einen Arbeitnehmer typischen fremdbestimmten Tätigkeit von selbstständiger Tätigkeit hat der BFH im Urteil vom 15.06.1985 (BStBl. II, S. 409) Merkmale aufgestellt. Danach können für eine Arbeitnehmereigenschaft (im Gegensatz zur selbstständigen Tätigkeit) folgende Merkmale sprechen (und im Gegenzug natürlich die gegenteiligen Merkmale für die selbstständige Tätigkeit):

persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleich bleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Überstundenvergütung, zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, keine Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb.

Bei den vorstehend aufgeführten Indizien für eine abhängige Beschäftigung (und bei Zutreffen des Gegenteils als Indiz für freie Mitarbeit) fallen folgende Elemente auf:

Urlaubsanspruch, Anspruch auf Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall.

Diese Merkmale werden vom Praxisinhaber gerade zur Verringerung seines Betriebsausgabenrisikos angestrebt. Nur um Urlaubsanspruch, Anspruch auf Sozialleistungen oder Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall zu vermeiden, strebt der Kleinstunternehmer nach Zusammenarbeit mit einem freien Mitarbeiter. Daher eignen sich diese Merkmale kaum zum Nachweis, dass eine Zusammenarbeit freie Mitarbeit und nicht Scheinselbstständigkeit ist.

Andere Merkmale, die auf eine Scheinselbstständigkeit hinweisen, sind beim freien Mitarbeiter in der Praxis eines Therapeuten kaum zu vermeiden:

Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Festausübung der Tätigkeit gleich bleibend an einem bestimmten Ort, zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, keine Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern.

Der freie Mitarbeiter arbeitet in aller Regel in der Praxis des ihn beschäftigenden Auftraggebers und Inhabers. Er behandelt dessen Patienten, die vom Praxisinhaber zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Behandlung in die Praxis bestellt werden. Hierdurch entsteht eine Abhängigkeit vom Ort und von der Zeit der Leistungserbringung durch den freien Mitarbeiter. Diese Abhängigkeiten sind nicht vermeidbar. (Wo soll der freie Mitarbeiter die Patienten seines Auftraggebers behandeln, wenn nicht in der Praxis des Auftraggebers?) Es ist schon schwierig, Terminabstimmungen zur Behandlung von Patienten durch Absprache zwischen Praxisinhaber und Therapeut zu Stande zu bringen. Bei diesen Terminabsprachen wird daher ein freier Mitarbeiter erst recht nicht einbezogen. Die Patienten sind zu bestimmten Zeiten bestellt, zu denen der freie Mitarbeiter sie behandeln kann. Wiederum eine Abhängigkeit?

Die von Sporttherapeuten vorzunehmenden Leistungen sind meist von der Seite eines Arztes vorgegeben oder von den Vergütungsträgern (den gesetzlichen Krankenkassen oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen) festgelegt. Der Inhalt der Tätigkeit steht also auch nicht in der Freiwahl des freien Mitarbeiters. Aus der zeitlichen Fixierung der Patientenbestellung ergibt sich oft eine tägliche Fixierung der Arbeitszeit.

In einem anderen Bereich erfüllt der freie Mitarbeiter auch kaum die Voraussetzungen eines Selbstständigen. Er entwickelt kaum wahrnehmbare Unternehmerinitiative und hat keinen nennenswerten Kapitaleinsatz. Im Gegensatz hierzu ist er sogar aufgrund der vorgegebenen Räumlichkeiten gehalten, sich in den Betrieb seines Auftraggebers einzufügen und bei der Inanspruchnahme von Zeit und Ort auf andere Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen.

Wo bleibt da der freie Mitarbeiter, wenn die Elemente, die ihn als Selbstständigen qualifizieren sollen, mehr und mehr verloren gehen? Von Seiten einiger Vergütungsträger im öffentlichen Gesundheitswesen wurde schon die Bemerkung laut, dass es den freien Mitarbeiter in der Praxis eines selbstständigen Therapeuten gar nicht geben könne. Dem ist jedoch entgegenzutreten. Zuzustimmen ist, dass der freie Mitarbeiter, der nur für einen Auftraggeber tätig ist, keine eigene Praxis hat und sich nur nach den Belangen eines Praxisinhabers richtet, gefährlich am Abgrund der Scheinselbstständigkeit steht. Wir wissen von den Trägern der Sozialdienstleistungen - die auch über das Vorliegen von freier Mitarbeiterschaft oder Scheinselbstständigkeit zu befinden haben -, dass sie immer kritischer die Kooperationsverhältnisse von Praxisinhabern und Mitarbeitern sehen. Es ist zu besorgen, dass eine Zusammenarbeit zwischen Praxisinhaber und freien Mitarbeitern heute noch unbeanstandet bleibt und morgen als Scheinselbstständigkeit enttarnt wird. Die Folgen können bis zu fünf Jahre in die Vergangenheit zurückreichen (das ist das Gefährliche bei der Aufdeckung einer Scheinselbstständigkeit). In einem solchen Falle drohen jedoch weniger dem Scheinselbstständigen Folgen als dem Praxisinhaber. Bei einer Teilzeit von bis zu fünf Jahren muss er aus den an den freien Mitarbeiter gezahlten Vergütungen ca. 22 % an Sozialbeiträgen nachzahlen (längstens jedoch für die Zeit der angegriffenen Zusammenarbeit). Da die Honorare eines freien Mitarbeiters höher sind als das Gehalt eines Angestellten, berechnen sich die nachzuzahlenden Sozialbeiträge aus einer Summe, die höher ist als sie an einen Angestellten als Gehalt bezahlt worden wäre. Es ist also gerade der Praxisinhaber, der vor einer Scheinselbstständigkeit eines freien Mitarbeiters gewarnt werden muss, jene Person, die sich zunächst den freien Mitarbeiter aus Gründen der Praxissicherung und besseren Kostenkalkulation gerade gewünscht hat.

Dabei ist noch eine weitere Gefahr zu bedenken. Der freie Mitarbeiter beschäftigt keine versicherungspflichtigen Angestellten. Wozu sollte er dies tun, wenn er ohne eine eigene Praxis arbeitet? Möglicherweise verfügt er nur an einigen Tagen in der Woche über keine Beschäftigungsmöglichkeit eines Angestellten. Als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger ist der Sporttherapeut nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI selbst beitragspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die wenigsten freien Mitarbeiter wissen dies. Wenn durch die Sozialversicherungsträger eine Untersuchung mit dem Ziel der Feststellung von Scheinselbstständigkeit stattfindet, ist also immer der Praxisinhaber oder der freie Mitarbeiter in der gesetzlichen Rentenversicherung beitragspflichtig - es sei denn, der seltene bis niemals vorkommende Fall liegt vor, dass der freie Mitarbeiter wenigstens eine versicherungspflichtige Person beschäftigt. In dieser Situation ist es leicht möglich, dass der freie Mitarbeiter - jetzt auf die Problematik der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hingewiesen - seinen ehemaligen oder auch derzeitigen Status beim Praxisinhaber genauer überdenkt und zu der Feststellung kommt, er sei gar kein richtiger freier Mitarbeiter, sondern eher ein abhängig Beschäftigter. Falls dies zutreffen sollte, ist er aus der Gefahrenzone, der Praxisinhaber aber in der Beitragspflicht.

Der Praxisinhaber tut gut daran, die Selbstständigkeit seines freien Mitarbeiters genauestens zu überprüfen. Er sollte feststellen, ob die Kriterien vorliegen, die eine selbstständige Tätigkeit begründen können und die bei einem abhängig Beschäftigten nie vorliegen:

Ein selbstständiger Unternehmer hat im Zweifel mehrere Auftraggeber (so wie der Praxisinhaber einen jeden einzelnen Patienten als Auftraggeber besitzt). Arbeitet der freie Mitarbeiter also auch in anderen Praxen mit, so ist dies ein Indiz für seine Selbstständigkeit (eine entsprechende Vorschrift im SGB VI ist zwar gestrichen worden, hat jedoch hierdurch ihren Nachweis als Kriterium für echte Selbstständigkeit nicht verloren). Eigene Unternehmerinitiative hat der freie Mitarbeiter, wenn er auch eine eigene Praxis besitzt, in der er Patienten behandelt - und seien es auch nur einzelne Privatpatienten oder Verwandte und Freunde. Die eigene Praxis ist ein deutliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Kapitaleinsatz verrät der freie Mitarbeiter durch die Anschaffung von eigenem Behandlungsgerät, ohne das ein selbstständiger Unternehmer nicht auskommt. Hierzu gehören u. U. Behandlungsliege, Hanteln, Bälle usw. Unternehmerinitiative zeigt der freie Mitarbeiter durch eigene (zulässige) Werbung, mit welcher er bemüht ist, den Auftraggeberkreis stets zu vergrößern. Eigene Visitenkarten, eigenes Briefpapier, ein Eintrag in die Gelben Seiten sind schon selbstverständliche Merkmale des selbstständigen Unternehmers.

Der freie Mitarbeiter, der die erwähnten Besonderheiten nicht vorweisen kann, könnte nicht nur für den Praxisinhaber eine tickende Zeitbombe sein; er ist auch sozialrechtlich eher einem Angestellten gleichzusetzen, da nicht sicher anzunehmen ist, dass von ihm selbst für den Fall einer Krankheit, eines Unfalls oder einer Schwangerschaft ausreichend Vorsorge getroffen wurde durch Kapitalrücklage oder private Absicherung.

Korrespondenzadresse

Dr. Ernst Boxberg

Justiziar des DVGS e. V.

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