Rofo 2005; 177(11): 1595-1596
DOI: 10.1055/s-2005-922526
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Praxisveräußerung an ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge

Münster/Westfalen

Email: kanzlei@ra-wigge.de

URL: http://www.ra-wigge.de

Publication History

Publication Date:
21 November 2005 (online)

 
Table of Contents

Nach § 95 Abs. 1 SGB V nehmen seit dem 1. Januar 2004 an der vertragsärztlichen Versorgung neben zugelassenen Ärzte, ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen und zugelassene Medizinische Versorgungszentren (MVZ) teil. MVZ sind nach der Definition in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V "fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind".

Die Zulassung, die Gründung und der Betrieb von MVZ stellen in der Praxis sowohl die beteiligten Vertragspartner aber auch die Zulassungsgremien teilweise vor erhebliche nicht geklärte Rechtsfragen, die beachtet werden müssen, wenn eine solche Einrichtung erfolgreich arbeiten möchte. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, wie niedergelassene Ärzte ihre Zulassung in ein MVZ einbringen oder an ein MVZ abgeben können, wenn sie ihre Tätigkeit in eigener Praxis aufgeben möchten. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich daher mit Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit der Einbringung einer Praxis in ein MVZ auftreten können.

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Möglichkeiten der Praxisveräußerung an ein MVZ

Die Gründung von MVZ wird, insbesondere in der Anfangsphase, aufgrund der weiterhin bestehenden Bedarfsplanung, abgesehen von den ärztlichen Fachgruppen, die nicht der Bedarfsplanung unterliegen, nur über die Einbindung vorhandener Vertragsarztsitze möglich sein. Dies kann nach § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V in der Form geschehen, dass ein Arzt auf seine Zulassung verzichtet und als angestellter Arzt in das MVZ eintritt. Daneben kann sich ein MVZ für den Fall, dass ein Vertragsarzt seine Praxis veräußern will und seinen Vertragsarztsitz zur Nachbesetzung gemäss § 103 Abs. 4 SGB V ausschreibt, um diesen Sitz im Nachbesetzungsverfahren offiziell bewerben. Erhält das MVZ die vertragsärztliche Zulassung des abgebenden Arztes, kann es den Vertragsarztsitz übernehmen und diesen durch einen angestellten Arzt im MVZ weiterführen. Das MVZ hat in diesem Fall allerdings auch die Verpflichtung die Praxis einschließlich des vorhandenen Praxiswertes (sog. ideeller und materieller Wert) zu übernehmen und dem Vertragsarzt hierfür einen entsprechenden Kaufpreis zu zahlen. Als Kaufpreis ist gemäss § 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V theoretisch als Höchstwert der "Verkehrswert" der Praxis anzusetzen.

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Keine isolierte Veräußerung der vertragsärztlichen Zulassung möglich

Die isolierte Veräußerung und der Erwerb der vertragsärztlichen Zulassung ist dagegen nach der Rechtsprechung des BSG ausdrücklich nicht möglich, da es sich hierbei nicht um eine vermögenswerte Rechtsposition handelt. Aus dieser Beurteilung folgt zugleich, dass die vertragsärztliche Zulassung kein handelbares Wirtschaftsgut ist. Die Zulassung oder der "Vertragsarztsitz" können daher nicht Gegenstand eines Praxiskaufvertrages sein, da es sich um ein öffentliches und damit unveräußerliches Recht handelt. Vertragsgestaltungen, die ausschließlich die Übertragung des Vertragsarztsitzes zum Gegenstand haben, sind daher als unzulässig anzusehen. Darüber hinaus ist bei etwaigen Vertragsgestaltungen zu berücksichtigen, dass Vertragsarztzulassungen nur unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines Praxisnachfolgeverfahrens übertragen und damit in einem MVZ fortgeführt werden können. So fehlt es an der Übertragbarkeit einer Praxis, falls diese einschließlich des sog. Goodwills nicht mehr vorhanden ist. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der betreffende Vertragsarzt vor Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit und Ausschreibung seiner Zulassung tatsächlich nicht mehr ärztlich tätig ist. Vertragsgestaltungen zwischen einem abgabewilligen Arzt und einem MVZ haben diese Einschränkungen der Vertragsautonomie zu berücksichtigen.

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Praxisveräußerung durch Eintritt in ein MVZ

Die Regelung in § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V geht davon aus, dass ein Vertragsarzt auf seine bestehende Zulassung verzichten kann "um in einem Medizinischen Versorgungszentrum tätig zu werden". Auf Seiten des eintretenden Vertragsarztes, der auf seine vertragsärztliche Zulassung verzichtet, sind mehrere Fragenkomplexe zu berücksichtigen.

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Übertragung der vertragsärztlichen Zulassung aus einer Gemeinschaftspraxis in ein MVZ

Vertragsarztrechtlich und gesellschaftsrechtlich nicht unproblematisch ist insbesondere die Übertragung der vertragsärztlichen Zulassung eines Gemeinschaftspraxispartners. Zulassungsrechtlich ist zunächst zu beachten, dass auch im Falle der Führung einer Gemeinschaftspraxis die Zulassung nach §§ 19, 24 Ärzte-ZV dem einzelnen Vertragsarzt und nicht der Gemeinschaftspraxis erteilt wird. Bei der für die Führung einer Gemeinschaftspraxis nach § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV erforderlichen Genehmigung handelt es sich also um eine Genehmigung, die zwei oder mehr bereits zugelassenen Vertragsärzten zu einer besonderen Form der Gestaltung ihrer gemeinsamen Berufsausübung nach außen erteilt wird.

Für den Eintritt eines in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Vertragsarztes in ein MVZ nach § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V bedeutet dies, dass der Arzt zunächst die gemeinsame Tätigkeit mit seinen Partnern beenden und aus der Gemeinschaftspraxis austreten muss. In Gemeinschaftspraxisverträgen finden sich jedoch häufig Regelungen, die den ausscheidenden Vertragsarzt verpflichten, seinen Vertragsarztsitz in der Gemeinschaftspraxis im Falle seines Ausscheidens zu belassen und bei der Übertragung der Zulassung auf einen Arzt nach Wahl der verbleibenden Partner mitzuwirken. Aufgrund der vom Bundessozialgericht festgestellten Berechtigung der in einer Gemeinschaftspraxis verbleibenden Partner einen Ausschreibungsantrag nach § 103 Abs. 4 und 6 SGB V zu stellen, gehen die meisten Zivilgerichte einschließlich des Bundesgerichtshofes von der Zulässigkeit derartiger zivilrechtlicher Verpflichtungen aus.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die meisten Gemeinschaftspraxisverträge Konkurrenzschutzklauseln für ausscheidende Ärzte enthalten, die auch für den Fall Geltung beanspruchen, dass der betreffende Arzt an einem anderen Standort als angestellter Arzt in einem bestimmten Zeitraum tätig werden will. Es empfiehlt sich daher zur Überprüfung der rechtlichen Möglichkeiten des in das MVZ eintretenden Arztes den Gesellschaftsvertrag der bisherigen Gemeinschaftspraxis genau zu überprüfen.

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Regelungen zur rechtssicheren Veräußerung der Arztpraxis und der Übertragung im Praxiskaufvertrag vorsehen

Für den Fall, dass die Veräußerung der Arztpraxis insbesondere der rechtssicheren Übertragung der vertragsärztlichen Zulassung auf das MVZ dient, sind detaillierte Regelungen zur Einbringung des Vertragsarztsitzes in das MVZ im Praxiskaufvertrag vorzusehen. Damit die Übertragung der vertragsärztlichen Zulassung durch den Verkäufer gem. § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V auf das MVZ nicht lediglich zivilrechtlich erfolgt, sollte zunächst für die Wirksamkeit des Praxiskaufvertrages und die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung von dem endgültigen Verzicht des Praxisveräußerers auf seine vertragsärztliche Zulassung und die bestandskräftige Genehmigung der Anstellung im MVZ durch den Zulassungsausschuss abgestellt werden. Darüber hinaus sind im Praxiskaufvertrag die Pflichten des Verkäufers im Rahmen des Zulassungsverzichts und der Eingehung des Anstellungsverhältnisses im MVZ zu regeln. Dies gilt insbesondere für den Zeitpunkt des Zulassungsverzichts und des Abschlusses des Anstellungsvertrages.

Im Hinblick darauf, dass der abgebende Arzt mit der Praxisveräußerung seinen gesamten materiellen und immateriellen Praxiswert auf den Käufer überträgt, sollte auch eine Regelung gefunden werden, die dem MVZ die bedarfsunabhängige Zulassung des angestellten Vertragsarztes nach einer mindestens fünfjährigen Tätigkeit im MVZ gem. § 103 Abs. 4a S. 3 SGB V sichert, falls der Arzt beabsichtigt, nach seiner Praxisaufgabe in dem MVZ noch für einen längeren Zeitraum als angestellter Arzt tätig zu werden. Soweit der in ein MVZ eingetretene Vertragsarzt lediglich für einen Übergangszeitraum als angestellter Arzt tätig werden soll, ist dies im Praxiskaufvertrag vorab zu vereinbaren.

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Praxiserwerb eines MVZ im Nachbesetzungsverfahren

Neben der bereits dargestellten Vereinbarung über den Eintritt eines niedergelassenen Vertragsarztes in ein MVZ zwecks Anstellung ist daneben der "Erwerb" einer Vertragsarztzulassung auch im Rahmen des sog. Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V für ein zu gründendes oder bereits bestehendes MVZ möglich.

Der "Erwerb" eines Vertragsarztsitzes im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens für ein MVZ unterliegt aufgrund der Unsicherheiten des Verfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V jedoch erheblichen Risiken. Zum einen ist aufgrund der fehlenden gesetzlichen Vorgaben zur Gewichtung der genannten Auswahlkriterien eine rechtssichere Übertragung der Vertragsarztzulassung auf ein MVZ kaum möglich. Hinzu kommt, dass die Auswahlkriterien auf niedergelassene Vertragsärzte und nicht auf ein MVZ zugeschnitten sind. Insofern ist zu befürchten, dass im Rahmen des Zulassungsverfahrens niedergelassenen Ärzten der Vorrang vor der Bewerbung eines Medizinischen Versorgungszentrums gegeben wird. Darüber hinaus bestehen Unsicherheiten bezüglich der Feststellung des Praxiswertes in den Fällen, in denen keine Einigung zwischen den Vertragspartnern erzielt werden kann.

Schließlich kann das Auswahl- und Nachbesetzungsverfahren durch Widersprüche und Klagen von nicht berücksichtigten Konkurrenten auf Jahre hinaus in der Schwebe gehalten werden. Aus diesem Grund ist in jedem Fall die oben beschriebene Form der Einbringung eines Vertragsarztsitzes in ein MVZ und die anschließende Tätigkeit als angestellter Arzt nach § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V dem Nachbesetzungsverfahren vorzuziehen.

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Rechtsanwälte Wigge Kleinke Frehse

RA Dr. Peter Wigge

Münster/Westfalen

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