Zeitschrift für Phytotherapie 2005; 26(2): 51
DOI: 10.1055/s-2005-869510
Gasteditorial

»Die Natur schafft nichts umsonst!«

Die Pflanze als unersetzliche Arznei: Historische Forschung und moderne PerspektivenSabine Anagnostou 1 , Christoph Friedrich 1
  • 1Marburg
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Publikationsdatum:
24. Juni 2005 (online)

Inhaltsübersicht
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    »Die Natur schafft nichts umsonst!« Diese Auffassung vertrat bereits der griechische Philosoph Aristoteles, dessen Gedankengut die Wissenschaft des Abendlandes so sehr geprägt hat. Gerade die mannigfaltige Bedeutung der Pflanzen für den Menschen scheint dieser Auffassung Recht zu geben: Pflanzen sind für uns vielfältig genutzte Rohstoffe und finden als Nahrungs- und Arzneimittel Verwendung.

    Seit Urzeiten machen sich die Menschen die Heilkräfte von Pflanzen zunutze und auch heute sind Pflanzen bzw. ihre Inhaltsstoffe und Extrakte aus Medizin und Pharmazie nicht wegzudenken. Nach der Euphorie in den 1950er und 1960er Jahren für die chemisch-synthetischen Arzneistoffe, gab es, insbesondere nach der Contergan-Katastrophe, wieder ein größeres Interesse an Phytopharmaka. Viele der phytotherapeutisch genutzten Arzneidrogen sind traditionelle Heilpflanzen. Eben erst erschien eine umfassende Monographie über die wechselvolle, fast 2000-jährige Geschichte des Johanniskrauts, die beispielhaft zeigt, wie sich die Entwicklung von einer uralten Heilpflanze zum modernen Phytotherapeutikum vollziehen kann. Dementsprechend wurde auch die Forschung auf dem Gebiet der Phytotherapie verstärkt. Zudem haben in jüngster Zeit Ethnobotaniker und Ethnopharmakologen ihren Blick intensiv auf die bei verschiedenen Ethnien in aller Welt traditionell verwendeten Medizinalpflanzen gerichtet. Denn gerade die Erforschung der historischen Tradition von Heilpflanzen kann wichtige Hinweise auf deren mögliche Verwendbarkeit in der modernen Pharmazie und Medizin eröffnen - eine Aufgabe, für die auch Pharmazie- und Medizinhistoriker geradezu prädestiniert sind.

    Die Geschichte der Pharmazie versteht sich dabei als eine wissenschaftliche Disziplin, die, gleichsam als Mittler zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Erkenntnisse und Forschungsergebnisse aus der historischen Tradition eines uralten und interdisziplinär weit vernetzten, ursprünglich nur als eine handwerkliche Kunst betrieben, dann aber eines zur Wissenschaft herangewachsenen akademischen Fachs zur Verfügung stellen kann und will. Im Hinblick auf den Gebrauch von Pflanzen bzw. Pflanzeninhaltsstoffen als Arzneimittel ist es gerade die Geschichte der Heilpflanzen, deren Erforschung auf alte, vergessene und bislang unbekannte Verwendungsmöglichkeiten aufmerksam macht und damit neue Perspektiven für die heutige Phytotherapie eröffnet. Diese Forschungsrichtung beschränkt sich aber nicht nur auf bei uns heimische oder bei uns traditionelle Arzneipflanzen, sondern auch auf außereuropäische; denn zu allen Zeiten haben sich Völker in aller Welt Pflanzen zur Bewahrung und Wiederherstellung der Gesundheit zunutze gemacht.

    Diese offensichtliche Beziehung zwischen historischer Forschung und Phytotherapie war für uns Anlass, an der Philipps-Universität Marburg am 16. Dezember 2004 in einem interdisziplinär und international besetzten, von der Firma Abtei freundlich unterstützten Symposium unter dem eingangs genannten Titel einen Streifzug durch verschiedene Kulturkreise und Epochen zu unternehmen und dabei aufzuzeigen, wie die Geschichte der Arzneipflanzen einen Beitrag zur Entwicklung von neuen Phytotherapeutika leisten kann. Wir danken Herrn Prof. Dr. Franz-C. Czygan herzlich für sein großes Interesse und seine Freundlichkeit, die es ermöglicht, die Ergebnisse des Symposiums einem größeren wissenschaftlichen Publikum zugänglich zu machen. Dies bietet zugleich die Gelegenheit, die Forschungsergebnisse weiter zu diskutieren und in zukünftigen Projekten zu intensivieren.

    Sabine Anagnostou und Christoph Friedrich, Marburg

    Folgende Referate in diesem Heft wurden auf der Marburger Tagung vorgetragen:

    • M. Heinrich et al.: Ethnobotanik und Pharmaziegeschichte - gemeinsame Herausforderungen und Aufgaben.

    • T. Pommerening: Altägyptische Heilpflanzen - eine Perspektive für die moderne Phytotherapie?

    • S. Anagnostou: Missionsarzneien des 16. bis 18. Jahrhunderts.

    • W. Knöss et al.: Mate.

    Zwei weitere Beiträge folgen.

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